Kapitel 7.

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-Nicolai-

„Ihre Hände sind so klein und ihre Wangen sind so knuffig." Schwärmte ich und stupste Chloe's Näschen an, woraufhin sie leise kicherte.

Wir saßen bei Amanda im Esszimmer und während Jenna und Sie gemeinsam besprachen, welche Blumen für die Hochzeit am besten geeignet waren, hielt ich die kleine Chloe auf dem Arm und konnte nicht aufhören von ihr zu schwärmen. Hin und wieder beobachteten die Beiden mich und versuchten, nicht loszukichern. Ich hatte das Gefühl, als wenn Jenna und Amanda ziemlich gute Freunde geworden waren. Sie verabredeten sich häufiger, da Jenna im Mutterschutz war und nicht arbeiten konnte. Naja, sie wollte eigentlich wieder Arbeiten gehen, doch Tristan hatte darauf bestanden, dass sie bei dem Kind blieb, da das Musikbusiness auch ohne Kind schon anstrengend genug war. The Blast hatte ein großes Problem. Ich wusste, dass sie scheinbar keinen Gitarristen hatten, doch nun ohne Jenna, drohte die Band zu zerfallen. Ein weiterer Grund, wieso sie wieder arbeiten wollte.

„Ich liebe meinen Job, aber ich will auch bei Chloe sein. Beides geht nicht."

Es musste schwer sein, sich zwischen seinem geliebten Job und seinem Kind entscheiden zu müssen. Man könnte sogar sagen, dass sie sich zwischen Tristan und Chloe entscheiden musste. Sie vermisste ihren Verlobten und versuchte sich mit dem Kind abzulenken.

„Das wird schon wieder. Ihr werdet die schönste Hochzeit aller Zeiten haben und eine glückliche Familie sein." Versicherte Amanda ihr und sah mich auffordernd an. Das war wohl mein Ansatz, ihr zuzustimmen. „Das denke ich auch. Tristan liebt dich über alles und Chloe ist ein Schatz. Ihr werdet euren Rhythmus schon finden." Jenna wirkte erleichtert und lächelte ihre Tochter verträumt an. Ich beneidete sie ein wenig. Ich hätte auch gern Kinder. Sie waren zauberhafte Wesen. „Du wärst ein großartiger Vater." Murmelten die Mädchen und sahen mich breit grinsend an. „Wirklich?" fragte ich und konnte nicht verhindern, dass ich mich geschmeichelt fühlte. Allein die Tatsache, dass Jenna mich ihre Tochter halten ließ, obwohl sie noch gar nicht so alt war, zeigte, dass sie mir vertraute. Das machte mich glücklich. Alec war deswegen ziemlich beleidigt gewesen, da Jenna sie ihm nicht geben wollte. Ich betrachtete erneut das kleine Wesen in meinen Armen und hätte sie am liebsten behalten.

Wir saßen so noch eine Weile zusammen. Amanda machte uns noch einen Kaffee und brachte, wie auch sonst, einen kleinen Kuchen mit, den sie selbst gebacken hatte. Wir unterhielten uns über etliche belanglose Dinge, bis Chloe in meinen unruhig wurde.

„Warte, ich nehme sie." Jenna sah auf die Uhr und nickte verständnisvoll. „Es wird Zeit, dass ich sie wieder Stille." Grübelte sie und stand auf. „Ich setz mich kurz rüber, ins Wohnzimmer. Esst ruhig weiter." Trällerte sie und tapste mit der Kleinen weg.

Amanda und ich aßen, wie Jenna es verlangt hatte, weiter und wussten nicht so recht, worüber wir reden sollten. Es gab zu viele unangenehme Themen, die zwischen uns ruhten.

„Nic, wir sollten darüber reden, was letztens im Laden passiert ist." Die Gabel verschwand in meinem Mund. Ich zog es vor, meine Aufmerksamkeit auf den Kuchen zu richten. „Nic, bitte." Jammerte sie leise. „Ich wüsste nicht, was es da zu bereden gibt." Blockte ich ab und trank meinen Kaffee in einem zug aus. „Du weißt ganz genau, was ich meine. Das war keine einfache Panikattacke. Du warst deswegen im Krankenhaus, schon vergessen?"

Scheppernd landete meine Kaffeetasse auf dem Tisch. Ein wunder, dass sie nicht zerbrach, da ich wirklich nicht sanft mit ihr umging. „Glaub mir, dass ist mir durchaus bewusst. Es ist aber nichts neues, dass ich Probleme habe." Ich war eigentlich gar nicht wütend. Dennoch klang meine Stimme mehr als nur anklagend. Sie konnte nichts dafür und machte sich nur Sorgen um mich. Trotzdem behandelte ich sie, als wenn sie mir im Weg stehen würde.

„Ich mache mir doch nur Sorgen um dich. Das tun wir alle." Ihre Augen glänzten traurig, als ich sie ansah. „Wenn ihr mir helfen wollt, dann hört auf, Dinge vor mir zu verheimlichen." Gab ich schroff zurück. Amanda wirkte einen Moment geschockt. Sie wollte etwas sagen, schien jedoch ihre Stimme verloren zu haben. „Ich mag vielleicht ein Krüppel sein, aber ich bin nicht dumm. Ich sehe doch, wie ihr etwas vor mir verheimlicht, obwohl es wichtig zu sein scheint. Ich habe das Gefühl, immer und immer wieder im Kreis zu laufen und ihr scheint zu wissen, wie ich endlich vorwärts komme, doch ihr wollt es mir nicht sagen." Noch immer schien sie mit sich zu hadern. Sie sah hilfesuchend zu Jenna, die grade wieder ins Zimmer kam. „Was ist denn hier los?" fragte sie verwundert, als ich abrupt aufstand und beinahe den Stuhl umwarf. „Wenn ihr mir nicht sagen wollt, was es mit Levin auf sich hat, dann muss ich meine Antworten eben woanders suchen." Knurrte ich an beide gerichtet. Jenna's Augen weiteten sich bei diesem Namen, ehe sie zu Amanda blickte.

„Wir sehen uns im Laden." Murmelte ich noch zum Abschied und stapfte aus der Tür.

„Warte!" Jenna lief mir noch hinterher und schien zu überlegen, was sie mir sagen durfte und was nicht. „Du solltest mit Tristan darüber reden. Ich denke er weiß am besten, was dir helfen kann. Es tut mir leid. Wir wollten dich nicht belügen oder dir das Gefühl geben, unwichtig zu sein, doch es ist kompliziert. Nimm es uns bitte nicht übel." Sie sah mich ehrlich betroffen an. Ich wollte ihr glauben. Ich wollte glauben, dass sie einen guten Grund hatten, mir Dinge zu verschweigen. Ich dachte daran, dass sie immer nur das Beste für mich wollten. Also nickte ich langsam und ging in meine Wohnung. Es war schwer, zu verstehen was sie dazu veranlasst haben könnte, mir Informationen vorzuenthalten, die mir hätten helfen können. Ob es mir besser ging, sobald ich mit Tristan gesprochen hatte? Würde diese Leere in mir endlich verschwinden?

Nachdenklich ging ich im Zimmer auf und ab. Ich wollte es wissen. Ich wollte wissen, wieso niemand über den verschwundenen Gitarristen fragte. Ich wollte wissen, was ich mit ihm zu tun hatte. Ich konnte mich nicht wirklich an ihn erinnern. Ich wusste zwar, dass es sich scheinbar um Jenna's Bruder handelte und auch Tristan schien ihm nahe zu stehen, doch ich wusste nicht, was ich mit dieser Person zu tun hatte. Ich erinnerte mich verschwommen daran, dass er bei mir im Krankenhaus war. Meine Erinnerungen an die ersten Wochen nach dem Koma, waren prinzipiell sehr verschwommen. Dr. Harper hatte es damit begründet, dass mein Gehirn erst langsam wieder anfing, richtig zu arbeiten. Und so hatte es sich auch angefühlt. Erst ein Monat später hatte ich das Gefühl, wieder richtig denken zu können. Die erste Zeit war es schwer, Situationen zu erfassen und zu verstehen, was sich vor mir abspielte. Vieles fühlte sich an, wie in einem Traum. Unklar, verschwommen und unrealistisch.

Ich hatte kaum bemerkt, dass ich während meiner Grübelei angefangen hatte, die Wohnung aufzuräumen. Ich hatte sie in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt, was eigentlich nicht meine Art war. Doch ich wusste ja schon seit einiger Zeit kaum mehr, was meine Art war und was nicht. Ich ging jedoch davon aus, dass ich früher sehr ordentlich war. Eigentlich hatte ich nichts gegen Aufräumen. Mit dem Staubsauger in der Hand, lief ich durch die Wohnung und rettete meinen Boden vor dem widerlichen Staub, der sich auf ihm abgesetzt hatte. Krümel, Fussel und Wollmäuse wurden kurzerhand entfernt und ließ die Wohnung gleich viel angenehmer wirken. Ich fuhr mit dem Aufsatz unter die Couch und versuchte jeden Fussel zu erwischen. Stattdessen fing es an zu knacken und ließ mich aufhorchen. Was war das? Verwundert stellte ich den Staubsauger aus und suchte nach dem mysteriösen Objekt, welches dieses Knacken verursacht hatte. Meine Finger trafen auf gesplittertes Plastik und ein stechender Schmerz ließ mich kurz zusammenzucken. Ich musterte erst meinen blutenden Finger, dann die CD-Hülle, dessen Ecke abgebrochen war. Ich wischte den Staub vom Cover und hielt einen Moment inne. Diese CD.. Dass war das erste Album von The Blast. Ich konnte mich vage daran erinnern, dass ich sie mit Austin gekauft hatte. Das alles schien vor einer Ewigkeit gewesen zu sein. Ich stand auf und überprüfte, ob die CD selbst, noch unbeschadet war.

Trotz einiger Kratzer, spielte meine Anlage die CD problemlos ab und aus dem Aufräumen wurde nichts mehr. Ich lag auf der Couch und lauschte der Musik. Mich überkam das Gefühl eines Déjà-Vus. Ich hatte nicht alles aus meiner Vergangenheit vergessen, doch manche Dinge hatten auf mich den Eindruck, als wenn ich sie nur geträumt hätte. Genauso war es auch mit der CD. Es war, als würde ich die Lieder kennen und doch waren sie mir fremd. Ergab das überhaupt einen Sinn? Ich wusste es nicht, aber das war ja nichts Neues. Es gab viele Dinge, die ich noch nicht verstand, doch ich trug die Hoffnung in mir, dass eines Tages, alles einen Sinn ergab. Das alles seine Ordnung hatte und ich verstand, was wichtig und was unwichtig war.

Die Stimme des Gitarristen trug mich in einen tiefen Schlaf, voller Hoffnungen und Träume. 

See You Again (Band 2)Where stories live. Discover now