neunundzwanzig

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Tatsächlich sind Menschen ziemlich komplizierte Wesen.
Sie alle sind mit einem Gehirn bestückt, welches - mal mehr, mal weniger - zum klugen Nachdenken dient. Ebenso besitzen sie starke Empfindungen, die ihnen Emotionen verleihen.
Man sollte meinen, dass diese Fähigkeiten es möglich machen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, aber machen wir uns nichts vor, meistens sind genau Herz und Kopf die größten Problemverursacher.

Es ist völlig egal was andere Leute sagen oder denken.
Viel zu oft machen wir uns Gedanken darüber, was andere erzählen und viel zu selten achten wir auf unsere eigene Meinung, die wir uns viel zu selten bilden. Ist nicht alles immer schon vorgefertigt? Gibt es nicht schon längst eine Meinung, die wir haben sollen? Natürlich gibt es die, aber wer sagt, dass sie der Wahrheit entspricht?
So ist es doch leider in vielen Bereichen des Lebens, dass man kaum eine eigene Entscheidung trifft oder sich auf den persönlichen Verstand verlässt.
Ganz egal ob es darum geht, wie man Menschen einschätzt, oder darum, wem man was glauben sollte.
Manchmal trügt der Schein und man redet sich selbst etwas ein, weil man einen bestimmten Sachverhalt glauben will. Aber manchmal weiß man auch tief im Inneren des Herzens, was eigentlich richtig ist und man kennt die Wahrheit, doch man  hat Zweifel und ist sich deshalb unsicher.

Ich wusste, dass Mika mich gut genug kannte, um zu wissen, dass ich sie niemals austauschen oder betrügen würde und genau deshalb war ich mir sicher, dass sie ihre Entscheidung mittlerweile bereute, nicht mehr mit mir zu sprechen.
Sie zeigte mir damit einerseits wie enttäuscht und gedemütigt sie war, aber auch, dass der Kuss zwischen Lukas und mir sie unglaublich verletzt hatte.
Sie versuchte mich zu ignorieren, doch ich konnte ihren Blick auf mir brennen spüren, wenn sie mich während des Unterrichts anstarrte.
Dass sie nicht reden und sich austauschen wollte, zeigte sie mir zwar deutlich, aber ich konnte spüren, dass es ihr wehtat an mir vorbei zugehen, anstatt mich in die Arme zu schließen.
Die Pausen verliefen einsam für uns beide. Wir standen zwar bei den anderen Mitschülern und versuchten uns in ihre Gespräche einzufügen, doch es war eine Leere in mir, die ich nicht beschreiben konnte und ich war mir sicher, dass es Mika ähnlich ging.
Was auch immer in ihrem Kopf seit dem Schulball vorging, ich musste es aus der Welt schaffen, so viel war klar.

Es war seit Tagen tiefster Winter draußen, weiße Schneeflocken fielen wie zarte Federn vom Himmel und bedeckten den Boden.
Die ganze Stadt schien in eine Seelenruhe verfallen zu sein, der Alltagslärm war seltsam gedämpft und sowohl die Straßen als auch die Hausdächer glitzerten, eingenommen von schimmernden Eiskristallen.
In meinen wirren Tagträumen sah ich Mika und mich gemeinsam Eislaufen oder mit ihrem kleinen Bruder einen Schneemann bauen, dabei vergnügt lachend.
Leider schlug jedoch die eiserne Realität auf mich ein, in der ich mich schrecklich allein fühlte. Ohne sie an meiner Seite war ich leer und taumelte wie benebelt durch den Tag, als wäre ich in eine Art Trance verfallen.
Thara hatte natürlich längst bemerkt, dass etwas nicht stimmte und sprach mich beinahe sekündlich darauf an, doch ich wollte nicht mit ihr darüber sprechen, wollte meinen Kummer für mich behalten.
„Du bist sicher, dass ich nichts für dich tun kann? Ich sehe doch, dass zwischen Mika und dir ein gewisser Konflikt steht."
Ich sah mit trübem Blick in die neugierigen und zugleich fürsorglichen Augen meiner Klassenkameradin und schenkte ihr ein schwaches Lächeln, woraufhin ich ablehnend mit dem Kopf schüttelte. Zu mehr war ich einfach nicht in der Lage, obwohl ich Tharas Hilfe zu schätzen wusste.
Dieser Konflikt, wie Thara ihn nannte war eine Sache zwischen Mika und mir und dabei konnte mir niemand helfen.

Manchmal sind Worte überflüssig, aber in bestimmten Fällen sind Worte genau das, was wir brauchen. Sie sind das, was wir sind, denn sie drücken das aus, was wir denken.
Da Mika mich nicht sehen und immer noch auf Abstand bleiben wollte, entschied ich mich dazu ihr einen Brief zu schreiben. Ich hielt es für eine gute Idee, da sie dadurch endlich erfahren würde, was in mir vorging, ohne dass sie abhauen und vor einem Gespräch davonlaufen konnte.
Es war bereits dunkel geworden und alles was mein Zimmer erhellte, waren die Lichterketten, die in der Dunkelheit des späten Abends wie Sterne funkelten.
Ich hatte die Gardinen vor meinem Fenster zugezogen, doch wusste, dass sich dahinter eine weiße Winterlandschaft mit eingeschneiten Bäumen verbarg. Eine dampfende Tasse mit Orangen-Zimttee stand auf meinem Schreibtisch, den ich mir eigentlich gekocht hatte, um ihn während des Schreibens zu trinken, doch nun war ich so sehr auf den Brief konzentriert, dass der Tee irgendwann zu dampfen aufhörte, ohne dass ich auch nur einen einzigen Schluck davon getrunken hatte.
Am Anfang war es mir schwer gefallen, die geeigneten Worte zu finden, aber nach einiger Zeit flog der Stift pausenlos über das Papier und ich öffnete Mika mein ganzes Herz.
Schließlich, als der Brief endlich fertig war, lehnte ich mich zurück und nahm einen Schluck aus der Tasse, deren Inhalt mittlerweile abgekühlt war und las mir alles noch einmal durch:

Since our fate has decided (girlxgirl)Where stories live. Discover now