Kapitel 21

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Das Gefühl war atemberaubend und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Hatten sich unsere Lippen zunächst sanft berührt, kaum mehr als ein Hauch einer Berührung, wie die flüchtige Berührung einer Feder, so hatte sich der Kuss schnell aufgeheizt, sich mit Temperament und einer Lust gefüllt, die jeglichen Zweifel für's erste ausschalteten. Jimins Hände ruhten nach wie vor auf meiner Hüfte, hinterließen dort eine angenehme Wärme, gepaart mit einem aufregenden Prickeln, während meine Hände seine Wirbelsäule herauf gewandert waren, um sich in seinem seidigen Haar zu verlieren. Die Luft zum Atmen wurde knapp, doch keiner von uns war bereit, sich von dem jeweils anderen zu lösen. Statt meinen Zellen also den Sauerstoff zu geben, nach dem sie voller Gier verlangten, öffnete ich meinen Mund und ließ meine Zunge über seine volle Unterlippe gleiten.

Mein Tun wurde damit belohnt, dass ich noch enger an die etwa Bauchnabel hohe Steinmauer gedrängt wurde, doch das störte mich nicht im geringsten, es gab der Flamme, die in mir brannte, nur den nötigen Wind, um weiter zu wachsen.

Seine Lippen ließen mich Dinge spüren, die ich nicht für möglich gehalten hatte. Es war geradezu ein Rausch in dem ich mich befand und wenn seine Lippen meine Droge waren, dann hatten sie mich bereits süchtig gemacht.

Für eine Weile schaffte Jimin es, meinen Kopf praktisch auszuschalten. Seine Berührungen zogen mich in einen Bann, den selbst die penetranten, düsteren Gedanken, die mich für gewöhnlich kaum loslassen wollten, nicht durchdringen konnten. Auch die Außenwelt blendete ich erfolgreich aus. Die Geräuschkulisse der Promenade, die Musik der Büdchen, die Stimmen der Strandbesucher, ja, sogar das Rauschen des Meeres schien für mich Kilometer weit entfernt zu sein. Das einzige was ich noch wahrnahm, war Jimin.

Doch jeder Moment, so schön er auch war, musste leider ein Ende haben und das Ende meines ersten Kusses sollte auch nicht mehr allzu lange auf sich Warten lassen.

Im Gegensatz zu mir setzten bei Jimin scheinbar etwaige Denkprozesse wieder ein, als unsere Zungenspitzen sich trafen und sie führten dazu, dass Jimin sich, statt den hitzigen Kuss zu einem noch heißeren, intimen Zungenkuss werden zu lassen, von mir löste.

Die Kälte, die sich durch die Abwesenheit seiner vollen Lippen auf den meinen, nun geröteten, ausbreitete erinnerte mich daran, dass ich meine Augen bisher versäumt hatte, wieder zu öffnen. Außerdem sorgte die Kälte dafür, dass auch mein Hirn wieder anfing zu arbeiten.

Ungläubig und ein stückweit entsetzt über mein Tun presste ich meine Lippen aufeinander und unterdrückte damit jegliches Geräusch, welches mir entkommen könnte. Mein Körper drängte sich automatisch näher an die Mauer, wie auch immer das noch möglich war, um die Distanz zwischen uns möglichst zu vergrößern. Ich verfiel in eine Art Schockstarre.

Jemand musste meinen Kopf ausgeschaltet haben.

Jimins Hände ruhten nach wie vor auf meiner Hüfte und er musterte mich mit einem schwer zu deutenden Gesichtsausdruck. Wenn er mich jetzt anlächeln würde, wenn er mir irgendwie zeigen würde, dass ich nichts falsch gemacht habe, dass alles so wie es war in Ordnung, nein, sogar gut war, dann würde ich mein angeknackstes Selbstbewusstsein vielleicht austricksen können, ihm zuflüstern können, dass ich eigentlich nur das getan habe, was ich tun wollte und was auch Jimin ganz offensichtlich wollte, doch da er genauso perplex wirkte, wie ich mich fühlte, begann ich über mein Handeln nachzudenken.

War es ein Fehler?

So sehr ich den Gedanken auch versuchte zu verdrängen, er wollte nicht aus meinem Kopf verschwinden. So sehr ich es auch genossen hatte, so sehr ich mich auch danach verzehrt hatte, ihm näher zu kommen, ihn zu berühren, so unsicher fühlte ich mich jetzt. Ich hatte Angst davor gehabt, ihm näher zu kommen. Dieser Schutzwall, den ich errichtet hatte, hatte nichts als meinem eigenen Schutz gedient, er hatte mich davor bewahren sollen, verletzt zu werden. Doch ich hatte gemerkt, dass die Mauer nicht standhaft war. Jimin hatte sie dazu gebracht, spröde und rissig zu werden. Letztendlich hatte er mich dazu gebracht, meine eigene Mauer zu zerstören. Aus Neugier, aus einem Verlangen heraus, einem Gefühl, was ich nicht weiter hatte ignorieren können. Ich wollte es nicht bereuen, ich hatte ihn geküsst, um es nicht später bereuen zu müssen, es nicht getan zu haben. Aber wohin sollte das führen? Ich sah ein, dass es kein Fehler war, so zu Handeln, wie ich es getan habe, auch mal ein Risiko einzugehen, doch ich war mir zur gleichen Zeit im Klaren darüber, dass mein Handeln Folgen haben würde.

Pacific WavesWhere stories live. Discover now