Kapitel 56

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Belle

Auf dem Weg hier her hatte ich mir im Kopf bereits einen Text parat gelegt, aber wenn ich jetzt vor meinem Haus stand, vergaß ich alles. Wenn ich dieses Haus betrat, dann würde sich ab sofort alles verändern. Aber das war mein Schicksal. Ich wurde dazu geboren. Anstatt es zu akzeptieren, rannte ich von meinen Pflichten weg. Es war nun an der Zeit, meiner Arbeit entgegenzutreten.

Tief durchatmend klingelte ich und wartete darauf, dass mir eine Dienerin aufmachte. Tatsächlich öffnete sich die Tür nach einigen Sekunden und ich stand Mia gegenüber, unserer Helferin. "Belle?", fragte sie überrascht und trat zur Seite.

Ich hatte allen erlaubt, mich beim Vornamen zu nennen.

"Dir auch guten Morgen, Mia.", murmelte ich nervös und trat ein. "Ist mein Vater da?"

"Er ist in seinem Arbeitszimmer." Perfekt.

"Danke. Kannst du mir vielleicht Frühstück zubereiten?", fragte ich noch bevor ich die Treppen rauf ging.

"Selbstverständlich.", erklang ihre Stimme von unten.

Ich lief in den dritten Stockwerk und blieb schließlich vor seiner Tür stehen. Das hier war meine letzte Chance, mich um zu entscheiden.

Aber was hielt mich denn noch auf? Mein Mitleid für Farblose war wie weggeblasen als ich erfuhr, dass meine Mutter eine von ihnen war. Und Jack, der mir dreist ins Gesicht lächelte, während ich um meine Mutter trauerte, hielt mich auch nicht mehr auf. Ich hatte es satt. Meine Fehler waren groß, aber die Fehler anderer waren wohl größer. Es waren unverzeihliche Fehler.

Mit den Gedanken, klopfte ich an der Tür und trat dann herein. Mein Vater blickte von den Papieren auf und öffnete überrascht den Mund. "Belle?"

"Hallo." Unwohl knetete ich meine Hände und biss mir auf die Unterlippe. "Hast du kurz Zeit zum Reden?", fragte ich und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Für dich doch immer, komm her." Er stand auf und setzte sich auf die Couch. Langsam tat ich es nach und nahm gegenüber von ihm auf dem Sofa Platz. "Ist alles in Ordnung?", fragte er.

"Es tut mir leid, wegen gestern Abend.", entschuldigte ich mich aufrichtig bei ihm. Zu dem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, wen ich da überhaupt verteidigte.

Er nickte und senkte den Blick. "Was sollte das werden?"

Ja, gute Frage. Nur wusste ich selbst die Antwort darauf nicht. "Ich weiß es nicht."

"Bist du mitten in der Nacht aufgebrochen, um mir das zu sagen?"

"I-Ich"

"Oder hat Mason etwas getan?" Seine Stimme wurde lauter.

Sofort schüttelte ich den Kopf. "Nein Dad! Es ist nur so, ich wollte mit dir über meinen Aufenthalt im schwarzen Viertel reden."

Gespannt stützte er die Ellenbogen auf den Knien ab und horchte mir genau.

"Ich hab dort so manche Dinge mitbekommen und darüber will ich jetzt mit dir reden."

"Schieß los."

"Es geht um Mum. Sie ist nicht tot, stimmt's?", fragte ich geradewegs heraus.

Dads Atem stockte. Seine Augen wurden groß und er lehnte sich leicht zurück. "Wie kommst du darauf?"

"Man hat über sie gesprochen, Dad. Sie ist jetzt eine Farblose.", log ich. Ich konnte ja schlecht sagen, dass bei uns gerade eine Farblose war, die mir alles erzählt hatte.

Er seufzte erneut. "Ich habe dir nichts gesagt, weil es dich verletzt hätte, sei mir bitte deswegen nicht sauer."

"Ich bin dir nicht sauer, Dad.", sagte ich liebevoll und legte meine Hand auf seine. "Diese Frau hat nicht nur mich, sondern auch dich verlassen. Ich weiß wie sehr du sie geliebt hast."

Red PrincessDonde viven las historias. Descúbrelo ahora