Kapitel 53

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[SAMU]

"Komm uns bald wieder besuchen!", sagte Sanna noch, ehe ich sie los ließ und hinter der Absperrung verschwand. Ich passierte die Sicherheitskontrollen und setzte mich dann in den Flieger. Ich würde zurück nach Deutschland fliegen und mit jedem Schritt stieg die Angst, dass Elena tot sein könnte. Denn dummerweise hatte ich beim Krankenhaus nur meine deutsche Festnetznummer hinterlegt, also hätte ich einen möglichen Anruf verpasst. Mit klopfendem Herzen starrte ich aus dem Fenster und betete, dass Elena noch lebte.

Zurück in meinem Zuhause in Berlin hielt ich mit zitternden Händen das Telefon in der Hand, während ich nach verpassten Anrufen guckte. Und tatsächlich hatte ich eine Nachricht auf der Mailbox. Mein Herz rutschte mir in die Hose, ich hatte eine wahnsinnige Angst. Als ich die Nachricht abhörte, in der mir die mittlerweile recht vertraute Stimme der Frau hinter der Information mitteilte, dass ich doch bitte ins Krankenhaus kommen soll, wurde mir förmlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Ich ließ mich an der Wand hinabgleiten und stützte mein Gesicht in meine Hände. Das durfte nicht wahr sein! Sie durfte nicht sterben! Ich brauchte sie! Ich brauchte sie so sehr! Und da überkamen mich wieder die Tränen und ich weinte und schrie meinen Schmerz heraus.

Stunden später rappelte ich mich auf, spritzte mir Wasser ins Gesicht und lief mit Beinen so schwer wie Blei zum Auto. Am Krankenhaus ging ich geradewegs zu Elenas Station und je näher ich dieser kam, desto erdrückender wurde die Last und die Angst vor dem Ungewissen. Da sah ich ein Mädchen, was weinend in meine Richtung rannte. Sie stolperte und drohte zu stürzen, als ich sie reflexartig griff und festhielt. Mit tränenüberströmten Gesicht sah sie auf und mich an. Es traf mich wie ein Blitz, es war das Mädchen, welches ich Wochen zuvor schon im Krankenhaus getroffen habe, bei ihrem Vater sollten die Maschinen abgestellt werden. "S-s-samu?", stotterte sie mit erstickter Stimme, als ich sie los ließ. "Was ist passiert?", fragte ich mit mühseligem Deutsch. Sie schniefte und sah mich aus schmerzerfüllten Augen an. "Er ist tot", brachte sie hervor. Das Mädchen tat mir unendlich leid, denn ich konnte ihre Gefühle nachvollziehen, obwohl der Tod eines Familienmitgliedes wohl das Schrecklichste war, was einem passieren konnte. Ich zog sie in eine Umarmung und sie weinte meinen Pullover nass, doch es interessierte mich nicht wirklich. Erneut hatte ich ein seltsames Verantwortungsgefühl für sie, was ich mir nicht erklären konnte. Nach wenigen Minuten ließ sie mich dann los und trat einige Schritte zurück. "Tut mir leid, ich-", begann sie mit brüchiger Stimme, doch ich unterbrach sie. "Alles ist in Ordnung, wirklich!", winkte ich ab und sie sah mich noch einmal an, ehe sie dann hastig weiter lief. Für nur wenige Minuten habe ich den Schmerz über Elena verdrängen können, doch nun war er wieder präsent. Ein Arzt trat gerade aus ihrem Zimmer und als er mich sah, kam er auf mich zu. "Ah, Herr Haber, Sie sind zurück!", sagte der Arzt. Er wusste von meinem Ausflug nach Helsinki, denn ich hatte es ihm mitgeteilt, um mein plötzliches Verschwinden zu erklären. Er reichte mir die Hand und ich schüttelte diese. Er lächelte mich breit an. "Ich habe gute Neuigkeiten! Frau Krügers Zustand verbessert sich, wir lassen sie langsam aus dem künstlichen Koma erwachen!", sagte er und mir wurde schwindelig. Es wurde endlich alles gut! Die Last fiel von meinen Schultern und ich ließ mich auf einen Stuhl sinken, um diese Nachricht zu verarbeiten. Elena würde zurück kommen! Ich konnte sie wieder im Arm halten, sie küssen, ihr Lachen hören! Ein breites Grinsen stahl sich auf mein Gesicht, das Erste, nach fünfeinhalb Wochen. Der Arzt wurde gerufen und verabschiedete sich flüchtig, doch ich bekam es gar nicht mit. Plötzlich könnte ich schreien, die ganze Welt umarmen, so glücklich war ich! Und da schossen mir wieder Tränen in die Augen, Tränen der Freude. Nicht mehr lange und ich könnte Elena wieder bei mir haben! Mit einem Schwall von Euphorie betrat ich ihr Zimmer und ergriff ihre Hand. "Es wird alles gut, hörst du?", flüsterte ich ihr zu. "Du wirst wieder aufwachen! Und dann werde ich dich beschützen, okay?"

In der ersten Zeit nach dem sie angeschossen worden ist hatte ich nämlich extreme Schuldgefühle. Ich hatte dauerhaft das Gefühl, nicht genug auf sie aufgepasst zu haben. Versagt zu haben. Mit der Zeit habe ich es geschafft diese zu verdrängen, doch nun würde ich noch besser auf sie aufpassen.

You can never be ready (Samu Haber FF)Where stories live. Discover now