17. Birthday

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"HAPPY BIRTHDAY!!", kreischte eine aufgedrehte Brianna, kaum war ich in die Küche getreten.
Trotz der Überraschung sie schon um diese Zeit hier vorzufinden, bildete sich augenblicklich ein Grinsen auf meinem Gesicht.
"Danke, Süße.", erwiderte ich und zog sie in meine Arme.
Ja, heute war es endlich soweit.
Heute war mein langersehnter 18. Geburtstag!
Irgendwie kaum zu glauben.
Obwohl ich normalerweise nicht viel von Geburtstagen hielt, war es dieses Jahr irgendwie anders.
Die Hoffnung, dass mein nächstes Lebensjahr endlich wieder nach meinen Vorstellungen verlaufen wird, war zu gross. Neue Zahl neues Glück war mein Motto.
Vielleicht konnte ich jetzt wenigstens ein wenig besser abschliessen. Wünschen würde ich es mir jedenfalls.
"Alles Gute, mein Schatz!", warme graue Augen traten in mein Sichtfeld und keine Sekunde später lag ich schon in den nächsten Armen.
"Danke Mum.", murmelte ich in ihre Halsbeuge und atmete ihr vertrautes Parfüm ein. Sie war erst gestern Abend spät von New York zurückgekehrt. Worüber ich sehr froh war. Für einen kleinen Moment hatte ich schon gedacht, meinen
Geburtstag ohne sie feiern zu müssen. Ich löste mich aus der festen Umarmung und lenkte den Blick zum Esstisch, an welchem mein Vater grinsend lehnte.
Mit Freude stellte ich fest, dass seine Gesichtszüge wieder um einiges entspannter wirkten und der müde, gestresste Ausdruck in seinen Augen langsam zu schwinden schien.
Gestern Mittag war die Verhandlung von diesem Pädophilen gewesen und Dad' Bemühungen schienen nicht umsonst gewesen zu sein.
Denn das Urteil fiel nicht gerade zum Gunsten des Mannes aus. Er wird jedenfalls für eine ganze Weile keinem kleinen Kind auch nur annähernd näher kommen können.
Und mein Dad konnte endlich wieder aufatmen und sich ein wenig entspannen, ehe wieder der nächste Fall seine volle Aufmerksamkeit beanspruchte.
Doch solange dies noch nicht der Fall war, genoss ich seine Aufmerksamkeit, welche ganz mir und meiner Mutter galt.
"Mein kleines Mädchen wird erwachsen.", murmelte mein Vater berührt und zog mich ebenfalls in eine strake Umarmung.
Seine Stimme verriet allen Anwesenden, wie zwigespalten er darüber war, dass ich heute mein 18. Lebensjahr antrat.
"Ich bin erwachsen Dad.", korrigierte ich ihn amüsiert. Ein Grunzen entwich seiner Kehle und er drückte mich gleich noch etwas stärker an sich, was ich mit einem leisen Lachen quittierte.
"Und da du jetzt erwachsen bist, hoffen wir, dass du dich gut um dein neues Baby kümmerst.", kam es von meiner Mum. Etwas verwirrt drehte ich mich zu ihr um.
Was meinte sie denn damit?
Doch als meine Augen das schwarze Etwas in ihren Händen entdeckten, konnte ich es nicht fassen.
Ungläubig starte auf das Teil, was in der Hand meiner Mutter baumelte und nur darauf zu warten schien, genutzt zu werden. Als die Botschaft dann endlich in meinem Gehirn angekommen war, verliess ein spitzer Schrei meinen Mund.
Unter normalen Umständen hätte ich mir selbst für solch einen Ton eine gescheuert, doch meine Vorfreude stellte dies in den Schatten.
Ohne Vorwarnung schnellte meine Hand nach vorne und ich riss Mum regelrecht den Gegenstand aus der Hand und sprintete aus dem Haus in unsere Einfahrt. Dabei murmelte ich immer wieder die selben Wörter. Doch als ich draussen angekommen war und den schwarzen Mini sah, schrie ich die Wörter schon fast.
"Oh mein Gott! Das kann nicht sein... Das kann nicht sein...!", eine Träne verliess meinen Augenwinkel als ich dem Wagen näher kam.
Da stand es. Mein absolutes Traumauto seit ich denken konnte.
Und ich hatte die Schlüssel!
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Immer noch fassungslos drehte ich mich um und konnte meine Eltern und meine beste Freundin, die mir gefolgt waren, nur sprachlos anstarren. Alle drei grinsten vom einten Ohr zum anderen, sichtlich zufrieden mit sich. Verdient, denn damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Einen nigelnagelneuen Wagen geschenkt zu bekommen und dann auch noch mein absolutes Traumauto, das hätte ich mir nie und nimmer erträumen lassen.
"Danke, danke, danke!!!", meine Stimme überschlug sich förmlich, während ich wie ein kleines Kind auf meine Eltern zustürmte und ihnen erneut in die Arme fiel.
"Freut uns, dass es dir gefällt.", lachte Dad und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
"Das ist die Untertreibung des Jahres!", erwiderte ich immer noch strahlend und drehte mich wieder zu meinem neuen Baby um.
Der Mini war schwarz. Doch die beiden weissen Streifen auf der Motorhaube, wie das weisse Dach und die gleichfarbigen Seitenspiegel setzten einen aussergewöhnlichen Akzent. Es war einfach perfekt!
"Von nun an kannst du ja das Taxi spielen.", entschied Brianna scherzhaft, nicht minder begeistert über mein Geschenk.
Ich lachte leicht. Jetzt war ich endlich nicht mehr von dem öffentlichen Verkehrsmittel wie dem Bus abhängig. Ich konnte jederzeit hin wo ich wollte. Dieses Gefühl liess ich erst mal wohlwollend meinen Körper durchfluten. Ich konnte es einfach immer noch nicht glauben.
"Bau mir aber ja keinen Unfall mit diesem Ding!", warf mein Vater dann nochmals ein und sein Gesicht wurde eine Spur ernster. Auch wenn es eher ein Witz sein sollte, wusste ich auch wie ernst die Worte wiederum gemeint waren. Seine fürsorgliche Seite übernahm wieder die Oberhand. Doch wenn dies nicht der Fall wäre, dann würde etwas nicht stimmen. Ich war es gewohnt, nickte deshalb nur und hielt seinem durchdringenden Blick stand, um ihm zu zeigen, dass es mir ebenfalls ernst war. Nach ein paar Sekunden schien er dann zu frieden zu sein und liess mich dann mit einem letzten nachgiebigen Blick endlich ziehen.
Das liess ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen. Zusammen mit Anna hastete ich regelrecht auf mein Auto zu. Vorsichtig fast schon ehrfürchtig schloss ich den Wagen auf und liess mich auf die Fahrerseite gleiten.
Kurz darauf liess sich auch Anna neben mir nieder und grinste mich voller Erwarten an.
Mit einem fetten Grinsen liess ich den Wagen anspringen und fuhr von unserem Grundstück.
Das Radio sprang automatisch an und als hätte es der Zufall nicht anders gewollt, drang eins meiner Lieblingslieder aus den Boxen.
Die Fahrt verlief recht still, doch wir beide hatten ein Permanentlächeln um unsere Mundwinkel.
Doch dann zog meine Freundin plötzlich scharf die Luft ein und starrte mich an. Genauer gesagt meine Arme. Etwas verwirrt über ihren abrupten Stimmungswechsel, folgte ich ihrem Blick und blieb dann an meinen Unterarmen und Handgelenken hängen.
Auch mein Lächeln schwand nach und nach und ich schluckte.
Wie auch schon gestern, zierten meine Arme und Handgelenke dunkelblaue Flecken, wobei manche schon in Richtung violett gingen.
Ja, die Spuren vom Vorfall vor zwei Tagen waren noch deutlich zusehen. Mein Vater hatte ganz schön Panik geschoben als er am Abend, nachdem Jaron gegangen war, in mein Zimmer trat, um mir gute Nacht zu wünschen. Ich hatte die Mahle zu diesem Zeitpunkt nicht verdeckt und so fielen sie seinem geschulten Blick natürlich sofort auf. Er war ausser sich und hatte die kuriosesten Gründe für die Flecken. Als ich ihm dann alles schilderte, wobei ich aber Jaron nur kurz erwähnte, war er wütend, sehr wütend. Er liess gleich darauf eine kleine Gruppe Streifenpolizisten in den Park schicken. Vielleicht war die Gruppe ja noch dort, doch Fehlanzeige. Auch Mum war schockiert als sie davon erfuhr.
Dad hatte sie telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt. Anfangs bestanden sie sogar darauf, dass ich den darauffolgenden Schultag aussetzte, doch ich blieb standhaft. Ich musste mich ablenken und ausserdem wollte ich keine Schwäche zeigen.
Den ganzen gestrigen Tag waren die Erinnerungen an das Zusammentreffen mit dem Ekelpaket von einer Strickjacke überdeckt.
Was mir zwar ein paar schräge Blicke einbrachte, denn wer Bitteschön trug mit gesundem Menschenverstand schon eine Strickjacke bei 35 Grad?
Brianna wusste natürlich bescheid und taktierte jeden der es auch nur wagte mich blöd anzuschauen mit ihrem Killerblick. Anders als meine Eltern, wusste Anna auch über die anderen Details, die Jaron betrafen, bescheid. Sie schwankte während meinen Schilderungen immer wieder zwischen Entzücken und Argwohn.  Ihr war und blieb Jaron nicht geheuer, doch sie war auch durch und durch eine kleine Romantikerin. Auch wenn sie das nicht allzu oft zeigte.
"Ich habe das Gefühl, sie sehen noch schlimmer aus als gestern.", murmelte Anna leise.
Ich seufzte. Auch ich konnte mir besseres vorstellen, als an meinem Geburtstag blauilane Flecken zur Schau zustellen. Doch was wollte ich schon machen. Wenigstens schien der Schmerz langsam abzuklingen, auch wenn meine Handgelenke immer noch etwas steif.
"Es wird noch ein paar Tag dauern, bis sie verblassen. Aber davon lass ich mir den heutigen Tag nicht vermiesen,", erwiderte ich fest entschlossen und lenkte den Wagen gekonnt auf das Schulgelände.
Anna nickte verstehend und wieder erschien ihr unverkennbares Grinsen auf den Lippen. Dieses gewisse Grinsen wenn sie etwas wusste, was ich nicht wusste.
"Keine Angst, dieser Tag wird unvergesslich für dich sein.
Du wirst dich sogar noch mit künstlichem Gebiss und Rolator daran erinnern!", prophezeite sie mir.
Ich verdrehte belustigt die Augen.
Schon seit ein paar Tagen lag sie mir mit dem heutigen Abend in den Ohren. Anscheinend hatte sie und die anderen vor, mit mir in einen der beliebtesten Club zu gehen, um meinen 18. gebührend zu feiern. Besser könnte es meinen Geburtstag eigentlich nicht mehr treffen. Denn Morgen fällt die Schule aus, weil wir einen Feiertag haben und da es unnötig war, bloss für einen einzigen Tag wieder in die Schule zu kommen, bevor das Wochenende starten würde, schenkte man uns dieses Jahr auch noch den Freitag. Also hiess das für mich die paar Stunden Schule heute so schnell wie möglich hinter mich zubringen und dann mein verlängertes Wochenende geniessen.
Bevor wir aus dem Wagen stiegen, warf ich mir über mein marineblaues Kleid eine schwarze langärmlige Strickjacke, die notdürftig alles verdeckte, was es zu verdecken gab.
Als ich mit Anna im Schlepptau den Parkplatz überquerte, schaute ich mich automatisch nach einem grauen Dodge um oder eher gesagt nach dessen Besitzer. Doch wie auch schon den Tag zuvor war weder das Auto noch der mysteriöse sich langsam auftauende Eisklotz zu sehen.
Langsam fragte ich mich wirklich, wieso er immer so oft abwesend war. Ich wette, jeder andere Schüler hier hätte schon längstens die Schulleitung am Hals.
Doch bei den Doe-Zwillingen schien das so eine Sache zu sein. Ich gebe zu, dass mich leichte Enttäuschung überkam. Ich hatte gehofft, ihn heute wiederzusehen. Ich wollte wissen, wie wir seit Montagnacht zueinander standen. Denn auch wenn ich es nur ungern zugab, da war irgendetwas. Und ich war noch völlig unschlüssig, ob ich das gutheissen oder schleunigst dafür sorgen sollte, dass sich wieder alles dem Alten zuwendete. Wobei wären die Gerüchte und die Ereignisse, bei denen ich selbst anwesend und unfreiwilliger Zeuge war, eigentlich Beweis genug, nur das nötigste mit den Doe' zu tun zu haben. Vor allem mit Jaron.
Aber es war ja nichts neues, dass ich Gefahr anzog wie die Motten das Licht.

Beyond all reason - Gegen jede VernunftWhere stories live. Discover now