Kapitel 11

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Das Leben zieht Kreise, mit denen du taumelst.

Fröstelnd bemusterte Headphones die Finsternis, die sie seit ihrem letzten Augenaufschlag umgab, wie ein Wall, der sie in nichter Existenz gefangen hielt. Unerklärliche Windböen Pfiffen an ihren Ohren vorbei und brachte sie zum sie erschaudern. Habe ich meine Augen überhaupt offen? Rabenschwarze Nacht weilte um sie herum und nahm ihr den Blick auf ihr Umfeld. Die Böen verstärkten sich und umringten sie. Es war angenehm. Trotz der Dunkelheit und Kälte, fühlte sich ihre Umgebung vertraut an. Im Bann des Windes breitete sie ihre Flügel aus, um das seichte Gefühl noch inniger zu spüren. Die raue Luft verstärkte sich und ihr war, als würde der Boden unter ihren Hufen vergehen. Über ihr Drang ein winziger Lichtstrahl durch das schwarze Nichts und erleuchtete den Wolkenturm, der sich um sie herum in die Unendlichkeit nach oben erstreckte. Unendlichkeit? Nicht doch! Ein winziger Punkt verriet den freien Himmel hinter den Sturmwolken. Verdutzt blickte Headphones umher. Ihre Flügel, beide intakt, hielten sie auf dem Wind, der sie nach und nach in Richtung Himmel hob. Sie liebte solche Träume. Sie ließen sie vergessen, wie sie nun war und gaben ihr ein Gefühl von Hoffnung, die sie aus der Dunkelheit ins Licht hob. Würde sie weiter mit dem Wind geleiten, käme sie ohne Probleme am Ende an. Doch etwas erfüllte sie mit Sorge und ließ sie sich erneut umsehen. An der weißen Turmwand führte eine Treppe entlang, die sich bis zur Spitze wendelte. Auf ihr liefen verteilt Silhouetten die Stufen auf. Wohl eher schleppten sie sich hinauf. Wieder funkte Vertrautheit in Headphones auf. Diesmal konnte sie fliegen. Sie konnte helfen. Und sie konnte die entfernten Formresten aus Erinnerungen klar sehen.
Ohne zu zögern drehte sie ab und glitt zur untersten Silhouette. Immer näher kam sie ihr und doch konnte sie keine klare Form ausmachen. Sie war wie verschwommen, ihre Farben verlaufen. Nicht identifizierbar. Fast schon unbedeutend. „Wer bist du?", reif Headphones der Figur zu. Keine Antwort. Ihr zog sich das Herz zusammen. Sie erkannte das fremde Wesen nicht und doch schmerzte sie ihr Leid, als wäre es ihr eigenes. Hastig kam sie vor der Figur zum stehen. „Bitte, lass mich dir helfen!" Der farbenfrohe Schatten sah mit leeren Augen zu ihr auf und bettelte sie um jene Hilfe an, die er nicht annehmen wollte.
Ein Beben zerbrach dir Wolkentreppe. Noch in letzter Sekunde konnte Headphones ihre Flügel ausbreiten. Die Silhouette konnte es nicht. Direkt unter ihr brach die Treppe ein und sie fiel. Auch Headphones konnte nicht mehr rechtzeitig nach ihr greifen. Schwerelos und doch vom Boden angezogen, fiel das Wesen in die Dunkelheit zurück. Einen Moment lang verspürte Headphones das Verlangen, hinterherzufliegen, doch sogleich brachen auch die Wände des Wolkenturmes ein und seine Bruchstücke hagelten wie Steine auf sie herab. Es ist verloren. Verängstigt flatterte sie zum nächsten Wesen, welches noch immer unbeteiligt die Treppe heraufhumpelte. Zu einer Landung neben ihm kam es nicht. Noch bevor Headphones sich ihm nähern konnte, rissen die Wände weiter ein und eine schwarze, ölige Flüssigkeit floss wie ein Sturzbach aus den Ritzen und flutete nach und nach den Turm. Alles kam herein...aber nicht wieder heraus. Ein Fluss aus Schwärze riss die Silhouette mit sich und zwang Headphones dazu, höher zu fliegen. Immer wieder musste sie Trümmern und Nässe ausweichen und das nicht immer mit Erfolg. Öfter traf sie etwas und brachte sie ins Taumeln, wärmend sie immernoch versuchte, zu den Schatten zu kommen. Aber es war jedes Mal vergebens. Bevor sie sie erreichen konnte, fielen sie, oder wurden weggespült, oder von den Trümmern zerquetscht. So wird das nichts! Mit jeder gefallenen Silhouette lagerte sich ein weiteres Gewicht auf dem Rücken der Jungen Stute ab und zog sie in das Loch, das sich nun mehr und mehr mit der Flüssigkeit füllte. Doch noch etwas geschah. Jedes Mal, wenn einer der leuchtenden Schatten zu Grunde ging, verlor dieser seine Farben, welche auf Headphones übergingen. Sie erstrahlte in einem Regenbogen aus fremden Lichtern. Sie fühlte sich erfüllt, aber zugleich auch unbeteiligt. Die Freude, die sie fühlte, war nicht ihre eigene, verdrängte diese jedoch immer mehr in den hintersten Winkel ihres Verstandes. Ihr war, als würde ihr Körper sich mit jedem Flügelschlag zur etwas fremden verformen und vergehen.
Mit jedem neuen Licht würde sie schwerer und der Wind konnte sie schon lange nicht mehr tragen. Ihre untrainierten Flügel schlugen schwach, um sie oben zu halten, wobei sie dennoch die Tintenartige Flüssigkeit dicht unter ihren Hufen fühlte. Ihre Gedanken kreisten zu wild umher, als dass sie einen einzigen hätte ausmachen können. Zum greifen nahe war die Turmspitze mit der letzten Silhouette, die mit ihrem leeren Blick spöttisch auf sie hinab sah. Würde sie Headphones helfen, könnte sie es noch schaffen. Sie und alle fremden Lichter und Farben, die sie mit sich trug. Und wirklich! Das Wesen reichte ihr einen Huf. Mit aller Kraft, die sie noch hatte, streckte Headphones ebenfalls ihren Huf aus, um den Fremde zu fassen und brachte es zu einer Berührung. Wieder ging das Licht der Silhouette auf die mattgoldene Stute über. Das Wesen verlor alle Farbe und fiel schlaff in die flüssige Dunkelheit. Nein! Es war das letzte Gewicht, welches sie runter zog. Nur wenige Meter von der Spitze entfernt, versank Headphones hilflos in der Finsternis und alle Lichter, die sie zuvor umgaben, erloschen.

Ein Windhauch ließ sie erwachen. Das offene Fenster am Ende des Raumes führte den schwachen Schall klappernder Äste ins Zimmer. Unbeteiligt wehten die Gardinen mit jedem Windstoß. Und Headphones starrte nur nach draußen. Sie atmete schwer nach der inneren Aufregung und versuchte wieder in den gewohnten Rhythmus zu kommen. Ihren Blick auf den silbergrauen Mond gerichtet, der nun beinahe in voller Pracht hinter dem fernen Gebirge auf sie niederstrahlte. Mit ganzer macht reflektierte der Boden aus Kristall das Licht und warf es der jungen Stute ins Gesicht, was sie davon abhielt, wieder zu schlafen. Es war nur ein Traum...nur ein Traum... Vorsichtig zog sie ihre Hufe hoch, um zu fühlen, ob sie ihre Kopfhörer noch auf hatte. Jedoch...fühlte sie es. Um ihren Kopf herum, unsacht über ihr Kissen verteilt, konnte sie eine schmierige Flüssigkeit ausmachen. Durch das Licht des Mondes war eine Spur davon auszumachen, die vom öffnen Fenster aus zu ihrem Bett führte. Oder tat sie das? Die Flüssigkeit verschwamm in den Schatten der Nacht, bis sie verschwunden war. Die Nässe auf ihrem Kissen war ebenfalls vergangen. Etwas kam ihr bekannt vor. Wie eine Erinnerung, oder etwas in der Art.
Ich erinnere mich.
Unwohl zitterte sie und rückte ihre Kopfhörer zurecht, die ihr leicht von den Ohren gerutscht waren. Wieder Blickte sie auf dem Mond. Dann schloss sie die Augen. Sogleich erfüllte sich der Raum um sie herum mit einer vertrauten Melodie. Sie tänzelte vor ihrem inneren Auge und beruhigte sie, wie jedes Mal, wenn ihr unwohl war, erklangen die seichten Töne und umgaben ihren Verstand, um diesen zum Ruhen zu bringen. Liebevoll summte sie mit. Etwas tief in ihr lockerte sich und leiß sie wieder in einen ruhigen Schlaf fallen, bevor sie eine tänzelnde Silhouette voller Farben über dem Schloss von Canterlot am Horizont sah.

„Interessant...", murmelte Twilight, nachdem sie die Zeitung von Headphones entgegen nahm und einige Zeilen las, „Ich dachte, dass wir Equestria bereits Frieden gebracht haben, aber es scheint noch immer weiter zu gehen!" So war es doch immer schon, dachte Headphones darauf und verdrehte unbemerkt die Augen. Manchmal war sie sich nicht sicher, wer von ihnen gleich noch die kluge Prinzessin war, die mit ihren Freunden und den Elementen der Harmonie das Land beschützte. Oft hatte Headphones Geschichten von Twilight und ihren Freundinnen gehört und sie sich als ihre Heldin vorgestellt. Letztendlich war diese aber alles andere als Heldenhaft, wenn nicht gerade die Welt unterging. Dazu kam ihr nur ein Wort in den Sinn: langweilig. Noch langweiliger als Headphones selbst. Seit sie erfolglos von ihrer Reise zur Grenze zurückgekehrt war, sah sie nur noch trübe drein und spielte sich selbstsicher. Das war sie aber ganz sicher nicht.
Ohne auf eine Antwort zu warten, sprach Twilight weiter: „Und die Wechselponys werden auch immer dreister! Gestern Nacht hat eine ganze Truppe von ihnen die Regenbogen-Fabrik gestürmt und mit diesem überflutet! Wie können sie nur immer wieder unbemerkt hinter die Grenze kommen?..." Gestern Nacht?!
Die mattgoldene Stute erstarrte und ließ dabei den Teller fallen, den sie Sekunden zuvor noch hielt. Erneut erschrak sie, diesmal über ihre ungezügelte Reaktion und sammelte beschämt alle Scherben auf, die nun über den Kristallboden zerstreut lagen. Auch Twilight schien ihre plötzliche Unruhe aufzuschrecken. „V-verzeiht, Twi- äh, Eure Majestät, es ist nur, dass..." Lass die was einfallen, Idiot! „Cloudwing dort Arbeitet!" Was besseres ist dir nicht eingefallen?! Dennoch versuchte sie ihre Antwort authentisch herüberzubringen, worauf hin Twilight verdutzt fragte: „Cloudwing?" „Sie ist eine alte...ehemalige Freundin von mir gewesen. I-ich hab mich nur gesorgt, dass ihr etwas passiert sein könnte..." Headphones fragte sich mittlerweile selbst, wie viel davon wirklich der Wahrheit entsprach und verzog ungewollt ihre ungerührte Miene zu einem Ausdruck der Trauer. Erinnerungen an ihre alte Freundin erhellten sich in ihr und die Sorge, dass wirklich etwas passiert sein könnte, schnürte ihr die Kehle zu. Plötzlich sah die Prinzessin mitleidig und fürsorglich zu ihr herab. „Meinst du, dass es besser wäre, wenn du dich vergewisserst, dass es ihr wirklich gut geht? Du weißt, dass mehrere Mitarbeiter umgekommen sind, oder?" Headphones sah zu ihr auf und suchte eine Andeutung auf einen Scherz in den dunkel lilanen Augen der Prinzessin. Davon konnte sie aber keine Spur entdecken. Noch immer betrübt konnte sie sich mit einem dankbaren Lächeln zu einem Nicken zwingen. Twilight überlegte. „Ich habe ja überlegt, weitere Leute einzustellen...vielleicht könnte ich nach ausgebildeten Bewerbern suchen, während du nach Cloudsdale gehst." Trotz ihrer Dankbarkeit taten sich in Headphones Gedanken zwei fragen auf. Erstens: Womit habe ich das verdient? Und zweitens: Ausgebildete Bewerber? Es gibt also auch unausgebildete? ICH HÄTTE ALSO GAR KEINE AUSBILDUNG GEBRAUCHT?! Sie blieb aber still. Sie würde ihrer alten Freundin einen Besuch abstatten.

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Ja, der Header ist etwas messy, aber das Bild hab ich auch schon vor Ewigkeiten gemalt...
Und ja, deshalb hat Headphones da noch ihr altes Design mit cringy Regenbogen-Augen, fliegend und mit der unendlich langen Mähne of DOOM
Is halt wie erwähnt älter X3

Das Lied der Harmonie /Beta/Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt