Kapitel 17

347 21 14
                                    


- Wähle deine Feinde weise, denn sie könnten deine letzte Hoffnung sein -

Rey
__

Die Kälte biss mich mit ihren scharfen Zähnen und hinterließ eine brennende Taubheit. Meine Lippen platzten auf und warmes Blut quill über die Haut, bis es letztlich bei den eisigen Temperaturen erstarrte. Meine Finger waren schon ganz Blau und bewegten sich nur noch schlecht, dennoch fühlte ich mich lebendiger, als noch vor wenigen Stunden. Ich fror einfach nicht, sog die Erbarmungslosigkeit des Planeten in mir auf und hoffte darauf, dass es auch die klaffende Wunde in meinem Herzen stopfen könnte. Mein Pflichtgefühl, dass ich Kylo Ren hätte töten müssen, rebellierte in meinem Verstand und kämpfte gegen eine Empfindung, die mir vollkommen fremd war. Ich hatte es einfach nicht gekonnt; allein der Gedanke genügte, um mir den Hals zu zuschnüren, bis ich keine Luft mehr bekam.
Meine Augen verharrten auf den Schneehügeln, die friedlich vor mir lagen. Sie küssten mit ihren Kronen den bewölkten Himmel und spiegelten das wenige Sonnenlicht. Hier draußen, in einer Einöde aus Schnee, wuchs nichts. Nicht einmal ein Tier verirrte sich in diese Region, die vor langer Zeit von der bestialischen Kälter übermannt wurde. Aber sie fror meine Gedanken ein, für einen Augenblick. Sekunden, in denen der Wind um meine Ohren pfiff, an meinen Haaren zerrte und mich weit davon tragen wollte. So weit, dass mich niemand mehr finden würde: ein Exil aus Schnee und Eis.
Ben...
Ich trauerte der Machtverbindung hinterher und fühlte mich vereinsamt, verlassen und auf ewig in dem Schnee verloren. Regungen, die mir vollkommen befremdlich vorkamen und ich sie mit meinem Wissen nicht vereinbaren konnte. Diese Zuneigung... ich konnte sie nicht beschreiben und wusste nur, dass sie unendlich falsch war.
Ben.
Die Arme ausbreitend gab ich mich den ungestümen Böen hin, die an mir rissen und mich mit fort trugen wollte. Er wirbelte durch meine gespreizten Finger, klaute mir meine Sicht und nahm mir die Möglichkeit des Atmens. Doch die Freiheit, der wilde Frieden; nichts kam mit dem gleich. Ich fühlte mich angekommen und wollte es nie wieder verlassen. Denn hier, beschützt und unkenntlich, gab es keinen Krieg. Es gab keine Erste Ordnung und auch keinen Widerstand. Keine Politik, keine Jedi, keine Ritter der Ren, keine Wirtschaft, keine individuellen und perfiden Ansichten. Der Planet besaß ausschließlich die rohe Natur, welche jedwede Lebensform abstieß – strategisch war dieses Versteckt geradezu grandios gewählt.
Obgleich wir uns im Nirgendwo befanden; die Erste Ordnung würde uns finden. Kylo Ren würde mich finden. Ich spürte es. Das war ein Versprechen, welches nicht ausgesprochen werden musste. Ein Versprechen, das ganz und gar nur zwischen Kylo und mir bestand. Eine Gewissheit, die mir ins Ohr geflüstert wurde und auf die ich insgeheim hoffte.
Mein Blick wanderte ein letztes Mal über die weißen Dünen bestehend aus Schnee. Die Sonne glitzerte und reflektierte sich in der Masse und ließ es wie pures Gold aussehen. Ich fuhr mit den Fingerspitzen über meine spröden Lippen, verfiel in einen kurzweiligen Tagtraum, der doch nur eine Erinnerung war und schüttelte nachdenklich den Kopf. Der Verlauf des Ganzen hatte eine Richtung angenommen, die mir nicht gefiel. Aber auch nicht zu verhindern war.
Die Zeit war gekommen und niemand könnte sie bezwingen.

*

Die Gesichter waren allesamt ernst, verschlossen und schmetterten jeden Widerspruch vornherein ab. Generälin Organa stand vor den Übriggebliebenen und verschränkte die Arme vor der Brust. Obwohl ihr Gesicht noch immer liebliche Zeichnungen besaß, hatten ihre Augen in den letzten Tagen und Wochen ihre strahlende Hoffnung verloren. Die braune Weste bedeckte die knittrige Bluse und die Hose schlug Falten – sie sah den unausweichlichen Weg ebenso entgegen wie wir anderen auch. Ich kannte die mächtige und stolze Frau erst seit kurzer Zeit, doch traute ich mich nicht ihren Vortrag zu unterbrechen. Mit strenger Stimme fasste sie das Passierte zusammen und kam zu einem Schluss, der mein Herz zum Stillstand zwang. Es ist wie Glas brechen ließ.
»Die Erste Ordnung ist eine Gefahr für die Anfänge der neuen Republik. Sie schwächen das ohnehin schon schwache und die Völker sind verängstigt. Das Massaker von Theed ist den meisten im Gedächtnis geblieben. Ich traf mich mit den Häuptern der verschiedenen Planeten – es herrscht Unruhe, Uneinigkeit und sie fürchten sich vor«, erläuterte Organa, hielt dann einen Moment inne, als würden die nächsten Worte ihr ungemein schwer fallen, »Kylo Ren. Doch er ist nicht unbesiegbar. Rey hat es schon einmal bewiesen, dass seine Macht beschränkt ist.« Die Generälin schenkte mir ein sanftes, mütterliches Lächeln. Ihre gepriesenen Worte missfielen mir. Damals bei unserem ersten Kampf war er verletzt gewesen, schwer verletzt und dennoch hatte er länger als geglaubt durchgehalten.
Mein Blick richtete sich gen Boden. Ich hatte ihn nun bei vielen Gemetzel an vorderster Front gesehen und hatte den Entschluss gefasst, dass ich mich nicht gegen ihn behaupten konnte. Kylo Ren war schnell, flink, talentiert und vor allem trainiert. Er nutzte die Macht, als hätte sie in ihm den Gleichklang gefunden und doch brauchte er sie nicht notwendig, um als Sieger hervorzugehen. Er besaß kein Gewissen, das ihn hindern könnte. Sein Sadismus war weit genug ausgeprägt, das ihm letztlich einen Vorteil einräumte. Alles zusammen, in Einigkeit stehend, machte es ihm zu einem hervorragenden Kämpfer. Zu einer ultimativen Waffe, die den Tod über ganze Planeten brachte.
Aber auch du besitzt ein Herz, ich habe es gesehen, gespürt...
Die Trauer wurde immer schwerer, schnürte mir die Luft an und wirbelte meine Emotionen durcheinander, bis ich kaum mehr die Tränen zurückhalten konnte.
»Wir werden die Erste Ordnung vernichten und wieder Frieden über die Galaxis bringen.«
Ich musterte die Generälin und die Widerstandskämpfer, welche sich mit in der stumpfen Halle befanden. Die Zahl war erschreckend überschaubar und reichte nicht für einen weiteren frontalen Angriff gegen die Erste Ordnung. Hunderte gegen Tausende. Das war wahnwitzig und nicht realistisch. Räuspernd richtete ich meine Stimme an die Anwesenden. »Mit Verlaub, Generälin. Poe, Finn und ich waren auf der Supremacy – die Erste Ordnung ist gerüstet, stark und im Vorteil. Wie gedenken Sie sich da einen Vorteil einzuräumen?«
Organas weiche Züge wurden hart und es war ihr anzusehen, dass sie meine Zweifel nicht tolerierte. »Wir werden Kylo Ren in einen Hinterhalt locken, ihn töten und dann die Erste Ordnung in ihre Bestandteile auflösen.« Sie klang fest entschlossen, doch würde es schwer werden Kylo etwas vorzugaukeln. Er war eindeutig zu intelligent und würde den Plan im voraus schon durchschaut haben.
Den leichtsinnigen Worten des Widerstandes konnte und wollte ich nicht mehr lauschen, zog mich mit wenigen Schritten in den Schatten zurück und ließ die Besprechung hinter mir. Sie waren alle so blind, zu stumpfsinnig, um auf das zu blicken was vor uns lag.
Wie könnte ich sie vom Gegenteil überzeugen? Denn Worte genügten nicht mehr.

Die Suche nach dem Licht Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt