~ Sechsundsechzig ~

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Als die Jungs Ali im Proberaum erblickten, erhellten sich ihre Gesichter sofort. Abrupt blieben sie mitten im Raum stehen, die Münder weit und dümmlich geöffnet und sahen auf das Mädchen hinab, von dem sie dachten, es nie wieder zu sehen. 

Augenverdrehend ließ Niall sich auf dem Klavierschemel nieder, um die ganze Situation von weitem beobachten zu können. Das war ja besser als Kino, schmunzelte er, als er einen Blick auf die Jungs warf, die versuchten noch irgendwie um Fassung zu rennen. 
Ali war die Erste, die etwas sagte. Höchstwahrscheinlich nur, um die Jungs nicht weiter in Verlegenheit zu bringen, der sie sich noch früh genug bewusst werden würden. 
Für Niall hätte sich diese Prozedur noch Ewigkeiten hinziehen können. 

„Hey“, sagte Ali, als ob nichts geschehen wäre und sie die Jungs wie jeden Vormittag zur  Probe begrüßen wurde. 

Aber er hatte auch nichts Anderes von ihr erwartet. Das war Ali wie sie liebt und lebte. 
Die Ali, die nach verwirrenden Gesprächen einfach so vor seiner Tür gestanden hatte. Die Ali, die lieber in der Gegenwart, als in der Vergangenheit lebte. Die Ali, an die er höchstwahrscheinlich sein Herz und seinen Verstand verloren hatte. 

„Ali!“, stammelten die Jungs unisono und sahen Ali an, als ob sie etwas ganz Unglaubliches wäre. Ein Ufo oder ein Meteorit. Niall lachte süffisant. 

Gott, was hatte dieses Mädchen nur mit ihnen gemacht? Einer nach dem Anderen umarmten sie Ali, zwar nicht mehr ganz so in Trance wie gerade eben, aber immer noch herzlich genug, als dass Niall sich nur leise ins Fäustchen lachen konnte. 
Louis ließ die Prozedur scheinbar über sich ergehen, doch Niall konnte an der Art und Weise wie er Ali umarmte sehen, dass auch er nicht unglücklich darüber war, dass sie zurück war. Aber für einen Fremden, schmunzelte Niall, sähe Louis nur aus, wie jeder andere Mensch, der eine Bekannte begrüßte. Um hinter seiner lässigen Umarmung die versteckte Herzlichkeit sehen zu können, brauchte es jahrelange Beobachtung. Und die hatte Niall gehabt. 
Nachdem Louis erlöst war, machte er sich auf den Weg zu Niall, um sich zu ihm zu setzen.

„Und?“, fragte sein Freund ihn neugierig, während er scheinbar interessiert das Treiben vor sich verfolgte. Niall lächelte. Louis war auch schon mal besser gewesen. 

„Und was?“, fragte Niall ihn desinteressiert, während er die gerade etwas verkrampfte Umarmung von Liam beobachtete. 

„Wieso ist sie hier?“ 

„Ich weiß nicht“, sagte Niall und lächelte. „Sie singt wohl einfach ziemlich gern.“

„Du schweigst also wie ein Gentleman“, murmelte Louis und lachte, als ob es sich bei dieser Aussage um etwas vollkommen Abwegiges halten würde.
„Na dann, viel Erfolg. Wir kriegen es ja doch raus.“

Niall zuckte nur mit den Schultern. Viel Spaß.
„Wir sollten anfangen, Leute“, rief er in den Raum hinein. Sofort spürte er wieder alle Blicke der Anwesenden auf sich. Sein Blick blieb jedoch wieder an Ali hängen, die ihn angestrengt zu mustern schien. 
Sie wollte wissen, wieso er es auf einmal so eilig hatte zu arbeiten. 

Ganz einfach, Leyna, antwortete er ihr in Gedanken. Dank dir und meinem Ausflug in die Vergangenheit haben wir eine Woche einfach mit Nichtstun verschwendet. Und da noch das Abschlusskonzert an stand und wir Songs singen müssen, die wir sonst noch nicht einmal unter der Dusche singen würden, müssen wir wohl proben. 
Dazu kommt noch, dass du dich weigerst mir in irgendeiner Art Zutritt zu deinem Leben zu gestatten und sowohl darüber als auch über deine Gefühle den Schleier des Vergessenes gelegt hast. Aber das kriegen wir noch hin. 

Genau das hätte er ihr gerne gesagt, aber das wäre wohl nicht ganz dem Anlass entsprechend. 

„Niall?“, riss ihn Liam aus seinen Gedanken und musterte ihn genervt. „Ich habe gerade die ersten Songs auf der Liste vorgelesen und du bist kein einziges Mal aufgesprungen, um dich vehement zu wehren, sie zu singen. Das macht mir Sorgen.“ 

Sheet Music Where stories live. Discover now