Wortloser Trost

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  Wo zur Hölle bin ich? Ich versuche meine Augen zu öffnen, es geht langsam und ich gewöhne mich ans unnatürlich helle Licht. Alles ist so weiß und mir steigt bei jedem Atemzug der brennende Geruch von Desinfektionsmittel in die Nase.

Bin ich im Krankenhaus? Warum? Was ist gestern passiert? Ich versuche aufzustehen, bemerke aber erst dann den gelegten Katheter und den Tropf. Toll. Schöne Scheiße.
Plötzlich öffnet sich die Tür und aus dem Flur steigt ein Aroma von Großküche, mit dieser Brise kommt eine etwas pummelige, schwarzhaarige Krankenschwester, die scheinbar ihren Job hassen muss, jedenfalls vermittelt das ihr Gesichtsausdruck. Ohne viel zu reden, überprüft sie meinen Puls und geht dann wieder ihrem eintönigen Job nach.

Ein paar Minuten später kommt ein gut gelaunter, schlanker Arzt in den Raum der eine Bombe aus Parfüm und Sympathie mitten im Raum platziert. Er begrüßt mich nett und nimmt erstmal neben dem unbequemen Bett platz. Ich frage ihn, warum ich hier sei und was denn gestern passiert ist und warum ich mich nicht erinnern könne. Dann erzählte er mir, dass ein Passant mich um 3:40 schlafend auf der Parkbank gefunden hat und dachte ich sei ohnmächtig gewesen, also rief diese Person den Krankenwagen, der feststellte, dass ich definitiv eine Alkoholvergiftung haben muss, also wurde ich um Punkt 3:57 ins Krankenhaus eingeliefert und dort versorgt.

Am nächsten Morgen konnte ich wieder nach Hause, mir wurde auf der Fahrt klar, dass ich ein Problem hab. Mein Kopf will wieder Alkohol. Meine Hände zittern und stehen kurz davor sich zu verselbstständigen. Aber ich bleibe stark. Ich bleibe stark. Ich bleibe am Straßenrand stehen, um mir eine Flasche Schnaps zu kaufen.
Ich steige wieder in mein Auto, starte den Motor, nehme einen großen Schluck aus der 2 Liter Kaliskaya Flasche und lege sie auf den Beifahrersitz. So fahre ich etwas angeheitert durch die Stadt zu meinem Zuhause, dort angekommen nehme ich mir sofort ein Glas und trinke den soeben gekauften Wodka pur und ohne es zu merken, fange ich an zu weinen.
Es fing mit einer Angst an und ist nun bei einer Alkoholsucht.

Plötzlich. Ich höre einen Schlüssel klimpern. Die Wohnungstür geht auf, es ist Lena. Es kam mir vor wie 10 Jahre allein sein. Ich renne zu ihr, mir gleitet dabei die Flasche aus der Hand und sie zerspringt in mindestens Zweitausend kleine Glasscherben, während mein Herz sich langsam zusammensetzt gefliestem Küchenboden, sofort riecht die ganze Wohnung nach Alkohol, aber das ist egal. Ich nehme sie so fest in den Arm wie noch nie. Ich habe meine Frau wieder. Leise sage ich ihr, dass es mir leid tut und wie es wieder gut machen soll. Sie war erst verwirrt, verstand, aber mein Problem als sie einen Blick in die Küche warf. Leere Schnaps- und Bierflaschen, Essensreste, Pizzakartons. Sie weint. Ich weine. Sie ist in meinen Armen, ich flüster ihr zu, wie sehr ich sie liebe und dass sie mir helfen muss. Der nächste Moment ist geprägt von Stille. Es fühlt sich an wie Jahrelanges nichts sagen, welches mehr sagt als Zehntausend Worte. Mein Herz schlägt schnell, ich fühle mich seit langem wieder sicher. Das Blut in meinen Adern taut auf und beweist mir: Ich lebe und ich liebe.

Meine Gedanken sagen mir eins: Ich brauch Hilfe und die werde ich mir suchen.

Mein Herz sagt mir eins: Ich muss kämpfen für mein Glück.

Meine Sucht schweigt, denn sie wurde stumm geschalten und wirkte wie vergessen für diesen Moment der Veränderung.  

SpiegelweltWhere stories live. Discover now