Einundfünfzig

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Namjoon

Am Abend herrschte eine wirklich unangenehme Stimmung. Jeder hatte es mitbekommen.
Nun ja... das ganze war ja auch nicht zu überhören gewesen...

Ich warf Hoseok einen warnenden Blick zu, welcher beschämt auf sein Essen starrte. Hätten sie nicht wenigstens etwas unauffälliger sein können?

"Alsooo" durchbrach Taehyung die Stille. "Wie kam es dazu?"

Ich sah zu Yoongi, welchem die ganze Situation kein Stück ausmachen zu schien.

"Das eine hat halt zum anderen geführt. Müsst euch daran jetzt wohl oder übel gewöhnen." Er grinste.

Mit seiner linken Hand schlug Hoseok ihn unter dem Tisch. "Mach es nicht schlimmer." zischte er mit hochrotem Kopf und sah ihn böse an.

"Euch ist bewusst, dass ihr das nicht dürft?"

Hoseok sah wieder auf sein Essen, wobei Yoongi nur mit den Schultern zuckte.
"Muss ja keiner wissen. Und so lang ihr uns nicht petzt ist alles in Butter."

"Um Himmels Willen Yoongi! Nimm das doch mal ernst!" Taehyung schüttelte ungläubig den Kopf. "Das könnte uns allen die Karriere kosten! Weißt du eigentlich, wie viel da auf dem Spiel steht?"

Yoongi zog wütend seine Augenbrauen zusammen.
"Denkst du ich weiß das nicht?" Aufgebracht stand er auf und sah uns alle von oben an.
"Mir bedeutet das alles hier genauso viel wie euch. Aber ihr könnt mir nicht das wegnehmen, was mich noch viel glücklicher macht!"

Stutzig hielten wir inne.
Mein Blick wanderte zu Hoseok, der genauso überfordert drein sah, wie wir anderen auch.

"Ist ja widerlich." murmelte Jimin und verzog sein Gesicht, und plötzlich lag unsere ganze Aufmerksamkeit auf ihm.

"Du bist viel widerlicher!" meldete sich ein schüchterner, aber überraschend entschlossener Jungkook zu wort. "Du hast ja keine Ahnung wie das ist! Würdest du dich freuen, wenn jemand dein Geheimnis, das dir über alles bedeutet rausfindet und dann sagt 'Ist ja widerlich'?"

Er sah aus, als würde er Jimin den Hals umdrehen wollen.

"Du hast auch keine Ahnung davon wie es ist, nur wegen seiner Sexualität gehasst zu werden, also halt gefälligst deine scheiß Klappe!"

Die Stille, die nach seinem Wutausbruch im Raum schwebte, war erdrückend.
Wer hätte gedacht, dass unseren Jungkook das so mitnimmt?

"Komm Hobi." sagte Yoongi irgendwann und zog ihn auf die Beine. "Wir gehen."

Hilflos warf dieser mir einen Blick zu und wurde dann auch schon von Yoongi in sein Zimmer gezogen.
Na super.

Der nächste der auf stand, war Jimin.
Unter abwertenden Blicken stellte er die leeren Teller zusammen und trug sie in die Küche, um sie dort in die Spühlmaschiene einzuräumen.

Ich sah zu Seokjin und wir tauschten ein kurzes stummes Gespräch aus, worauf ich mich erhob und er es mir gleich tat.
Gemeinsam liefen wir in unser Bad, schlossen ab und seufzten.

"Was sollen wir tun?" flüsterte Jin und klang dabei nicht ganz so ruhig, wie er wirkte.
"So wie ich die beiden einschätze, werden sie das selbst in der Öffentlichkeit nicht geheim halten können..."

Ich nickte. "Wir sollten mit ihnen reden und alles besprechen."

Nachdenklich starrte er mich an.
"Denkst du, wir können uns in der Öffentlichkeit geheim halten?"
Ich zuckte mit den Schultern.
"Wir haben ja eine andere Beziehung als die beiden. Bei Yoongi und Hoseok scheinen ja noch Gefühle mit dabei zu sein..."

Ein mir rätselhafter Ausdruck huschte über sein Gesicht.
"Und was ist, wenn sich bei uns Gefühle entwickeln?"
Ich schwieg.

Seokjin schien einen kurzen inneren Kampf mit sich selbst auszutragen, bevor ihm die nächsten Worte raus platzten.
"Oder besser: wenn ich schon Gefühle für dich habe?"

Überfordert erwiderte ich seinen ehrlichen Blick.
Gab er gerade allen ernstes zu, dass er sich in mich verliebt hatte?

Ich lachte auf.
"Das bildest du dir nur ein."
Verwirrt zog ich meine Brauen zusammen.
"Das kann gar nicht... das kann nicht sein."

Der junge Mann vor mir überbrückte den restlichen Abstand zwischen uns und stand nun direkt vor mir.

"Warum, huh? Denkst du, dass dich niemand jemals lieben kann? Weil dich einer verarscht hat und du Angst davor hast, dass es noch mal passiert?"

Ich schluckte.

"Jetzt hör mit mal gut zu, du dummes Arschloch. Ich hab mich in dich verliebt, seit du mich das erste mal angefasst hast."
Entschlossen sah er mich an.
"Und wenn du es nicht erwiderst: Schön! Das ändert gar nichts! Ich werde dich so lange nerven, bis du das selbe für mich fühlst. Warte nur ab, ich hab nicht vor aufzugeben!"

Seine Worte lösten ungewollt etwas bei mir tief im Inneren aus.
Es rührte mich.

Die Ehrlichkeit in seinen Augen sprach Bände und seine kindlich wirkenden Aussagen brachten mich zum schmunzeln.

"Wirklich? Und was ist, wenn ich es nie erwider?"
Trotzig verzog er seine Lippen zu einem Schmollmund.
"Das wirst du!"
Seine Augen glänzten und er schniefte leise.
"Das wirst du..."

Schuldig kaute ich auf meiner Unterlippe rum. Ich wollte ihn nicht zum weinen bringen.
Meine Hand legte ich an seinen Nacken, wobei er automatisch noch etwas näher zu mir rückte.

"Und du bist dir da sicher?"
Er nickte.
"Hundertprozentig?"
Er nickte wieder und ich musste lächeln.

"Dann hab ich wohl keine andere Wahl..."
Vorsichtig lehnte ich mich weiter vor, bis unsere Lippen übereinander schwebten. Ich wollte gerade unsere Lippen miteinander verbinden, da kam er mir zuvor und drückte mir seine fest auf.

Es war kein langer Kuss, den wir teilten. Dafür aber war er voll mit Bedeutung und so sanft, wie ich noch nie etwas spüren durfte.

Als wir uns wieder lösten sahen wir uns lächelnd in die Augen, während wir uns hielten und uns ab und zu wieder einen Kuss aufdrückten.

Ich war glücklich.
Doch es war klar, dass dies nicht lange so bleiben konnte.

Heißhunger | Namjin✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt