The weight of the world equals me

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Ich sehe mir wie so oft ein Video auf YouTube an, wo mir Super-schlanke Frauen erzählen, wie sie von 60 Kilo mit 170 auf 50 gekommen sind ohne Sport zu machen.
Ich denke mir dann so: "Das ist wirklich schön für sie und vielleicht funktioniert das sogar, aber doch nicht für Menschen wie mich, die nicht einfach so dick sind"
Es sind meist Mütter, die sowas hochstellen. Ohne ihre Leistung zu mildern, aber stillen führt zur Gewichtsreduktion, da die Nährstoffe, die während der Schwangerschaft gelagert werden im Körper für die Muttermilch, auch durch die Muttermilch wieder abgeführt werden, dazu zählen Fett, Kohlenhydrate und Zucker.
(Fast) alles was man an Mami-Speck angesetzt hat, wird abgebaut und die Energie in Muttermilchproduktion gesetzt.
How ever.
Ich frage mich, kann ich innerhalb so kurzer Zeit so viel Gewicht verlieren?
Ich bin ein ziemlich stämmiger Typus.
Genetisch bedingt habe ich sehr viele kurze Muskeln, vorallem im Beinbereich.
Das heißt Extragewicht.
Ich habe schwere Knochen. Und das ist keine Ausrede, es ist der Fakt, dass ich deutlich schwerer bin, als ich aussehe und zudem auch breit gebaut bin, ebenfalls genetisch.
Ich fühle mich schlecht, weil ich Versuche mein Übergewicht zu erklären, ohne meine eigene Mitschuld zu benennen, aber dazu komme ich als letztes.
Ich leide an einer mittelgradigen-bis-schweren depressiven Episode.
Ob das genetisch ist, oder Eigenverschulden weiß ich nicht, nur, dass ich in diesem Moment nichts daran ändern kann, aber daran arbeite.
Nun zu meinem Eigenverschulden.
Ich bin ein schwacher Mensch.
Ich kann mich nicht an Abmachungen mit mir selber halten, weil ich mich selber nicht für voll nehmen kann. Ich find es okay mich selber zu hintergehen und deshalb werden oft aus cheat-days cheat-weeks und in ganz schlimmen Phasen Months.
Aus Tagen, an denen ich faste, werden nächtliche Fressorgien und aus diese Woche kein Zucker wird ein "Ich esse drei Tafeln Schokolade" Tag.
Ich bin zudem faul.
Ich mache nicht gerne Sport oder Workout, weil ich es nicht kann.
Mein Bauch behindert mich bei Crunches. Wenn niemand meine Beine festhält komme ich nicht hoch.
Und selbst wenn ich eine Woche packe und täglich einige Minuten Workout mache, dann hält das nie.
Das allerschlimmste, was mich wahrscheinlich mein ganzes Leben lang blockieren wird, ist, dass ich mich nirgendwo sicher fühle.
Ich erinnere mich noch ganz genau, eines Abends, das muss in der 5 Klasse gewesen sein, weil ich gerade zu meiner Aufführung gegangen bin.
Gekleidet in einen Blazer und einer Anzughose, ganz Business-Like spaziere ich den Weg entlang zur Schule. Ich habe mich hübsch gefühlt in diesem Moment, weil ich geschminkt war, schön angezogen, meine Haare gemacht waren.
Ich war ziemlich selbstbewusst in diesem Moment. Bis ein Junge, wahrscheinlich einige Jahre älter als ich, 9. Klässler vielleicht, an mir vorbei lief. Ich lächelte ihn nett an und wollte weiter gehen, als er hinter mir stand in einigen Metern Entfernung und mir zurief: "Hey, Specki. Wo rollste denn hin?"
Ich, die in der 5. Klasse sich eher weniger mit ihrem Körper beschäftigt hat, sondern viel auf Leistung getrimmt war (man muss sagen, ich war damals deutlich schmaler als jetzt, das war vor-pubertär und ich hatte einen leichten Bauch und Babyspeck im Gesicht), war am Boden zerstört. Wie könnte mir ein fremder auf der Straße sowas fieses sagen? War ich so hässlich und fett? Bin ich so dick, dass man mich nur darauf reduzieren kann? Ich habe mich vor mir selber geekelt und ich erinnere mich ganz genau: Ich habe meinen Auftritt vergeigt, was in der ganzen Situation nicht geholfen hat. Ich habe angefangen mich so wertlos wie nie zuvor zu fühlen. Der Tod meiner Oma war zwar ein Jahr her, aber ich habe in diesem Jahr nicht weinen können, nicht daran denken können und es kam erst so spät versetzt das Trauergefühl, welches ich bis heute nicht aufgearbeitet habe und weine nur bei der Erwähnung meiner Oma, die inzwischen schon seit mehr einem halben Jahrzehnt tot ist.
Alles in einem muss das wahrscheinlich der Punkt gewesen sein, in dem alles zusammengebrochen ist, vor allem, weil ich auch noch kurz darauf das erste Mal gemerkt habe, dass ich, anders als andere Mädchen, viel lieber mit Jungs Anhänge und rede und Mädchen aber viel ansprechender und interessanter als Person finde.
So wirklich Interesse an Jungs hatte ich nicht, vor allem nicht da, aber während die Mädchen angefangen haben über Jungs zu sprechen und sich zu verlieben, war ich außen vor und habe eher so getan, als hätte ich gefuhlstechnisch mit Jungs zu tun. Die Wahrheit ist, dass ich mich in meiner Freizeit viel lieber in meinem Zimmer eingeschlossen habe und gelesen habe, während andere rausgegangen sind und gespielt haben.
Jetzt wo ich das reflektiere, merke ich, dass so einiges schief gelaufen ist in meinem Leben und ich merke, dass ich wahrscheinlich viel länger daran arbeiten werde als gedacht, vor allem wenn man die Beziehung zu meinen Eltern, meine persönliche Beziehung zu mir und allgemein meine Persönlichkeit rauslässt, ist das schon echt viel, was ich mit mir rumschleppe. Da sind der atmosphärische Druck, die Erdanziehungskraft und mein Übergewicht prozentual in der Minderheit.

Ich merke, wie es mir hilft meine Gedanken zu teilen.
Nach einem absoluten Tief, wie gestern Nacht, wo ich bis sechs Uhr auf war, 4 Stunden geschlafen habe, zwischendurch aufgewacht bin, um eine zu rauchen und einer Woche voller Ereignisse, die ich mich nicht traue zu prozessieren, haben mich der heutige Termin bei meiner Therapeutin, das kurze schreiben mit meiner großen Liebe und dieser Text hier echt gut fühlen lassen.

Update: Es ist 02.18 und ich habe wieder eine geraucht. Mir geht es anscheinend doch nicht so gut.

Wie auch immer.
Ich bin ein Wrack, ich brauche Hilfe und ich will das alles endlich vorbei ist, so, dass ich alles endlich genießen kann.
Das Leben ist schön. Die Welt ist schön und Menschen sind schön, aber ich sehe das gerade nicht und ich will endlich wieder einen Blick dafür bekommen.

Das waren die Worte einer adipösen, depressiven, sechzehnjährigen in einer Kriesenphase.

Ich wünsche allen alles Gute im neuen Jahr und entschuldige mich für mein Geheule und bedanke mich für das lesen.

Tagebuch eines LeidensgenossenWhere stories live. Discover now