1 | Nein, Jace. Sie hat Recht

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Montagmorgen. Es nieselte leicht und der Wind pfiff uns um die Ohren. Es wurde Winter.

Ich war auf dem Weg zur Schule, Jace lief neben mir. Ich war nicht in der besten Stimmung. Dinge gingen mir seit Tagen durch den Kopf, die ich nicht in meinem Kopf haben wollte. Wirklich nicht.

„Sei mal nicht so angepisst", meinte Jace.

„Ich darf angepisst sein, wann immer ich will, klar? Also halt' deine scheiß Fresse.", antwortete ich ihm kalt. Es war die einzige Möglichkeit, mich selbst zu schützen.

Er verdrehte seine Augen.

„Jungs!"

Lydia, unsere beste Freundin, stand auf der anderen Straßenseite und winkte uns.

Jace überquerte direkt die Straße und ich folgte ihm.

Noch mehr Menschen, juhu.

„Hey Lyd!", grüßte Jace.

„Hey", brummte ich nur.

Lydia sah mich fragend an.

„Was ist denn mit dir die ganze Zeit los?", wollte sie wissen.

„Achtung, Lydia. Mr. Lightwood hier hat eine ewig dauernde Lebenskrise.", antwortete Jace für mich. Ich dankte ihm mit dem Erheben meines Mittelfingers.

Das mit der Krise war allerdings nicht gelogen.

Lydia lachte und klopfte mir auf die Schulter.

Genervt zog ich sie weg.

„Chill, Alec. Sollen wir noch auf Hodge und Seb warten, oder gehen wir?"

„Wir gehen."

Damit ließ ich die beiden stehen und lief weiter.

Jace rannte mir hinterher. Er stellte sich mir gegenüber und fasste mich an beiden meiner Schultern.

Er sah mir in die Augen und ich hätte heulen können. Seine Augen waren so schön. Wieso musste ich auch ausgerechnet für ihn Gefühle entwickeln?

„Alec, jetzt komm mal runter. Ich weiß ja nicht, wieso du seit ein paar Tagen so mies drauf bist, aber lass es nicht an uns aus, okay? Und wenn was ist, kannst du immer mit mir reden, das weißt du."

„Ja. Ja, sorry."

Er wusste natürlich nichts davon. Niemand wusste davon.

Wir liefen über den Schulhof, wo wir auch Hodge und Sebastian trafen. Ich klatschte mit beiden ein und nahm mir vor, meine blöden Gefühle in meinen Hinterkopf zu verschieben.

„Guckt mal da."

Hodge wies auf Izzy, Clary und deren Clique.

„Wie sie wieder dastehen. So richtige Opfer.", lästerte Hodge in einer Lautstärke, in der auch die gemeinte Clique es hören konnte. Allerdings schienen sie es zu ignorieren. Aber Jace fand das nicht so witzig und schubste seinen eigentlich guten Freund leicht weg.

„Pass auf, was du sagst, man. Das ist immer noch unsere Schwester."

Er erwähnte nicht, dass Clary auch Sebastians Schwester war.

Die beiden hatten kein gutes Verhältnis.

Sebastian hatte früher bei seinem Vater gelebt, den Clary nie kennenlernte, und plötzlich setzte dieser Vater Sebastian bei Clary und ihrer Mutter ab und verdrehte den ganzen Alltag der Frays.

Sebastian war aber auch ganz anders als die Frauen der Familie. Er war hinterhältig und selbstverliebt und damit kam Clary einfach nicht klar.

„Aber, jetzt mal ehrlich. Dieser Magnus ist so eine Schwuchtel, ohne Witz. Der ist doch die Definition von ‚schwul'.", stieg Sebastian nun auch in die Konversation ein.

Ich schluckte und sah mir Magnus an. Er trug Make-Up, er hatte unzählige Ringe an seinen Fingern, seine Fingernägel waren lackiert und seine Haare waren perfekt gestylt. Es stand ihm, aber wenn das die Definition von ‚schwul' war, dann war ich es vielleicht doch nicht? Vielleicht bildete ich mir die Gefühle für meinen Adoptivbruder auch nur ein?

„Ich, lieber Sebastian, bin nicht schwul, ich bin bisexuell. Das ist ein Unterschied.", verteidigte Magnus sich gegen Sebastian, doch er sah mir in die Augen.

Ich guckte schnell woanders hin und wurde rot.

„Ha! Noch besser, fickt Mann und Frau! Scheiß Mannshure!", meinte Seb dann.

Magnus tat mir leid.

Er konnte ja nichts dafür, auf wen er stand. Ich kannte das gut genug.

„Es reicht, Sebastian."

Clary drehte sich nun auch um. Auch, wenn die beiden kein gutes Verhältnis hatten, war Clary Sebastians Schwachstelle, so wie Isabelle meine und Jace's war.

„Es reicht, okay? Hör auf.", sagte sie kalt.

Sebastian senkte seinen Kopf.

„Wo Seb halt Recht hat, hat er Recht.", lachte Hodge leise und wir lachten mit.

Ich kann nicht sagen, dass ich ihm zustimmte, aber ich wollte nicht auffallen.

Der Unterricht begann und wir begaben uns in die Klassenräume.

Isabelle hielt mich auf.

„Ich bin echt enttäuscht von dir, Alec.", ließ sie mich wissen, dann ging sie wieder und ließ mich stehen.

Ihrer Meinung nach hätte ich wahrscheinlich etwas sagen sollen, aber sie verstand das alles einfach nicht. Ich konnte nicht einfach vor Sebastian und Hodge jemanden verteidigen, der auch Männer liebte.

Sie würden höchstwahrscheinlich Verdacht schöpfen und das versuchte ich zu vermeiden.

Nach der Schule liefen Jace, Isabelle und ich zusammen nach Hause.

Izzy war den ganzen Weg lang still. Sie redete nichts, anders als sie es sonst tun würde. Sonst erzählte sie immer fröhlich von ihrem Tag, aber dieses Mal redete sie gar nichts.

„Iz?", fragte Jace vorsichtig. Er tippte sie sanft an, doch Isabelle schlug genervt seine Hand weg. Muss in der Familie liegen.

„Ihr seid solche Arschlöcher", fauchte sie, „ihr hättet ja was sagen können, aber nein! Clary musste Sebastian zum Aufhören bringen und ihr beide wisst mehr als genau, wie gut deren Verhältnis ist. Ich bin echt enttäuscht von euch. Was ist denn daran so schlimm, dass Mag verdammt nochmal halt auch auf Männer steht? Er kann ja nichts dafür! Euch würde ich mal gerne an seiner Stelle sehen. Er hat garantiert genug damit zu kämpfen und ihr, die großen Stecher, die ihr gerne wärt, müsst ihn noch mehr runtermachen!"

„Izzy, ich..", versuchte Jace unsere Schwester zu besänftigen.

„Spar's dir, Jace.", unterbrach Isabelle ihn wütend, „Echt, spar's dir."

Sie schüttelte enttäuscht den Kopf, beschleunigte ihren Schritt und ließ uns hinter ihr.

Jace seufzte.

Ich sah ihr hinterher und dachte über ihre Worte nach.

Hatte Magnus wirklich auch damit zu kämpfen? Hatten wir sein Selbstbewusstsein noch mehr zerstört? Kämpfte er damit, so wie ich es tat?

„Bisschen übertrieben war's ja schon von ihr.", murmelte Jace.

Ich sagte nichts für ein paar Sekunden, doch dann lachte ich bitter auf.

„Nein, Jace. Sie hat Recht."

Heyy
Diese Story wird außerdem ein bisschen sad sein, die ganze Zeit über, weil ich einfach sehr schlecht im Fröhliche-Geschichten-Schreiben bin.

lovee

Nothing To Be Ashamed OfWhere stories live. Discover now