Kapitel 6

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Melissa's Sicht
Herr Gruber trat an mein Bett und kündigte an, dass Besuch für mich da seie. Ich ahnte schon, wer es war. Genau, meine Eltern. Sonst würde mit Sicherheit keiner zu mir kommen. Meine Mutter stand neben mir, auch sie hatte so einen blauen Kittel, wie die Ärzte, an. Sie schlug sich in die Hände und sagte:
„Was machst du nur für Sachen?"

Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte und lächelte deswegen. Mein Vater kam hinter meiner Mutter hervor und sah mich an. Sie hatten sich also wieder vertragen. Ich fühlte mich unwohl, hier so hilflos zu liegen und meine Eltern standen neben mir und machten sich Sorgen. Da wäre ich lieber alleine geblieben, aber ich konnte schlecht sagen „Geht raus, ich will alleine sein". Also sagte ich nichts.

Der Arzt kam mir zur Rettung und nahm meine Eltern mit raus. Er zwinkerte mir zu. Herr Gruber musste meine Hilflosigkeit bemerkt haben. Als sie draußen waren, fühlte ich mich etwas besser. Es dauerte nicht lange, da kam ein anderer Arzt herein und sagte:
„Wir sind jetzt soweit fertig mit den Untersuchungen und es sieht gut aus. Wir würden dich jetzt hoch auf ein Zimmer bringen und dich noch für zwei Nächte hierbehalten, aufgrund deiner Gehirnerschütterung."
Zwei Nächte werde ich überleben hier zu bleiben. Der Arzt erlöste mich von den Kabeln und brachte mich hoch auf ein Zimmer. Ich fragte:
„Darf ich ein bisschen rumlaufen?"

Der Arzt verneinte:
„Du hast eine Gehirnerschütterung, da solltest du liegenbleiben und dich so wenig wie möglich bewegen."
Ich stöhnte auf. Da will man sich Ausnahmsweise mal bewegen und dann darf man nicht. Fragen ob ich wenigstens meine eigenen Sachen anziehen durfte, habe ich mich nicht getraut, da der Arzt so schon ein bisschen genervt von meinen Fragen war.

Aber dieser Kittel war echt komisch, er hatte keinen richtigen Stoff wie meine Anziehsachen, sondern war aus so was ähnlichem wie Seide und fühlte sich kalt an. Auf dem Zimmer angekommen war noch ein anderes Mädchen, die bestimmt älter als ich war. Der Arzt meinte:
„Ich werde gleich wiederkommen und dir den Verband am Kopf neu machen."

Das Mädchen lächelte mich:
„Hey. Ich bin Carolina. Du siehst aber echt übel aus."
Ja, danke. Ich hatte keine Ahnung wie ich aussah, geschweige denn wusste ich wie lange ich schon hier war. Ich sagte:
„Ich bin Melissa. Was ist heute für ein Tag?"
Carolina sah mich an, als hätte ich gefragt, wann mein Geburtstag ist, sie antwortete dann aber doch noch:
„Dienstag."

Ich erinnerte mich, dass Montag war, als der Unfall passiert ist und ich bin heute aufgewacht. Wow, dann habe ich seit gestern Nachmittag bis heute morgen geschlafen oder nennt man das dann Koma? Ich hatte keine Ahnung. Ein Arzt kam herein, es war nicht der, der mich auf das Zimmer gebracht hatte:
„Guten Tag, ich bin Herr Doktor Rasch. Ich wurde gebeten deinen Verband zu wechseln."
Er kam auf mich zu:
„Ich nehme an, dass du Melissa Wilson bist?"
Ich stimmte zu:
„Ja."

Der Arzt war noch ziemlich jung und hatte blonde Haare. Er nahm sich einen Stuhl, setzte sich vor mein Bett und schlug meine Decke etwas zurück. Ich hätte die Decke jetzt gerne einfach wieder über mich gelegt und mich darunter verkrochen, damit mich niemand sieht, aber ich blieb brav liegen.

Herr Rasch legte den Verband auf meinen Nachttisch und begann den alten Verband zu lösen. Ich zuckte bei dem Abreißen des Pflasters. Es tat höllisch weh. Er schaute sich die Wunde an meinem Kopf an und tat etwas Salbe darauf, bevor er es wieder verband. Er sagte:
„Dich hat es aber übel erwischt."

Ich zuckte mit den Schultern und bedankte mich, dann verließ er das Zimmer. Carolina fragte mich, was mir zugestoßen ist. Ich berichtete:
„Ich bin mit dem Fahrrad etwas schnell um die Ecke gefahren, dann habe ich das kommende Auto nicht gesehen und das Letzte, an was ich mich erinnere ist, dass ich auf der Motorhaube von dem Auto lag."

Carolina stutze:
„Das ist krass. Ich habe mir den Arm gebrochen und werde morgen operiert."
Mein Blick fiel auf mein gebrochenes Bein, welches in einem roten Gips steckte. Mir ging es selten schlechter. Ich hatte das Gefühl, dass in meinem Kopf das Gehirn keinen festen Platz mehr hat, sondern ständig in Bewegung ist, mein Bein pochte auch und mein Bauch tat irgendwie auch weh. Außerdem hatte ich ein großes Bedürfnis nach Schlaf, weswegen ich meine Augen schloss und kurz darauf einschlief.

„Die Antwort ist nicht weit entfernt. Du kannst sie finden.",sagte mir mein Spiegelbild. Es kam aus dem Spiegel und legte mir ihre Hände auf die Schulter. „Du bist nicht alleine.", flüsterte mir mein Spiegelbild zu.
Das letzte was sie sagte war:
„Born together, friends forever."

Ich wachte auf. Was war das? Warum träume ich so was? Ich fuhr mir durch meine Haare und atmete tief ein und aus. Carolina fragte:
„Nicht gut geschlafen?"
Ich schluckte:
„Geht so."
Ich wollte sehen, wie ich aussah. Mein Handy hatte ich nicht also fragte ich Carolina:
„Hast du einen Spiegel?"

Sie ging ins Bad und kam mit einem kleinen runden Spiegel wieder. Sie hielt ihn mir vor mein Gesicht. Ich schluckte erneut, als ich mich sah. Ich war blass und hatte überall blaue Flecken, Wunden und Beulen in meinem Gesicht und an der Stirn. Die große Platzwunde mit dem Verband riss natürlich alles heraus. Meine Haare waren zerzaust und sahen selten schlimmer aus. Sie ließ den Spiegel sinken und brachte ihn zurück ins Bad. Ich hatte genug gesehen für heute, aber jetzt wusste ich wenigstens, warum mich alle so dumm anguckten.

Lost My TwinWhere stories live. Discover now