Kapitel 7

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"Was magst du denn haben? Ein Cornetto oder lieber etwas fruchtiges? Calippo vielleicht?" Nachdem wir das Hotelzimmer verlassen hatten, waren wir sofort an den Strand gegangen, um ein bisschen die Sonne zu genießen und dabei ein Eis zu essen. Natürlich auch, weil Yoongi verdammt neugierig war und mich damit locken wollte, dass er mir ein Eis kaufen würde, doch manchmal half es, sich nicht an den unnötigen Details aufzuhalten und einfach das große Ganze zu sehen, was in diesem Fall gleichbedeutend mit "am Strand ein Eis essen" war.

Wir standen vor dem kleinen Büdchen, an dem neben Hot Dogs und Pommes auch Eis verkauft wurde und studierten die ausgehängte Eiskarte. "Ich nehme ein Calippo Orange", antworte ich ihm auf seine Frage und zog währenddessen mein Portemonnaie aus der Hosentasche, um das Geld für die bald folgende Bestellung schonmal bereit zu halten. Yoongi machte jedoch eine abwinkende Geste und bedeutete mir damit, dass er das Eis bezahlen würde, bevor er beim Verkäufer die Bestellung aufgab.

Er hatte sich für ein Haselnuss Cornetto entschieden, welches er während wir uns vom Büdchen entfernten bereits von seiner Verpackung befreite. "Du brauchst mir das Geld nicht wiedergeben, ich lad dich ein", brachte er grinsend hervor, bevor er sich seinem Eis widmete. "Okay, wenn du meinst", nuschelte ich, bevor ich ebenfalls mein Eis auspackte. Es war erfrischend und bietete eine wunderbare Abkühlung von der Hitze. Vielleicht war es gar keine so verkehrte Sache, sich von Yoongi ein Eis ausgeben zu lassen, dachte ich mir. "Danke", fügte ich noch mild lächelnd hinzu und ging weiter neben ihm her.

Wir waren näher ans Wasser gegangen und schlenderten durch den feinen Sand, der einen bei jedem Schritt leicht einsacken ließ. Dieser Teil des Strandes war quasi direkt hinter unserem Hotel und damit fußläufig gut zu erreichen. Leider war es auch dementsprechend voll, da sich wohl einige Hotelgäste dachten, wie praktisch es doch war, direkt um die Ecke einen feinen Sandstrand liegen zu haben.

"Ich denke, einen ruhigeren Platz zu suchen ist aussichtslos. Zumindest, wenn wir nicht einen langen Spaziergang machen wollen. Lass uns doch einfach da vorne zu den Liegen gehen, von da aus haben wir einen guten Blick auf's Meer, während du mich auf den aktuellen Stand bringst." Ich runzelte leicht die Stirn, folgte ihm jedoch schweigend. Es war gut, dass wir bei der Menschenmenge hier noch freie Plätze ergattern konnten, doch mit seinem "auf den aktuellen Stand bringen" hatte er mich ein wenig irriert.

Wir machten es uns auf den Liegen bequem und kaum saßen wir zwei Sekunden, setzte Yoongi auch schon wieder zum Reden an. "Und, was hab ich verpasst? Hat Taehyung in meiner Abwesenheit schon wen abgeschleppt?", fragte er amüsiert grinsend und leckte dabei weiter an seinem Eis.

Ich schnaubte, das hatte uns Taehyung zum Glück bisher erspart. "Nein, er hat nur direkt am zweiten Tag seinen neuen besten Freund gefunden. Er heißt Jungkook und ich empfehle dir, sollten wir nochmal mit ihm gemeinsam essen, dich nicht zwischen die beiden zu setzen, denn dann kannst du erstmal dein Trommelfell austauschen lassen. Dein Gehirn vielleicht auch." Yoongi entkam ein helles Lachen, sein Gesichtsausdruck verriet, dass er meine Berichterstattung schon jetzt spannend fand.

"Wow, dann hat man einmal eine Migräneattacke im Urlaub und dann sowas?", fragte er gespielt dramatisch und warf mir einen vielsagenden Blick zu. "Du bist lustig, Hoseok. So unerwartet ist das doch nicht, oder?" Ich bedachte ihn mit einem möglichst neutralen Blick und wandte mich dann wieder dem Meer zu. "Deshalb hast du also mein Eis bezahlt, das war die Bezahlung für die Informationen, oder so?", murmelte ich und heftete meinen Blick am Horizont fest.

"Komm schon, jetzt sei mal nicht so", sagte er darauf und zog eine für ihn typische Schnute. Mir entkam ein leichtes Seufzen, dieser Typ konnte anstrengend sein. Doch zugleich war er nicht ohne Grund mein bester Freund, weshalb ich darüber schon lange hinwegsehen konnte.

Er begann an dem Hörnchen seines Eises zu knabbern und musterte mich erwartungsvoll, als hätte ich eine total spannende Power Point Präsentation für ihn vorbereitet. Ich schüttelte darauf nur meinen Kopf und lehnte mich auf der Liege zurück. "Du hast nicht viel verpasst, glaub mir. Nur ein stinklangweiliges, viel zu lautes, aber dennoch exklusives Abendprogramm des Hotels." Yoongi legte seinen Kopf leicht schräg, was seinem Ausdruck etwas forschendes verlieh und würde er nicht an diesem Hörnchen rumknabbern, wie ein Nagetier, sähe er dabei bestimmt auch total ernst aus.

"Vermisst du Yui?", fragte er dann unvermittelt und aß endlich das letzte Stück seines Eises auf. Irritiert musterte ich ihn und zuckte anschließend mit den Schultern. "Sie ist bei Jinhwan, da ist sie denke ich ganz gut aufgehoben, bis ich wieder zuhause bin", erwiderte ich auf seine Frage hin. Ich liebte meine Katze und das war allgemein bekannt, doch ich würde es wohl überleben, auch mal zwei Wochen ohne sie auszukommen.

"Dein Cousin?", fragte Yoongi, was ich mit einem Nicken bestätigte. "Na dann ist sie bestimmt in guten Händen." Yoongi lehnte sich nun auch auf dem Stuhl zurück und beobachtete mich weiterhin forschend von der Seite. "Also ist es nicht die Katze. Was ist es dann? Gab es Streit mit Jin?" Ich warf Yoongi einen ungläubigen Blick zu und schüttelte erneut meinen Kopf. "Nein, natürlich nicht. Wir reden hier über Jin. Wieso sollte ich mich auch mit ihm streiten?"

"Ich weiß es ja nicht, aber du willst mir ja auch nicht erzählen, was passiert ist. Also muss ich etwas kreativer werden, um es mir irgendwie selbst zu erschließen", brachte er schulterzuckend hervor. "Achso. Nein, Yoongi. Definitiv nicht. Kreativität wird dir da nichts bringen, bis auf, du ziehst in Erwägung, dass jemand mein neu gekauftes Buch zerstört haben könnte." Yoongi richtete sich auf meine Aussage hin auf seinem Stuhl wieder etwas auf und bedachte mich mit einem neugierigen Blick. "Welcher laufende Meter hat dein Buch ins Meer geworfen?", fragte er und konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen.

"Es war kein Kleinkind, sondern ein erwachsener Mann. Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr, denn ich habe sein teures Hemd gestern Abend für alle Ewigkeit mit einem Cocktail versaut", antwortete ich und konnte den leicht aufgebrachten Ton in meiner Stimme kaum verbergen. Yoongis Augen wurden groß, dann fand ein süffisantes Grinsen den Weg auf seine Lippen. "Wow, Hoseok. Das habe ich dir gar nicht zugetraut. Du hast getrunken?"

Ich verdrehte die Augen, das Ganze wurde mir langsam echt zu blöd. "Nein, ich habe nicht getrunken, ich habe in einer Bar jemanden angerempelt und damit dafür gesorgt, dass sich sein Cocktail über sein Hemd ergießt. Und bevor du noch irgendwelche weiteren Fragen stellst, ja, das war genau der Typ, der wenige Stunden vorher mein Buch zerstört hat." Ich schob meine Unterlippe wie von selbst ein wenig vor und merkte, wie die Wut über die gesamte Situation in mir zu kochen begann. Ich wollte nicht weiter darüber reden und es einfach mal abhaken können.

"Wo ist dann dein Problem? Scheint, als wärt ihr jetzt so ziemlich quitt", gab Yoongi darauf völlig unbeeindruckt zurück und verschränkte seine Arme. "Wenn du mich fragst, ist die Situation ausgeglichen."

Erneut entkam mir ein Seufzen. "Nein, die Situation ist nicht ausgeglichen. Sein Hemd ist schließlich viel teurer, als mein Buch. Aber er will mein Geld nicht haben, ich habe ihm bereits 20 $ für die Reinigung angeboten. Jetzt gehen wir einen Kaffee trinken und dann kann ich das alles endlich vergessen." Ich erhob mich von der Liege und strich die Falten, die sich gebildet hatten aus meinen Shorts und dem T-Shirt. "Ich muss jetzt auch los, wir sehen uns heute Abend. Die anderen spielen gerade irgendwo hier Volleyball. Jungkook ist auch dabei", leierte ich gelangweilt runter und begann bereits zurückzugehen.

"Mooooment mal, Jung Hoseok. Nicht so schnell! Warte mal kurz", rief er mir hinterher und brachte mich damit dazu, für einen Augenblick innezuhalten und nicht weiter zu gehen. "Was ist denn noch? Ich möchte nicht zu spät kommen, okay?"

Er erhob sich ebenfalls von der Liege und blieb neben mir stehen. "Deine Situation klingt sehr spannend und wenn ich ehrlich sein soll, blicke ich nicht so ganz durch, woher diese Einladung zum Kaffee trinken jetzt kommt und wie sich das in das gesamte Bild fügen soll, aber du machst das schon." Er klopfte mir auf die Schulter und schenkte mir ein provokantes Grinsen. "Aber mach nichts, was ich nicht auch tun würde, okay? Und stell mir den Kerl mal vor, du hast mich wirklich neugierig gemacht."

Ich schob seine Hand von meiner Schulter und warf ihm einen grimmigen Blick zu. "Du bist so ein Idiot, weißt du das? Aber keine Sorge, du wirst ihn noch früh genug kennenlernen. Spätestens morgen früh beim Frühstück, wenn wir uns auf Taehyungs Wunsch hin wieder an seinen Tisch setzen."

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