2. Kapitel - Ich hasse diesen Ort

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Dann mache ich mich auf den Weg nach Hause. Zum Glück war das Hallenbad nur 15 Minuten von mir entfernt. Ich wohne wirklich nicht in einer guten Gegend. Da meine finanziellen Mittel durch meinen schlecht bezahlten Job in einem Call Center, sehr beschränkt sind kann ich mir nur eine kleine zwei Zimmerwohnung in einem der berüchtigten Londoner Plattenbauten, in einem der gefährlichsten Viertel der Stadt, leisten. Hier ist es definitiv nicht empfehlenswert als Frau abends alleine raus zu gehen.

Meine Wohnung liegt im fünften Stock, so muss ich immer mit dem alten schäbigen Aufzug, der hin und wieder den Geist aufgibt, nach oben fahren. Wenn das passiert muss ich Katie um Hilfe bitten. Katie ist meine einzige und beste Freundin. Sie ist der Grund warum ich überhaupt in London lebe. Vor einem Jahr hat sie hier begonnen Jura zu studieren und da ich nur noch sie hab, habe ich beschlossen einfach mitzukommen.

Ich habe ihr gesagt dass ich einfach einen Tapetenwechsel brauche. Hier in London habe ich mich auch alleine durchgeschlagen, mir einen Job gesucht und eine eigene Wohnung. Katie lebt in einer Studenten WG wo ich, immer wenn der Aufzug streikt, auf dem Sofa schlafe. Ich hätte auch ganz in der Wohnung einziehen können, aber zum einen wollte ich ihr keine Last sein und zum anderen sind zwei ihrer drei Mitbewohner Psychologiestudenten, die glauben immer wenn sie mich sehen mich therapieren zu müssen. Also vermied ich solche gezwungenen Therapiestunden gerne. 

Heute funktioniert der Aufzug zum Glück. Im Hausflur grüße ich noch einige Bekannte. Anfangs habe ich viele schräge Blicke zugeworfen bekommen aber Mittlerweile habe sich die Meisten an meinen Anblick gewöhnt und lassen mich einfach in Ruhe. In meiner Wohnung angekommen mache ich mir etwas zum Essen und am Nachmittag gehe ich zur Arbeit. So sah ein Tag von mir aus. Abends lag ich dann in meinem Bett und denke mir wie meisten was hab ich heute überhaupt gemacht? Und meine Antwort ist wie immer: Nichts von Bedeutung. Das hasste ich an meinem Leben diese Eintönigkeit. Ich lebe mein Leben und gehe in der Masse von Millionen Anderen einfach unter. Aber ich wollte immer herausstechen, etwas besonders sein, anders sein. Das habe ich eine Zeit lang auch geschafft bis DER Tag kam und alles vernichtet hat. Jetzt wo ich wieder angefangen habe zu schwimmen geht es mir zwar etwas besser. Aber mich quält immer wieder diese Frage was ich mit meinem Leben anfangen soll. Denn ich hab wirklich keine Ahnung.

Am nächsten Tag stehe ich wie immer früh morgens auf und mache mich nach einem kargen Frühstück auf dem Weg in die Halle. Das Wetter ist angenehm warm, der Frühling beginnt sich auszubreiten.

Sachte tauche ich in das kalte Wasser ein. Wie vermisse ich es doch einfach mit Anlauf hinein zu springen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Irgendwie kann ich mich heute nicht konzentrieren und immer wieder erwische ich mich wie ich mich in der Halle umblicke und nach jemand Ausschau halte. Aber er kommt nicht. Genau wie am nächsten Tag und am Tag darauf. Es war nicht so dass ich ihn vermisse, es war einfach schön mal nicht alleine zu sein.

Heute ist Freitag und zusammen mit Katie sitze ich mal wieder im Wartezimmer eines Krankenhauses. Wie ich diese Gebäude mittlerweile hasste. Aber ich muss hier her, zugegeben Katie hat mich gezwungen. Wenn es nach mir ginge dann wäre ich jetzt wahrscheinlich wieder im Wasser. Nach zehn Minuten werde ich aufgerufen und mache mich auf den Weg in das Sprechzimmer meines Arztes. Meine beste Freundin verfolgt mich wie selbstverständlich, doch ich sage nichts dazu. Ich will einfach nur noch von hier verschwinden. Ich bin schon seit drei Stunden in diesem Krankenhaus, da ich noch etliche Untersuchungen, Röntgenbilder und andere Aufnahmen über mich ergehen lassen musste. Mein Arzt Dr. Walker schüttelt mir die Hand und bittet uns dann uns zu setzten.

„Ms. Silver. Die Untersuchungen habe ergeben, dass wie wir schon vermutet haben, ihre Verletzungen bleibend sein werde.“ Ich nicke, das wusste ich ja schon seit Monaten. „Wir hatten zwar gehofft dass sich während der Rhea mindestens einige Nerven wieder stabilisieren und sie zumindest Druck, Wärme oder Kälte spüren können. Aber das ist nicht eingetreten.“ Ich nicke wieder, das alles weiß ich ja schon. Ich habe die Hoffnung schon lange aufgegeben. Warum müssen Ärzte nur immer so tun als würden sie auf ein Wunder hoffen. Obwohl sie es ja sind die genau wissen wie unmöglich das ist.

 „Wie sieht es in ihrem Leben momentan aus?“ Ich zucke die Schulter, was soll ich auf diese Frage schon Antworten? „Ich habe einen Job und schlage mich durchs Leben.“ „Sie schwimmt wieder.“, ergänzt Katie und ich werfe ihr einen vernichtenden Blick zu. Ich kann mir schon vorstellen was mein Arzt davon hält. „Sie schwimmen wieder?“ Ich nicke. „Und was soll ich darunter verstehen?“ Was stellt dieser Arzt bloß für Fragen? „Ja ich schwimme halt wieder.“ „Wie oft schwimmen sie in der Woche?“ „So oft es geht. Jeden Tag.“, antworte ich wahrheitsgemäß „Sie trainieren also wieder.“ „Ja, für mich. Das wollten sie doch die ganze Zeit. Also wo liegt das Problem?“

Er schaut mir in die Augen und ich ahne was er jetzt sagen wird. „Wenn sie sagen dass sie nur für sich trainieren gehe ich davon aus dass sie wie vor ihrem Unfall trainieren. Das ist Leistungssport und das müssten sie vorher mit mir absprechen.“ Ich verdrehe die Augen. „Das ist doch egal ob es Leistungssport ist oder nicht. Ich schwimme für mich selbst und ich glaube ich weiß selbst was ich mir zumuten kann.“ „Dieser Meinung bin ich eben nicht. Sie müssen sich bewusst sein dass das Schäden bei ihnen hinterlässt.“ „Was soll an meiner Situation bitte schlimmer werden?“, antworte ich ihm laut. Er geht nicht auf meine Frage ein sondern antwortet mit einer Gegenfrage: „Haben sie Schmerzen?“ Ich schweige. Ja ich habe Schmerzen und ja ich bin mir bewusst dass das auch vom Training kommt. Aber ich will, nein ich kann nicht aufhören. Jetzt lächelt Dr. Walker wieder: „Erinnern sie sich an unser letztes Gespräch? Wo ich ihnen von dieser Gruppe erzählt habe?“

„Ja.“, antworte ich kurz und bündig, dieses Gespräch ist mir noch sehr lebhaft in Erinnerung.

„Ich würde ihnen wirklich empfehlen zu dieser Gruppe zu gehen. Sie haben dort die Chance sich mit anderen Sportlern, die ein ähnliches Schicksal teilen, auszutauschen.“ Wenn ich schon nur an diese Selbsthilfegruppe denke will ich flüchten. Wie das letzte Mal antworte ich: „Ich denke darüber nach.“ Dem Blick Dr. Walkers nach weiß er ganz genau das ich das nicht tun werde.  

 „Wäre das dann alles? Können wir jetzt gehen?“ Geschlagen seufzt er auf und nickt. Er schüttelt uns noch die Hand und wir verlassen das Zimmer.

Als ich endlich aus diesem schrecklichen Haus draußen bin atme ich erleichterte auf. Katie und ich reden kein Wort bis wir zusammen im Auto sitzen und sie das Schweigen nicht mehr aushält. „Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, dass es dir besser geht. Sie schaffen es doch auch auf den Mond zu fliegen. Warum kriegen die es dann nicht mal hin ein paar Nerven wieder zu reparieren?“ Geschlagen atme ich aus: „Keine Ahnung aber das wird sich auch in den nächsten Jahren nicht ändern. Es ist ebenso wie es ist und ich muss damit einfach zurrechtkommen.“

Wir beide wissen wie schwer es mir fällt meine Situation anzunehmen aber ich muss ein einfach schaffen.

 „Das ist ungerecht einfach ungerecht.“, höre ich Katie vor sich hin sagen. Im Gedanken stimme ich ihr vollkommen zu. Ja das Leben war ungerecht

A new Beginning (Louis Tomlinson/ 1D FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt