Nicotine

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Rückfall.
Ich habe es einandhalb Wochen ohne eine Kippe ausgehalten. Heute musste es wieder sein.
Es ist viel passiert.
Meine Freundin hat furchtbares gesehen und ich zittere schon seit gestern.
Ich musste einfach eine rauchen und es hat alles schlimmer gemacht. Zu der Ohnmacht über das Ergehen der Person die ich am meisten liebe und einer Fetzte zwischen einem Busfahrer und mir steht auch noch das Gefühl der Unfähigkeit dem Nervengift zu widerstehen.
Gestern schon musste ich dringend eine rauchen.
Ich hab vergessen, wie scheiße sie einen fühlen lässt. Wieso habe ich überhaupt angefangen?
Das Gefühl von Schwindel und kurzer Kontrolle lässt dich gut fühlen.
Aber nur solange du den Glühstängel konsumierst.
Danach geht es dir so beschissen wie vorher, wenn nicht schlimmer.
In der Schule machte ich das nötigste mit.
Deutsch, in der wir Epik analysierten und D-Day. Überall fliegende Eingeweide und Blut.
Yas. Saame.
Physik habe ich heute geschrieben. Ich habe tatsächlich ein sehr gutes Gefühl bei der Arbeit. Atome und ihr Zerfall sind so meine Spezialität.
Ich identifiziere mich da ganz gut mit.
Nach der Schule war Queersupport.
Es war ganz gut. Ich hab den ganzen Tag über auf ihre SMS gewartet, in der sie mich bittet, zu ihr zu kommen.
Sie kam nie.
Ist aber auch okay.
Alles für ihr Wohlergehen.
Meinen Zusammenbruch schob ich beiseite.
Essen. Immer mehr.
Ne Tüte Chips, ne Dose Cola, ein Stück Pizza, Pommes nach der Schule eine Portion Kartoffelsalat, ein Bier.
Ich sollte nicht mehr trinken.
Aber ich hatte keine Kontrolle mehr.
Ich lief durch die dunklen Straßen Hamburgs und das einzige woran ich dachte war nichts.
"Entschuldigung, haben ne Zigarette für mich übrig?"
"Klar doch"
So rauchte ich noch eine.
Meine zwei Tage voll Manie war nun entgültig vorbei.
Ich habe mich vorgestern so unglaublich sexy gefühlt. So hübsch, so gut aussehend.
So talentiert, so, als könnte ich alles schaffen.
Der Wunsch nach einer Zigarette und meine schlechte Intuition haben alles kaputt gemacht.
Es hat gekrieselt.
Nun ist auch der Staub davon wie weggeblasen.
Und alles was übrig bleibt ist...
Nichts.

Tagebuch eines LeidensgenossenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt