23. Kurzgeschichte

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Dollhouse
,,Wie macht ihr das nur immer Esmeralda, bei euch wirkt alles immer so perfekt." Frau Roeder steht mit leuchtenden Augen vor uns.
Meine Mutter, die sich jeden Abend zur Besinnungslosigkeit trinkt.
Mein Vater, der sie mit Schlampen betrügt.
Meine Schwester, die zu traumatisiert ist, um irgendetwas klar wahrzunehmen.
Und zuletzt ich. Kostas Dennis Weiß, der Typ, der seinen Körper mit Drogen vergiftet, um zu vergessen.
Aber das weiß niemand.
Wir sind perfekt, zumindest für alle andren. Die perfekte vorzeige Familie.
Meine Mutter lachte, so künstlich und schrill, dass es in den Ohren weh tat. Doch niemandem schien es aufzufallen. Außer einem.
Einer, der immer außerhalb stand.
Einer, der sich nicht von unsrem strahlenden Lächeln blenden ließ.
Einer, der selbst in meinen zugedröhnten Zustand, mein Herz zum rasen brachte, weil sein Blick die ganze Zeit auf mir lag.
Ich seilte mich von der fröhlichen Gesellschaft ab und lief wie eine Marionette zu der Gestalt, die auf einer Hollywood Schaukel saß und meinen Blick ohne zu blinzeln erwiderte.
,,Hey, Kostas richtig?" fragte er fast schon gelangweilt. Ich antwortete nicht. Er wusste wer ich war. Jeder wusste es.
Schulsprecher, Jahrgangsbester, Frauenschwarm.
Was niemand wusste: Drogenabhängig, lebensmüde und...schwul.
Entschlossen setze ich mich immer noch schweigend neben ihn.
,,Klar darfst du dich setzen, mein Name ist übrigens Marik, freut mich." Brummte er sarkastisch und stieß uns leicht mit den Füßen an. Die Schaukel schwang hin und her.
,,Warum bist du hergekommen?" Quetschte er mich weiter aus. Seltsamerweise störte es noch nicht, trotzdem sagte ich genervt:,,Um Ruhe zu haben."
,,Ruhe hast du hier aber nicht. Ich bin die größte nervensäge auf der weiten Welt!" Er grinste breit und seine Augen strahlten.
Wenn ich mein Lächeln nicht schon längst verloren hätte, dann hätte ich es ihm jetzt geschenkt.
,,Du bist ein riesiges Mysterium Kostas." Murmelte er nach einer weile leise. Ich sagte mit betrübter stimme:,,Bin ich nicht. Sieh mich an und sag was du siehst."
Er starrte mich an und auf seiner Miene bereitete sich so etwas wie Erkenntnis aus. Langsam beugte er sich vor und lehnte sich zu meinem Ohr.
,,Ich sehe einen gebrochenen jungen."
Gänsehaut überzog meinen Körper, als sein warmer Atem meinen Hals streifte.
Als Marik's Mutter ihn rief, schrieb er rasch etwas auf meine Handfläche und drückte sie dann zusammen, sodass meine Hand zur Faust geballt war. Ein atemberaubendes grinsen und ein schelmisches Augenzwinkern später verschwand er.
Ich zögerte einen Moment, ehe ich langsam meine Finger öffnete.

Ruf mich an, wenn du reden willst.
(Nummer einfügen)
- Mik

Und da passierte es. Nicht mehr als ein zucken. Eine winzige Bewegung meiner Mundwinkel in Richtung Himmel.
So schnell wie die Empfindung gekommen war verschwand sie auch wieder und ich glitt zurück in den weißen sanften Nebel.
Eine Puppe. Mehr waren wir nicht. Unsere Familie waren Puppen. Perfekte, kleine Puppen mit starren leblosen Augen.

***

Zuhause lief ich zielstrebig in den Keller und schloss mich in meinem Raum ein.
Beruhigende Ruhe legte sich um mich.
Mit bereits zitternden Händen griff ich nach einer selbstgedrehten Zigarette, zündete sie an und zog daran.
Sofort wurden die Alarmsignale meines Körpers betäubt und ich ließ mich auf mein Bett fallen. Rauch stieg langsam auf und sammelte sich an der Zimmerdecke. Bald würde es so stickig sein, dass ich kaum atmen konnte.
Ich freute mich schon auf diesen Moment, denn das bedeutete auch, dass mein Körper auf Spar Modus schalten würde und ich aufhören könnte zu denken.
Gedankenverloren zog ich weiter den Rauch ein und starrte auf meine Hand.
Ruf mich an.
Warum eigentlich nicht.
Ich wählte langsam die Nummer und wartete gespannt auf seine Stimme.

[gespräch: (K)ostas und (M)arik]
M: Hey, hätte nicht gedacht, dass du mich meldest.
K: Ich auch nicht.
M: Also, fang an zu reden.
K: ...
M: Oder aber du legst auf und kiffst weiter.
K: Woher...woher weißt du, dass ich kiffe?!
M: Das sieht ein Blinder mit Krückstock.
K: okay, Bye.

Schnell legte ich auf und setzte mich aufrecht hin. Ich drückte die Zigarette aus und flüchtete nach draußen.
Auch wenn dort alles hell und laut war, besser als in meiner eigenen Schande zu versauern.

Mein Handy brummte, als ich grade in den Wald einbog. Seufzend nahm ich es hervor.

Eine neue Nachricht:
Dreh dich um ;)

Vorsichtig schaute ich über meine Schulter und sah einen grinsenden Marik. Der Typ hatte anscheinend ein Dauer Apo für gute Laune bestelle.
,,Du bist doch kein großes Ministerium." Sagte er, sobald er neben mir stand. Ich zuckte nur mit den Schultern und setzte meinen Weg tiefer in den Wald fort.
,,Und besonders unterhaltsam auch nicht." Knurrte er und stieß mich sanft in die Seite. Aus Reflex, packte ich seinen Arm und hielt ihn auf abstand. Er zog langsam eine Augenbraun hoch und statt sich loszureißen drehte er die Hand nur etwas, damit sich unsere Finger verschränkten.
Ein überraschtes keuchen entwich mir, als eine Welle von Wärme direkt in mein müdes Herz schoss. Es fühlte sich wie das pure Leben an und ich wusste eins.
Davon brauchte ich mehr.
Als Marik wieder lächelte und mich mit sich zog schaute ich auf den Waldboden der an mir vorbeizog. Endlich schaffte ich es meinen Blick wieder auf Marik's Profil zu lenken. Dieser drehte den Kopf etwas und ertappte mich beim starren.
Aber das war mir egal.
Grade zählten nur die Gefühle, die trotz meines Zustands in mir Tobten.
Und ganz langsam Schlich sich ein echtes Lächeln auf meine Lippen...

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