19. Kurzgeschichte

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80 Millionen
Verdammt.
Zwischen einer Tür und einer Menschenmenge zu stehen war eindeutig nicht angenehm.
Konnten sie nicht einfach mal die scheiß Tür öffnen.
Plötzlich drängte die Menschenmenge noch näher an die Tür und ein Körper stolperte auf mich mich.
,,Uff...sorry." Ertönte eine männliche Stimme neben meinem Ohr. Der Typ wollte wieder zurück weichen, doch kaum hatte er sich wenige Zentimeter weg bewegt, zischte er wie ein Gummiband wieder zurück.
,,Geben Sie es lieber auf." Brummte ich unzufrieden und schaute über meine Schulter in ein unglaublich schönes Gesicht.
Volle Unterlippe. Schmalere Oberlippe. Schwarze, hochgetylte Haare. Aber diese Augen. Diese Augen hielten mich gefangen.
,,Mik. Ich würde ihnen ja gerne die Hand geben, allerdings ist die teilweise festgeklemmt." Lacht der Junge und zwinkert mir zu.
,,Kostas. Freut mich von Ihnen zerquetscht zu werden." Ich musste trotz der komischen Situation mit ihm lachen.
,,Immer gerne. Darf ich ihnen das du anbieten?"
,,Klar! Meine Mutter hat mich nur zu Höflichkeit erzogen. Schließlich bist du ein fremder." Sagte ich und drehte den Kopf wieder nach vorne. Sonst würde ich noch eine Nackenstarre bekommen.
,,Meine Mutter hat sich nicht drum gekümmert, welche Höflichkeiten ich beherrsche."
Verdammt ich will diesen Jungen anschauen. Ich hasse es Gespräche zu führen, wenn ich meinem gegenüber nicht in die Augen sehen konnte.
,,Ach egal...ACHTUNG!" Gab ich als kleine Vorwarnung, ehe ich mich unter Mühen umdrehte.
,,Hey." Sagte ich verlegen, als ich nun in einer vielleicht noch ungünstigeren Situationen als davor befand.
Denn jetzt stand Mik so eng vor mir, dass wir sogar die selbe Luft atmeten.
,,Hey. Na war die Tür vor dir zu langweilig?"
,,Etwas. Hast du irgendwas interessantes zu erzählen? Ich werde es sonst wohl kaum aushalten vor langweile."
,,Vielleicht willst du dich ja gar nicht mit mir unterhalten." Sagte er und wirkte ein wenig traurig.
,,Warum sollte ich nicht?" Fragte ich nun verwirrt.
,,Ich bin schwul Kostas." Er hob stolz dem Kopf und schaute mich herausfordernd an.
Ich unterdrückte meine aufsteigenden Gefühle.
,,Und das stört mich, weil..."
,,Weil ich anders bin." Er zuckte, so gut es ihm möglich war mit der Schulter.
,,Du bist nicht anders. Oder hast du statt eines Schwanzes was anderes unten hängen?" Woher ich den Mut nahm diese Worte auszusprechen wusste ich nun wirklich nicht, aber solange es Mik besser ging, konnte ich mit meinem roten Wangen leben.
,,Nicht das ich wüsste." Er kicherte und sein Körper bebte. Aus irgendeinem Grund, denn ich nicht so ganz verstand...naja wie soll ich sagen, diese winzigen Bewegungen lösten etwas in mir aus. Etwas, was besser in einem Schlafzimmer passieren sollte.
Ich riß mich zusammen.
Mik war ein vollkommen fremder. Nur weil er gut aussah und sich unabsichtlich an mir rieb musste ich nicht gleich geil werden.
Mein Körper sah das anscheinend anders.
Zum Glück hörte Mik abrupt auf und lächelte nur noch stumm vor sich hin.
,,Übrigens bin ich auch schwul." Sagte ich plötzlich. Keine Ahnung warum ich ihm das sagte. Eigentlich wusste niemand darüber Bescheid.
,,Hast du dich schon geoutet?" Fragte er neugierig.
Ich schüttelte zögernd den Kopf.
,,Ist nicht schlimm. Bei dir läuft es bestimmt glatt." Er lächelte sanft. ,,Ist es bei dir nicht glatt gelaufen?" Murmelte ich leise und verschränkte aus einem inneren Impuls heraus meine Hand mit seiner.
Er schaute mich überrascht an, ehe er unsicher begann zu erzählen:,,Mein Vater hat angefangen mich zu schlagen. Meine Mutter hat das alles nicht interessiert. Gib ihr ne Flasche Wodka und sie ist glücklich. Naja, in der Schule war es okay. Klar gab es die Möchtegern coolen, aber alles in allem war es okay."
Grade weil er versuchte stark zu wirken, sah ich seine Traurigkeit.
Schon wieder einem Impuls folgend überbrückte ich die Zentimeter, die zwischen uns lagen und küsste ihn sanft auf den Mundwinkel. Nicht den Mund, dass würde meinen Mut dann doch überschreiben.
Mik sah fragend von meinen Augen zu meinen Lippen und ich brachte nur ein
Schwaches nicken hervor.
Ganz langsam und zärtlich begann er mich zu küssen.
Holy shit.
Das würde mir doch kein Mensch glauben!
Ich stand hier, mit einem fast fremden Typen und wir...wir küssten uns.
Aber war er wirklich fremd?
Irgendwie kam er mir so bekannt vor, als würden wir uns kennen. Was natürlich nicht sein konnte, aber trotzdem!
Ich drückte mich enger an ihn, da ich weder meine Arme noch sonst was bewegen konnte.
Als Mik sanft an meiner Unterlippe knapperte seufzte ich zufrieden auf und öffnete ich meinen Mund.
Seine Zunge an meiner war ein Schock.
Keine Ahnung warum, aber in mir breitete sich dieses wahnsinnige Glücksgefühl aus, dass ich so gut wie noch nie empfunden hatte.
Er war etwas besonderes, dass spürte ich.
Auf einmal kippte ich nach hinten und hätte Mik mich nicht gehalten, wäre ich in der Menge, die an mir vorbei stürmte untergegangen.
,,Wir sehen uns." Flüsterte ich und trat von ihm zurück. Sofort wurde ich von der Menge verschluckt und sah nur noch bedingt sein lächelndes Gesicht.
Während ich mir einen Platz suchte fasste ich mir dämlich grinsend an die Lippen.
Ich schaute mich um und registrierte entsetzt, dass ich Mik nicht sehen konnte.
Was wenn ich ihn nicht mehr sehen würde?
Eine merkwürdige unerklärliche Trauer machte sich in mir breit.

Den Anfang des Konzertes bekam ich überhaupt nicht mehr mit und geknickt schaute ich auf meine Füße.
Warum machte mich sein verschwinden so fertig?

Irgendwann versuchte ich mich wenigstens auf das Konzert zu konzentrieren, auch wenn es mir nicht sonderlich gut gelang.

Ich weiß es nicht, aber ich frag es mich schon. Wie hast du mich gefunden? Einer von 80 Millionen.

,,Hey, hast du mich schon vermisst?" Ich drehte mich ruckartig um und strahlte die Person an.
Mik.

Kostory KurzgeschichtenWhere stories live. Discover now