6. Kapitel

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Ich genoss die Stille, die mich umgab und die Leere der Flure. Auf einmal blieb ich stehen und blickte aus dem Fenster. Ich konnte eine Gestalt in der Ferne ausmachen, die am Steg des Sees saß. Ich lehnte mich etwas nach vorne über und wunderte mich sehr, als ich die hellblonden Haare ausmachen konnte. War das etwa Draco? Was machte er denn dort draußen? Ich zog mir meine hohen Schuhe aus und tappte aus dem Tor den Gehweg hinab. Als ich gut zehn Meter hinter ihm war, blieb ich abrupt stehen. Was, wenn er gar keine Gesellschaft wollte? Er saß dort wie eine Statue, bewegte sich nicht ein bisschen, blickte stur geradeaus und ließ seine Beine ins Wasser baumeln. „Draco?“ sagte ich sanft und er zuckte zusammen. Blitzschnell drehte er sich um und entspannte sich wieder, als er mich erkannte. „Milane…“ flüsterte er und blickte verwirrt zu mir. „Was machst du hier?“ Ich lächelte. „Das Gleiche könnte ich dich fragen. Darf ich mich setzen?“ Er nickte stumm und wandte sich wieder dem Wasser zu. Ich legte meine Schuhe ab und setzte mich neben ihn. Als ich meine Füße vorsichtig in den See tauchte, war ich von der Wärme positiv überrascht. „Ich hab dich vom Schloss aus gesehen und habe mir etwas Sorgen gemacht“ erklärte ich mich nach einer Weile des Schweigens. Zuerst sagte er nichts, doch dann antwortete er mit einem leichten Lächeln auf den Lippen: „Das brauchst du aber nicht. Ich wollte einfach mal ein bisschen Zeit für mich haben.“ „Achso okay… Wenn ich wieder gehen soll musst du mir das nur sagen, okay?“ Er nickte nur. Ich wusste ja dass Draco nicht so gesprächig war, anders kannte ich ihn nicht und normalerweise gefiel mir das immer sehr gut. Aber jetzt, in diesem Moment, wo wir beide nach längerer Zeit mal wieder ganz alleine für uns waren, fühlte ich mich nicht ganz wohl. Plötzlich fiel mir wieder ein was mein Vater zu mir gesagt hatte. Die Geschichte mit dem Todesser. Vorsichtig schielte ich auf seine Arme. Die Ärmel seines Hemdes waren hochgekrempelt, doch darunter verbarg sich nichts. Innerlich seufzte ich erleichtert auf. Dann hatte er wirklich Unrecht und Draco zu Unrecht verurteilt. „Weißt du Draco,…“ begann ich nach einer Weile und sah ihn an „Wir kennen uns schon ewig und ich bin froh darüber dich in meinem Leben kennengelernt zu haben. Ich möchte, dass das auch nach unserer Schulzeit noch anhält.“ Überrascht wandte er seinen Kopf in meine Richtung. „Tatsächlich? Hätte ich nicht erwartet.“ Ich zog eine Augenbraue hoch. „Wieso? Wir haben uns doch immer ziemlich gut verstanden und ich fänd es schade einen guten Kindheitsfreund zu verlieren.“ Nachdenklich blickte er nach unten, als müsse er über meine Worte erst grübeln. Sah er das etwa nicht so? War ich ihm doch nicht so wichtig gewesen wie ich annahm? „Danke.“ Sagte er nur und sah mich wieder an. Ich war verwirrt und wollte ihn auf seine abweisende Art ansprechen, als ich plötzlich eine Mädchenstimme vernahm und wir uns beide umdrehten. „Draco? Hey! Draco! Bist du hier irgendwo? Ich suche dich schon den ganzen Abend!“ Das war Pansy. Wir beide blickten uns an und ich musste bei seinem Gesichtsausdruck kichern. „Die hat mir gerade noch gefehlt…“ murmelte er. Ich nahm ihm am Arm. „Lass uns verstecken!“ flüsterte ich und deutete aufs Wasser. „Wie bitte?“ fragte er perplex, doch als er meinem Gedankengang folgen konnte, hüpfte er zuerst in den See, welche Oberfläche ihm bis zum Hals ging, und hob mich dann zu sich hinunter. Sofort saugte sich meine Kleidung voller Wasser und hing schwer an meinem Körper. Doch der Spaß bei der Sache linderte den Ärger darüber und wir schwammen gemeinsam unter den Steg. Ich krallte mich an den Pfosten und horchte auf. Das musste schon komisch ausgesehen haben: wie wir beide, mucksmäuschenstill im Wasser. Als wir beide Schritte über uns vernahmen, musste ich mich zurückhalten nicht loszulachen. Draco bemerkte das und hielt sich grinsend den Zeigefinger vor die Lippen. „So eine Scheiße aber auch…“ hörten wir nur Pansy fluchen und warteten ab bis die Schritte wieder verstummten. Nach etwa einer Schweigeminute bekam ich langsam einen Krampf in meinen Fingern. „Ist sie weg?“ flüsterte ich. Draco schwamm etwas hinaus und zog sich am Stegrand etwas nach oben. Als er sich wieder hinuntergleiten ließ nickte er immer noch grinsend. „Ja, Gott sei Dank.“ Ich kicherte und schwamm zu ihm hinaus und krallte mich an ihm fest. Dann fingen wir beide an zu lachen. Draco lachte sehr herzlich, was mich freute. Dieses Lachen hatte ich schon lange nicht mehr gehört und sehr vermisst. „Oh man, ich hätte zu gerne ihren Gesichtsausdruck gesehen“ murmelte ich und er nickte. „Das wäre einfach göttlich gewesen. Kaum zu glauben dass du mich zu so etwas kindisches bewegen konntest…“ Ich grinste. Plötzlich entfernte sich eine Wolke und das Licht des Mondes leuchtete nun auf den See herab. In dem Moment verschlug es mir die Sprache und mein Grinsen verschwand. Er sah so wunderschön aus… Nicht dass mir das nicht schon früher aufgefallen wäre. Ich empfand ihn schon immer als einen ziemlich attraktiven Menschen, aber jetzt fand ich ihn auf einmal … so schön. Seine grauen Augen leuchteten und strahlten mir mit einer wundersamen Wärme entgegen, in die ich mich total verloren schien. Ihm schien es dabei nicht anders zu ergehen. Auch er blickte mich wie hypnotisiert an und war offenbar ebenso plötzlich sprachlos geworden wie ich. „Du bist so schön…“ murmelte er. Diese Bewegung mit seinen Lippen brachte mich endgültig aus der Fassung und ohne darüber nachzudenken beugte ich mich nach vorne und legte meinen Mund auf seinen. Ebenso schnell wie ich meine Fassung verlor, gewann ich sie bei der Berührung seiner Lippen wieder und ich schreckte zurück. Er blickte mich mit großen Augen an. Was … was habe ich da gerade getan? Meine Lippen kribbelten und eine Sehnsucht breitete sich in meinem Brustkorb aus. Das eben war mir nicht genug. Draco sagte nichts, stieß mich aber auch nicht von sich. Vorsichtig beugte ich mich dieses mal etwas langsamer zu ihm nach vorne und küsste ihn erneut, jedoch behutsamer und leidenschaftlicher. Und er ging voll drauf ein. Als ich mich wieder löste zog er mich an der Hüfte enger an sich heran und fing an mich stürmisch zu küssen. Die Gefühle die durch meinen Körper strömten waren einfach unglaublich und nicht zu beschreiben. Ich hatte schon viel Jungs geküsst, aber noch nie empfand ich dabei eine solche Leidenschaft und … ja … Liebe, wie jetzt bei ihm. Ich wollte denken; wollte mir selbst erklären weshalb es bei Draco so anders war. Ob es vielleicht doch nur ein Gefühl der Geschwisterliebe war, doch ich konnte es einfach nicht. Die Küsse, seine Berührungen, setzten mein Gehirn komplett außer Gefecht und ließen zum ersten Mal seit ich langer Zeit den Bauch meinen Körper führen. Ich löste mich etwas von ihm und begann seinen Hals zu liebkosen, woraufhin ihm ein kleiner Seufzer entfuhr. Er schob seine Hände unter mein Kleid und ich presste mich enger an ihn dran. Ich wollte ihn. Ich wollte ihn so dringend. Auf eine Art wie ich noch nie zuvor jemanden wollte. Und das gab ich ihm zu verstehen…

Lee.

Malfoy/ AbgeschlossenWhere stories live. Discover now