Vierunddreißig

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Jin

Namjoon? Mit meinem Kopf in den Nacken gelegt saß ich auf meinem Bett und rang nach Atem und einem klaren Gedanken. Ziemlich verwirrt legte ich meinen Kopf auf meine Knie und schloss meine Augen. Ich sah ihn vor mir, wie er mit dem Rücken zu mir stand, wie ich ihn von hinten umarmte und ich konnte seine Wärme spüren. Ich konnte sein mildes Shampoo riechen, seine rauen Hände fühlen. Ich war so dumm. Warum ausgerechnet er...

Frustriert wischte ich mir über die Augen. Ich wusste ganz genau, dass ich ihn nicht haben konnte, und das schmerzte.

Seufzend stand ich auf und ging duschen. Langsam sollten die anderen wieder da gewesen sein und ich zog mich schnell an, bevor ich mich mit einem kleinen Container Bananensaft und meinem Handy an den Esstisch setzte. Mit Gewalt steckte ich den Strohhalm in die Aluminiumfolie und schaute, was es so auf Twitter neues gab. Jemand von uns hatte auf unserem Twitterprofil ein Bild von Jimin und Taehyung gepostet, die sich gerade an einem Schmuckstand Ohrringe ansahen.

Endlich hörte ich durcheinander sprechende Stimmen von draußen und einen Schlüssel, der im Schloss gedreht wurde. Geduldig wartete ich, bis sie mich begrüßten und dann alle an mir vorbeiliefen.

Yoongi setzte sich neben mich und lehnte sich müde zurück. Ich sah mich suchend um. „Wo ist Namjoon?" fragte ich möglichst unauffällig. „Der ist hiergeblieben." Er kratzte sich am Kopf. „Oh..." murmelte ich und stand auf. „Bin auf dem Klo." Schnell warf ich die leere Plastikpackung weg und schloss mich im Badezimmer ein.

‚Du bist so dumm, du bist so dumm, du bist so dumm' redete ich mir immer wieder ein. ‚Warum lernst du nicht' Mit meinen Knöcheln schlug ich mir gegen die Stirn bis mir schwarz vor Augen wurde. Was, wenn er etwas mitbekommen hatte? Zitternd stützte ich mich am Waschbeckenrand ab und sah mich im Spiegel an. Ich war so unglaublich hässlich. Meine Lippen zu groß, meine Nase zu wuchtig, meine Augen zu klein, mein Gesicht zu speckig. Ich hasste mein Aussehen. Ich war es leid, ich zu sein.

Hastig stürzte ich zum Klo und steckte mir meinen Zeige- und Mittelfinger so tief in den Rachen, wie ich konnte. Sofort wurde mir speiübel. Ich beugte mich über die Schüssel und beförderte das wenige, was noch in meinem Magen war mit einem leisen platschen ins Wasser. Keuchend spülte ich und versuchte mich wieder zu beruhigen, was länger dauerte, als ich wollte.

„Jin? Ich weiß, dass du da drin bist!" hörte ich die besorgte Stimme von Yoongi von der anderen Seite der Zimmertür. Ich schniefte nur leise und stand zitternd auf. Ich sagte mir immer wieder, dass er mich nicht gesehen hatte, er konnte mich nicht gesehen haben, auf keinen Fall. Er durfte nicht. „Er war ja in seinem Zimmer, du warst leise, er hat nichts gemerkt." flüsterte ich meinem Spiegelbild zu, während ich den Wassertropfen zusah, wie sie auf meiner makellosen Haut nach unten rannen. Ich spritzte mir eine weitere Ladung eiskaltes Wasser ins Gesicht und versuchte meine Haut dazu zu zwingen, wieder einen normalen Ton anzunehmen. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, atmete ich einmal tief durch, bevor ich die Badezimmertüre aufschloss und einen angepissten Yoongi vor mir stehen sah. Wütend starrte er mich einige Sekunden an und schleifte mich dann in unser Zimmer.

„Weißt du eigentlich wie viele Sorgen ich mir mache, jedes Mal, wenn du länger als zwei Minuten im Bad bist? Hast du auch nur eine Sekunde dabei" er hielt seinen Zeigefinger unter meine Nase „an mich gedacht? Wie ich mich fühle, dass ich dir kein fucking Stück helfen kann?" Schuldbewusst sah ich auf den Boden und schürzte die Lippen. „Es tut mir ja leid..." – „Ach ja? Das sagst du jedes scheiß mal." Verletzt sah ich ihn an. „Ich kann ja nichts dafür... denkst du ich will das? Denkst du, ich hab mir das ausgesucht?" - „Ja, das denke ich. Du hast damit angefangen. Und wenn du wirklich damit aufhören wollen würdest, hättest du einen verdammten Weg gefunden." zischte er und rauschte an mir vorbei nach draußen, wobei er die Türe so zuknallte, dass ich zusammenzuckte.

Ich hatte es ja verdient. Ich war nichts weiter als ein völlig nutzloser Mensch, der seinen einzigen Freund verletzte.

Heißhunger | Namjin✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt