Ein ganz normaler Sonntag?

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Lucius Sicht–zur gleichen Zeit, auf seinem Zimmer




Gähnend räkelte ich mich auf meinem Laken und spähte auf meinen Wecker. Der Vormittag war schon weit vorangeschritten, aber das störte mich im Augenblick überhaupt nicht. Ich war von Glücksgefühlen durchzogen. Das Glück schien durch meine Adern zu pulsieren wie das blühende Leben. Ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal so glücklich gefühlt hatte, wie an diesem Morgen. Das vergangene Treffen mit Hermine war ein voller Erfolg gewesen. Zwar war so ziemlich alles schiefgelaufen, was nur irgendwie schieflaufen konnte, aber dennoch war ich an mein Ziel gelangt. Ich hatte es langsam und ruhig angehen wollen und stattdessen war ein Chaos losgebrochen, das Seinesgleichen suchte. Nichts, aber auch wirklich überhaupt nichts, war so gelaufen, wie ich es mir vorgestellt hatte. Stattdessen war Bellatrix aufgetaucht und hätte beinahe alles zerstört, was ich in mühevoller Arbeit und über Wochen hinweg aufgebaut hatte. Es hätte nicht viel gefehlt und Hermine hätte mich gänzlich von sich gestoßen. Ich wusste nicht, welchem glücklichen Umstand ich es verdanken konnte, dass sie mir noch eine Chance gegeben hatte. Aber mir war klar, dass ich diese Chance nutzen musste, wenn ich sie nicht endgültig verlieren wollte. Sie hatte mir ihre Zuneigung und ihr Vertrauen geschenkt, in der Hoffnung, dass ich es nicht missbrauchen würde. Ich durfte und konnte sie deshalb nicht enttäuschen.



Zufrieden schmunzelnd bettete ich meinen Kopf auf meine auf der Matratze verschränkten Arme und dachte an den kommenden Samstag. Ich hatte Hermine eine Überraschung versprochen, einen unvergesslichen Ausflug. Und ich war mir mehr als sicher, dass dieser Ausflug mit Sicherheit auch unvergesslich werden würde. Für uns beide. Ich hatte alles mehr als sorgsam durchdacht. Bereits vor Wochen war ich auf meinen Landsitz in die weiten Gräserlandschaft der englischen Landschaft zurückgekehrt und hatte dort alles auf Vordermann gebracht. Die Zimmer waren geputzt, die Möbel entstaubt, die Vorratsschränke gefüllt, die Räumlichkeiten gelüftet und die Hauselfen darüber informiert, was ich von ihnen erwartete–Perfektion. Das altherrschaftliche Gut würde Hermine sicherlich gefallen. Es entsprach dem Stil eines mittelalterlichen Adelssitzes, ein Herrenhaus mit angrenzenden Nachbargebäuden und weitreichenden Stallungen, deren Koppeln und Weiden sich über die endlose Weite der Gräser und Felder erstreckten. Ich war mir mehr als sicher, dass Hermine von den Bewohnern dieser Stallungen begeistert sein würde. Eine Herde prachtvoller Abraxaner, zu dem auch ein Jungtier gehörte, war zurzeit mein wertvollster Besitz auf diesem meiner zahlreichen Ländereien. Den neuesten Herdenzuwachs wollte ich Hermine schenken. Es war ein kräftiger Junghengst, mit einem mehr als eigenen Kopf, der mich in seiner Charakterstärke und Willenskraft an Hermine erinnerte. Die beiden würden mehr als gut zueinander passen und so wie ich Hermines Tierliebe einschätzte, würden die beiden wohl auch sicherlich gute Freunde werden.



Glücklich seufzend streckte ich mich ein letztes Mal auf den weißen Laken, bevor ich mich an die Bettkante schwang und meine Füße auf den weichen Stoff des Samtteppich stellte, der vor meinem Bett lag. Das samtige Gefühl kitzelte an meinen Fußsohlen und für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich wieder wie der kleine Junge, der nachts heimlich und barfuß durch das Haus geschlichen war, um im Arbeitszimmer meines Vaters mit nackten Füßen auf dem Fell des Bären zu stehen, den mein Vater eigenhändig erlegt hatte. Grinsend stand ich auf und schlenderte in das angrenzende Badezimmer. Das warme Wasser, das kurz darauf auf meinen erholten Körper niederprasselte und in dicken perlenförmigen Tropfen an der Duschwand hinab rann und sich zu schmalen Rinnsalen verband, löste eine innere Entspanntheit in mir aus, die mich so schon lange nicht mehr erfüllt hatte. Es war, als hätte mit dem gestrigen Treffen ein neues Leben begonnen oder als hätte ein neuer, frischer Lebensabschnitt begonnen. Hermine hatte mich neu aufblühen lassen und mir wieder Leben eingehaucht. Dieses wohlige Kribbeln, das sich nun durch meinen Körper zog, war durch nichts in der Welt zu beschreiben. Sanft strich ich durch meine Haare und war mehr als froh, dass sie nun endlich wieder in ihrer natürlichen Farbe leuchteten. Es hatte mich wirklich einiges an Überwindung gekostet, sie für die Verkleidung zu färben und damit mein markantestes Merkmal abzulegen. Selbst Draco hatte sich das Grinsen nicht verkneifen können. Eine Missgunst, für die ich ihn zu gegebener Stunde noch würde bestrafen. Auf meine ganz eigene Methode.



Nachdem ich mich abgetrocknet hatte, kehrte ich nackt zurück ins Schlafzimmer und stellte mich, etwas unschlüssig, vor den Kleiderschrank. Es war nicht so, dass ich nicht wusste, was ich anziehen sollte. Im Gegenteil, ich hatte mehr als genug Kleidungsstücke, die noch dazu in allen erdenklichen Weisen miteinander kombiniert werden konnten. Aber irgendwie konnte ich mich heute nicht entscheiden, ob ich lieber etwas Lockeres und Legeres oder etwas Anmutiges und Edles anziehen sollte. Nach einigem hin und her entschied ich mich dann für ein einfaches, schwarzes Baumwollhemd, eine schwarze Leinenhose und farblich passende Schuhe. Zufrieden mit meinem äußeren Erscheinungsbild, knotete ich meine Haare noch zu einem Dutt zusammen und sprang dann die Treppe in die Eingangshalle hinab, in der mich bereits der köstliche Duft nach einem herrlichen Frühstück begrüßte. Der Frühstückstisch war bereits vollständig gedeckt und ein heißer Kaffee dampfte in einer Tasse gutriechend vor sich hin. Fröhlich pfeifend ließ ich mich auf meinem Stuhl nieder und griff nach dem Tagespropheten, der, sorgfältig zusammengerollt, neben meinem Teller lag, und schlug die erste Seite auf.





HERMINE GRANGER–EINE NYMPHOMANIN?



Gestern Abend fand in Hogwarts die alljährliche Halloween-Feier statt. Neben den üblichen, langweiligen Programmpunkten zog an diesem Abend vor allem unsere allseits bekannte Miss Granger erneut die Aufmerksamkeit auf sich–wie schon bei vielen Ereignissen zuvor. Die bereits in der Vergangenheit äußert freizügig aufgetretene Miss Granger konnte während der Feierlichkeiten mehr als unverblümt nah an der Seite eines Unbekannten ausgemacht werden, der durch sein Auftreten und die Wahl seines Kostümes die Aufmerksamkeit alles Anwesenden auf sich zog. Offensichtlich gehört der junge Draco Malfoy, mit dem sie in der Vergangenheit mehrmals öffentlich gesichtet wurde, nun auch schon wieder zu den enttäuschten Liebhabern der jungen Miss Granger und muss sich damit abfinden, dass sie wohl immer auf der Suche nach dem größtmöglichen Fang sein wird. Nach Viktor Krum und Ronald Weasley reiht sich nun auch Draco Malfoy in die Reihe der verschlissenen Männerbekanntschaften der jungen„Kriegsheldin"ein. Wie lange es dauern wird, bis sich auch ihre neueste Männerbekanntschaft, mit der sich Miss Granger beinahe vor aller Augen öffentlich vergnügt hätte, zu seinen Vorgängern gesellen darf, bleibt offen. Jedoch können wir davon ausgehen, dass es nicht allzu lange dauern wird.





Rita Kimmkorn






Wütend schlug ich die Zeitung zu und warf sie über den Tisch, wo sie, laut raschelnd, von der Kante segelte und zu Boden fiel. Wieso musste diese Hexe ständig alles schlecht machen, was mit Hermine zu tun hatte? Welchen Grund könnte sie haben, um Hermine in der gesamten Zaubererwelt auf so hinterhältige Weise schlecht zu machen? Viel interessanter war aber eigentlich, woher sie ihre Informationen hatte. Es war eigentlich unmöglich, auf dem Gelände von Hogwarts herumzuspionieren oder überhaupt erst Zugang zu erhalten, wenn man nicht gerade jemanden kannte, der einem die Erlaubnis dazu erteilte. Sie musste also, ähnlich wie ich, jemanden haben, der sie auf das Gelände ließ. Oder der ihr Informationen zuspielte, sodass sie dann ihre Lügenpresse über Hermine verbreiten konnte. Wenn ich diesen miesen, kleinen Verräter ausfindig gemacht hätte, würde er sein blaues Wunder erleben!



Noch immer aufgebracht griff ich nach der Kaffeetasse und stürzte den noch lauwarmen Inhalt in einem Zug hinunter. Missmutig lud ich mir ein Croissant auf den Teller und bestrich es großzügig mit Himbeermarmelade. Der Geschmack des süßen Teiggebäcks und der fruchtigen Marmelade steigerte meine Laune direkt um Einiges. Während ich genüsslich an meinem Croissant knabberte, dachte ich an den Rest des noch verbliebenen Tages, immerhin war es schon fast Mittag. Ich hatte vor, mich mit Draco zu treffen, um gemeinsam mit ihm zu überlegen, wie Bellatrix nach Hogwarts gekommen sein könnte. Normalerweise freute ich mich auf die häufiger gewordenen Treffen mit meinem Sohn, doch heute konnte ich auch gut darauf verzichten. Nach dem gestrigen Abend würde ich mir sicherlich einiges an belustigten Kommentaren anhören und seine spöttischen und zwinkernden Blicke ertragen müssen. Leicht seufzend klopfte ich mir die letzten Reste des Croissants vom Hemd und stand auf. Wenn ich nicht zu spät zu dem Treffen kommen wollte, musste ich mich beeilen. Hastig ging ich in die Eingangshalle, griff mir im Vorbeigehen meinen schweren Mantel und apparierte in die Londoner Innenstadt.



Mit einem wohligen Kribbeln in der Magengegend kam ich wenige Augenblicke später in einer wenig belebten Seitengasse Londons aus. Glücklich ließ ich die späte Vormittagsluft in meine Lungen strömen und atmete beherzt auf. Ich war mehr als erleichtert, dass das Apparieren so reibungslos funktioniert hatte. Offensichtlich trug die Nähe zu Hermine bereits die ersten Früchte und meine magischen Fähigkeiten begannen, sich zu regenerieren. Mit federndem Gang lief ich schnellen Schrittes durch die schmale Gasse und bog kurz darauf in die belebte Einkaufsstraße, in dem der Firmensitz meines Unternehmens war. Die Mittagssonne brannte trotz der fortgeschrittenen Jahreszeit erbarmungslos auf die Straßen hinunter und heizte sie ordentlich auf. Schwitzend öffnete ich die zahlreichen Knöpfe meines Mantels und bemerkte erleichtert die ersten Luftzüge, die meinen Oberkörper trafen und meinen Mantel nach hinten wehen ließen. Schmunzelnd registrierte ich, wie sich einige Leute, vor allem junge Frauen, tuschelnd und mit interessiertem Blick zu mir umdrehten und mir hinterhersahen. Ich kam nicht um her, mich über diese offensichtliche Wirkung meines Körpers zu freuen, setzte jedoch sofort eine geschäftliche Miene auf, als ich durch die schwere Glastür in die Eingangshalle des modernen Gebäudes trat.„Guten Tag, Mister Malfoy", begrüßte mich Miss Brinston hinter dem Tresen aus schwarzem Marmor. Ihre Haare waren zu einem strengen Dutt nach hinten geknotet und auch ihr restliches Auftreten zeugte von äußerster Disziplin und Ordnung. Eine faltenfreie, weiße Bluse steckte in einem grauen, enganliegenden Rock.„Guten Tag, Gabriella", begrüßte ich meine Empfangsdame und legte ihr einen Stapel Papiere auf den Tisch.„Diese Unterlagen müssten bitte noch heute rausgehen", wies ich sie an und Gabriella Brinston machte sich sofort daran, die Papiere ihrer Bestimmungsadresse nach zu sortieren.„Selbstverständlich, Mister Malfoy. Mister Malfoy Junior erwartet Sie bereits in Ihrem Büro, Sir", informierte sie mich und kramte einige Briefmarken aus einer Schublade hervor. Leicht lächelnd ließ ich sie mit den Papieren zurück und überwand die letzten Meter bis zu den vollständig verglasten Aufzügen. Gabriella Brinston gehörte zu den langjährigsten Mitarbeitern meines Unternehmens und ich schätzte sie wirklich sehr. Sie war deutlich zuverlässiger, als die zahlreichen Sekretärinnen, die sich bisher in ihrem Beruf versucht hatte. Die erfolgreichste von ihnen war bisher Miss Moneypenny gewesen. Und das auch nur mit mäßigem Erfolg. Die sanfte Stimme der Aufzug-Dame kündigte die Ankunft in der obersten Etage an und die Aufzugtüren öffneten sich leise surrend. Mit einem mürrischen Blick auf den leeren Stuhl im Vorzimmer meines Büros wurde mir bewusst, dass ich mich dringend um eine Nachfolgerin von Miss Moneypenny kümmern musste.



Energisch öffnete ich die Tür zu meinem Büro und schritt schnellen Schrittes hinein. Draco saß bereits, mit lässiger Körperhaltung und breit grinsend, auf meinem Schreibtischstuhl und drehte sich auf diesem um die eigene Achse.„Draco, runter von meinem Platz!", wies ich ihn zornig an. Ich hatte ohnehin wenig Lust auf die Konversation mit meinem Sohn und dass er nun auf meinem Platz saß, überspannte den Bogen.„Schon gut, schon gut", meinte Draco, breit grinsend, und hob beschwichtigend die Hände, bevor er sich langsam erhob, lässig um meinen Schreibtisch herumschlenderte und sich dann auf einen der Besuchersessel fallen ließ. Genervt warf ich meinen Mantel über die Lehne meines Schreibtischstuhls und setzte mich.„Nun, wie geht es dir, mein Sohn?", fragte ich, betont beiläufig, und rückte, scheinbar beschäftigt, einen Stapel Unterlagen grade.„Mir geht es gut, aber das interessiert dich ja nicht wirklich. Eigentlich willst du nur verhindern, dass ich dich frage, wie es dir geht", erwiderte Draco, schelmisch grinsend, und schlug die Beine übereinander.„Natürlich interessiert es mich, wie es meinem Sohn geht!", antwortete ich empört und versuchte, einen entrüsteten Blick aufzusetzen.„Also?", fragte Draco weiter, nachdem eine Weile keiner von uns ein Wort gesprochen hatte.„Gut", nuschelte ich leise und schlug hastig die oberste Mappe des Aktenstapels auf.„Bitte?", hakte Draco nach, obwohl er sicherlich genau verstanden hatte, was ich gesagt hatte.„Bei Merlin, es geht mir gut! So gut wie schon lange nicht mehr!", rief ich aufgebracht und mied Dracos Blick. Aus dem Augenwinkel registrierte ich, dass er amüsiert lächelte. Aber ich konnte auch etwas anderes in seinem Gesichtsausdruck erkennen. Eine Art... Erleichterung. Konnte es sein, dass mein Sohn erleichtert darüber war, dass es mir nach der Begegnung mit Hermine Granger körperlich wieder besser ging?„Ganz ehrlich, Vater, das freut mich", bestätigte Draco meine Vermutung und setzte sich aufrechter hin.„Im Moment glaubst du mir das vielleicht noch nicht, aber ich freue mich wirklich aufrichtig für dich, dass du und Hermine zueinander gefunden habt", setzte er nach und schaute mich mit ernstem Blick an. Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Es war so schwer vorstellbar, dass Draco keinerlei Einwände gegen eine Beziehung zwischen mir und Hermine hatte. Immerhin war sie kaum älter als er. Und trotzdem saß er nun hier, in meinem Büro, und sagte mir, dass er sich für mich freuen würde.„Das...weiß ich wirklich sehr zu schätzen. Danke, Draco", murmelte ich nach einer Weile etwas verlegen und räusperte mich dann schnell.„Hast du schon den Tagespropheten gelesen?", fragte Draco und beendete damit die unangenehme Situation. Augenblicklich verfinsterte sich meine Laune.„Zumindest die erste Seite", grummelte ich zornig und funkelte ihn schlecht gelaunt an.„Es ist eine Unverschämtheit, dass diese Kimmkorn immer noch für den Tagespropheten schreiben darf! Es wurde doch nun mehr als ein paarmal bewiesen, dass ihre Artikel nichts weiter als Lügen sind!", warf Draco aufgebracht in den Raum und ballte die Hände zu Fäusten.„Ach Draco, du kennst doch die Sensationsgelüste der Hexen und Zauberer. Denen ist es egal, ob die Hintergründe eines Artikels wahr sind. Hauptsache, es gibt genug Klatsch und Tratsch, über den sie sich dann austauschen können", erwiderte ich mit einer abwertenden Handbewegung.„Viel mehr würde mich eigentlich interessieren, wie sie an ihre Informationen kommt. Ich hatte schon die Vermutung, dass sie einen Informanten in Hogwarts hat", teilte ich Draco meine Annahme mit, der nachdenklich die Stirn runzelte.„Das würde zumindest Sinn ergeben. Immerhin wird sie kaum selbst durch das Schloss schleichen und darauf warten, dass irgendetwas Spannendes passiert. Allerdings würde mir auf die Schnelle niemand einfallen, dem ich so etwas zutrauen würde", griff Draco meinen Gedanken auf und spielte nachdenklich an seinem Ohrläppchen herum.„Ich werde mich mal umhören, vielleicht bekomme ich etwas raus", fügte er nach einer Weile hinzu und faltete die Hände im Schoß. Ich nickte anstelle einer Antwort und schaute nachdenklich an ihm vorbei aus dem Fenster, wo sich die Dächer von London in ihrer vollen Ausstrahlung präsentierten.„Verrätst du mir endlich, warum wir uns eigentlich treffen? Doch sicherlich nicht, weil du mich fragen wolltest, wie es mir geht", bohrte Draco weiter nach.„Bei Merlin, ist es denn so verwunderlich, wenn ich mich für meinen Sohn interessiere?", erwiderte ich erbost und bemerkte erst nach wenigen Augenblinken, dass Draco mir schelmisch zuzwinkerte.„Ich wollte mit dir gemeinsam überlegen, wie Bellatrix auf das Schlossgelände kommen konnte", setzte ich das Gespräch fort. Dracos Gesichtsausdruck wurde schlagartig ernst und er setzte sich aufrecht hin.„Zuerst dachte ich, dass es sicherlich nicht so viele Möglichkeiten geben kann, aber dann habe ich mir den Grundriss von Hogwarts angesehen", ich machte einen Schlenker mit meinem Zauberstab und ein goldenes Hologramm eines Modells von Hogwarts erschien über dem Schreibtisch,„es gibt sogar mehrere Wege, auf dem Bellatrix ins Schloss gelangt sein könnte. Allerdings setzen sie alle eine kleine, aber entscheidende Bedingung voraus". Ich stoppte und blickte nachdenklich zu Draco, der mich erwartungsvoll ansah.„Irgendjemand muss Bellatrix diesen Weg geschaffen haben. Es gibt einen Verräter auf Hogwarts", eröffnete ich. Draco sah mich aus schockgeweiteten Augen an.„Aber...das ist unmöglich! Das würde bedeuten... das würde bedeuten, dass es noch immer Todesser in Hogwarts geben würde!", brachte er stockend hervor und rutschte nervös auf seinem Sessel hin und her.„Es gibt keine andere Möglichkeit", stellte ich ärgerlich fest.„Irgendjemand in Hogwarts hat ihr die Befugnis erteilt, die starken Schutzzauber um das Schloss unbemerkt durchqueren zu können. Und niemand, der nur halbwegs bei Verstand ist oder nicht irgendetwas damit bezwecken würde, würde das tun. Jeder weiß, dass Hogwarts der sicherste Ort für junge Zauberer und Hexen ist und niemand, der nicht etwas Böses beabsichtigt, würden diesen Ort verraten oder zulassen, dass er etwas von seiner Sicherheit verliert", fügte ich grimmig hinzu und beobachtete nachdenklich, wie sich das goldene Hologramm langsam über dem Schreibtisch drehte.„Vielleicht gäbe es noch eine andere Möglichkeit...", setzte Draco nach einigen Minuten zögerlich an und knetete nervös seine Hände. Überrascht schaute ich ihn an.„Welche?", wollte ich von ihm wissen.„Nun ja, also, Severus hat da mal etwas erwähnt, wie man sich irgendwo hineinschleichen kann, ohne überhaupt wirklich da zu sein. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich verstanden habe...", druckste er herum und mied meinen Blick. Fragend hob ich eine Augenbraue.„Du sprichst von einer Illusion?", fragte ich nach und Draco hob überrascht den Blick.„Du kennst es?", erwiderte er perplex.„Nicht nur du warst mit der schwarzen Magie in Kontakt, mein Sohn. Aber ich hätte nicht gedacht, dass Severus dir etwas von diesem abtrünnigen Zweig der Magie erzählen würde. Es erfordert ein hohes Maß an Konzentration, übermäßig viel Energie und vor allem einen mehr als mächtigen Zauberer, um diesen Zauber perfekt auszuführen. Nur wenige sind in der Lage, ihn überhaupt ansatzweise zu wirken. Es würde mich ehrlich überraschen, wenn Beatrix zu so etwas in der Lage ist. Immerhin konnte die Version von Bellatrix auf dem Astronomieturm sogar Flüche aussprechen", fügte ich nachdenklich hinzu.„Aber es würde erklären, wieso sie ohne Weiteres wieder verschwunden ist! Die echte Bellatrix hätte sich doch niemals die Chance entgehen lassen, sich ein Duell mit dir oder Hermine zu liefern!", setzte Draco energisch nach und nahm wieder eine aufrechtere Sitzposition ein.„Es wäre zumindest eine Möglichkeit", gab ich zu und sah aus dem Augenwinkel, wie Draco sich etwas entspannte.„Das bedeutet aber nicht, dass es nicht trotzdem denkbar wäre, dass sie die Schutzzauber überwinden kann! Immerhin muss auch diese Illusion irgendwie auf das Gelände gekommen sein. Und außerdem würde ich es Bellatrix durchaus zutrauen, dass sie, wenn sie in der Lage ist, einen solch mächtigen Zauber zu wirken, auch andere Mittel hat, um sich unerlaubt Zutritt zu Hogwarts zu verschaffen", fuhr ich grübelnd fort und bedachte Draco mit einem nachdenklichen Seitenblick.„Du solltest Severus darüber informieren und ihn bitten, die Schutzzauber zu überprüfen und gegebenenfalls zu erneuern. Vielleicht besteht auch noch eine Möglichkeit, sie weiter zu verstärken", schlug er nach einigem Überlegen vor und schaute mich fragend an. Ich seufzte leise.„Eigentlich hatte ich nicht vor, Severus so bald schon wieder über den Weg zu laufen... Aber in Anbetracht der Umstände wird es sich wohl nicht vermeiden lassen", erwiderte ich ein wenig genervt.„Hast du Angst, dass er dir auf die Nase reibt, dass du dich mit einer seiner Schülerinnen vergnügst?", meinte Draco grinsend und ich warf ihm einen warnenden Blick zu.„Untersteh'dich, solche Gerüchte überhaupt erst in Umlauf zu bringen!", drohte ich ihm und versuchte, ihn böse anzufunkeln.„Von mir erfährt niemand ein Sterbenswörtchen. Aber glaubst du nicht, dass Hermine selbst es schon jemandem erzählt hat? Mit sicherlich doch Ginny und Potter, oder nicht?", führte Draco das Gespräch fort.„Dem Weasley-Mädchen hat sie es erzählt, aber Potter weiß noch nichts davon. Sie hat Angst vor seiner Reaktion", erzählte ich ihm. Draco hob überrascht eine Augenbraue.„Ich hätte schwören können, dass sie es ihm als erstes erzählt", gab er überrascht zu.„Aber vermutlich hat sie nicht ganz Unrecht, wenn sie meint, dass er wohl nicht gerade glücklich
darüber wäre. Wahrscheinlich würde er hinter dem Ganzen eine von langer Hand eingefädelter Intrige sehen", fügte er kurze Zeit später grinsend hinzu.„Genau das meinte Hermine auch", erwiderte ich lächelnd und ließ das Hologramm mit einem Schlenker meines Zauberstabes wieder verschwinden.„Wollen wir etwas essen gehen?", fragte ich Draco und erhob mich von meinem Stuhl.„Gerne, aber hast du nicht noch Arbeit, die erledigt werden muss?", antwortete Draco.„Das kann auch warten. Jetzt möchte ich einfach die Zeit nutzen und etwas mit meinem Sohn unternehmen", erklärte ich ihm und erntete einen verwunderten Blick von der Seite von ihm.„Ich muss mich erst noch daran gewöhnen, dass du dich jetzt offensichtlich mehr dafür interessierst, was ich so treibe", meinte er lachend und lief durch die Tür nach draußen auf den Flur. Kopfschüttelnd lief ich ihm hinterher und dachte im Stillen noch, dass er eigentlich gar nicht so Unrecht hatte. Ich war wirklich froh darüber, dass sich das Verhältnis zu meinem Sohn so zum Positiven gewandelt hatte, aber irgendwie musste ich mich auch selbst noch daran gewöhnen, dass wir jetzt so über private Dinge sprachen. Grinsend folgte ich meinem Sohn, der bereits mit langen Schritten auf die Einkaufsstraße gegangen war und dem die Blicke sämtlicher Frauen zu folgen schienen.





Hermines Sicht–in der Bibliothek



Ich war wirklich erleichtert darüber, dass ich Ginny alles erzählt hatte. Es war schön, sich mit jemandem über die wunderbaren Gefühle zu unterhalten, die gerade unentwegt durch meinen Körper strömten und mich zu dem glücklichsten Menschen auf Erden machten. Aber so sehr ich auch auf Wolke 7 schwebte, die Schulaufgaben erledigten sich nicht von alleine und ich musste auch noch für die anstehenden Prüfungen lernen. Deshalb saß ich nun alleine in der Bibliothek, umgeben von einem halben Dutzend Büchern für Kräuterkunde und Alte Runen. Direkt vor mir lagen zwei Rollen Pergament und ein schwarzer Federkiel. Ich genoss die Ruhe und die angenehme Arbeitsatmosphäre. Außer mir war kaum ein Schüler in der Bibliothek, die meisten waren vermutlich noch in ihren Betten oder den Gemeinschaftsräumen. Der liebliche Geruch von vergilbtem Pergament und dem Zahn der Zeit lag in der Luft und im Licht der Sonne, die durch die großen Fenster ins Innere strahlten, sah man die Staubkörner tanzen. Mit einem Lächeln strich ich sanft mit dem Finger über den alten, ledernen Einband der Ausgabe„Alte Runen–Die Wege zur Macht"und blätterte durch die vergilbten Seiten des Pergaments. Dann widmete ich mich dem Aufsatz von Professor Babbling über die Unterschiede den Runen„Ehwaz"und„Eihwaz".



Eine gute Stunde später klappte ich zufrieden das Buch zu und lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. Genüsslich räkelte ich mich auf der Sitzfläche und ließ zu, dass mich die Sonnenstrahlen auf der Nasenspitze kitzelten. Ich war wirklich so glücklich, dass ich es kaum in Worte fassen konnte. Doch jetzt musste ich mich erst noch meinem Aufsatz für Kräuterkunde widmen, bevor ich zusammen mit den anderen den Rest des Wochenendes genießen und unbeschwert an den vergangenen Abend zurückdenken konnte. Lächelnd beugte ich mich wieder über den schweren Eichenholztisch und schlug das Buch„Seltene Kräuter und Pflanzen und wo sie zu finden sind" auf der entsprechenden Seite auf. Gut gelaunt griff ich nach meinem Federkiel und begann, die komplexe Zeichnung der Belladonna auf das Pergament zu übertragen und es mit den entsprechenden Zeichnungen zu versehen. Tatsächlich konnte ich doch noch etwas die Müdigkeit der vergangenen, viel zu kurzen Nacht in den Knochen spüren. Überhaupt war es mir ein Rätsel, wie ich es geschafft hatte, in meiner Gemütsverfassung einzuschlafen. Immerhin war ich so aufgekratzt gewesen, dass ich es kaum geschafft hatte, zehn Sekunden still zu liegen, bevor ich mich wieder auf die andere Seite drehen musste. Doch anscheinend hatte die Müdigkeit irgendwann überhandgenommen.„Versuch'es mal auf Seite 387, da sind die Feinstrukturen besser zu erkennen", riss mich eine bekannte, männliche Stimme aus meinen Gedanken. Erschrocken fuhr ich hoch und starrte in Nevilles bleiches Gesicht, der mich schräg angrinste.„Neville, du hast mich zu Tode erschrocken!", fuhr ich ihn halb aufgebracht und halb belustigt an.„'tschuldigung", nuschelte Neville und legte den Kopf schräg, doch als er mein amüsiertes Lächeln sah, fing er sich wieder.„Danke für deine Hilfe", bedankte ich mich bei ihm und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.„Gerne, Hermine. Ich freue mich immer, wenn ich dir oder den anderen helfen kann", fuhr Neville stolz fort und senkte seine Stimme, als er Madam Pince'mit verärgertem Gesichtsausdruck zwischen den Regalreihen auftauchen sah.„Sag mal, Hermine", flüsterte er leise und rutschte auf den freien Stuhl neben mich.„Erzählst du mir, wer der mysteriöse Unbekannte gestern Abend war? Im ganzen Schloss gehen schon Gerüchte herum, aber irgendwie glaube ich nicht, dass irgendeins davon war ist", fragte er neugierig weiter und beugte sich zu mir herüber. Ich seufzte innerlich. Ich konnte ja verstehen, dass sich alle dafür interessierten, wer der Mann an meiner Seite war. Und ich hatte schon befürchtet, dass man mich in dieser Hinsicht nicht in Ruhe lassen würde oder zumindest so lange Gerüchte darüber aufstellen würde, bis ich mich vielleicht endlich dazu äußern würde. Aber im Moment verspürte ich eigentlich keine große Lust, irgendwelche Mutmaßungen zu bestätigen oder zu dementieren. Ich wollte mich an der Erinnerung an das Vergangene erfreuen und genießen, was ich erlebt hatte, ohne dass sich irgendjemand darüber das Maul zerriss, mit wem ich meine Zeit verbrachte.„Hör' zu, Neville. Ich habe jemanden kennengelernt, von dem ich glaube, dass er der Richtige ist. Aber im Moment möchte ich noch nicht weiter darauf eingehen und seine und unsere Privatsphäre schützen. Ich hoffe, dass du das verstehst und dich geduldest, bis ich oder bis wir dazu bereit sind, es öffentlich zu machen. Bis dahin musst du dich entweder auch an den Gerüchten beteiligen oder akzeptieren, dass es noch etwas dauern kann, bis ich mich dazu äußern werde", erklärte ich ihm und hoffte, dass meine Stimme nicht allzu abweisend und genervt klang. Neville sah mich mit einer Mischung aus Enttäuschung und Kränkung an.„Entschuldige bitte, ich wollte dir nicht zu nah treten. Ich bin nur neugierig", versuchte Neville sich zu rechtfertigen und rutschte ein Stück von mir weg.„Ist schon in Ordnung, Neville. Ich kann ja verstehen, dass du wissen willst, wer dieser Mann war und dass du dir eventuell vielleicht sogar Sorgen um mich machst, aber ich bin wirklich glücklich und möchte diese Zeit genießen. Und wenn ich soweit bin, werde ich euch alles erzählen", versuchte ich die Wogen wieder zu glätten und schenkte Neville ein schwaches Lächeln, das er nach kurzem Zögern vorsichtig erwiderte.„Ich werde auf den Moment warten", meinte er schräg grinsend und kratzte sich am Kopf.„Werden Sie nun endlich die Güte haben und den Mund halten?", hörte ich eine aufgebrachte Stimme hinter uns und wirbelte erschrocken herum. Auch Neville fuhr wie von der Tarantel gestochen herum und fiel dabei beinahe vom Stuhl. Schräg hinter uns stand Madam Pince, die Hände in die Hüfte gestemmt und mit einem mehr als verärgertem Blick in ihrem von harten Zügen geprägten, streng aussehendem Gesicht. Ihre Haltung duldete keinen Widerspruch oder ein Wort der Widersetzung. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte man meinen müssen, aus ihren Ohren würde leichter Rauch aufsteigen, so sehr schien sie hinter ihrer eiskalten und verärgerten Fassade über unsere Unverschämtheit, in der Bibliothek zu reden, zu kochen.„Bitte entschuldigen Sie unser Verhalten, Madam Pince. Wir werden leiser sein", versuchte ich sie zu beruhigen und schenkte ihr mein ehrlichstes Lächeln. Mit einem verärgerten Schnauben und nicht, ohne Neville und mich noch einmal mit einem strafenden Blick zu ermahnen, zog sie wieder von dannen.„Das war knapp", meinte Neville flüsternd und man sah ihm die Erleichterung wirklich an. Innerlich musste ich kurz die Augen verdrehen, Neville war offensichtlich nach wie vor immer noch ziemlich leicht einzuschüchtern und er vermied es tunlichst, auf irgendwelche Konfrontationen einzugehen. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und wandte mich wieder meinem Aufsatz zu. Neville neben mir tat es mir gleich und brachte konzentriert und mit zusammengepressten Lippen, zwischen denen seine Zungenspitze herauslugte, eine perfekte Zeichnung der Belladonna auf sein Pergament.„Du solltest Lehrer für Kräuterkunde werden", raunte ich ihm von der Seite zu. Neville errötete bis in die Haarspitzen und vermied es, mir ins Gesicht zu sehen.„Hatte ich eigentlich vor", nuschelte er kaum hörbar und kratzte beschämt mit seinem Federkiel auf dem Tisch herum.„Dann mach'das auch! Du hast wirklich Talent!", ermutigte ich ihn leise und konnte von der Seite sehen, wie Neville von einem Ohr zum anderen strahlte.



Wir arbeiteten noch eine ganze Weile nebeneinander her, ohne dass wir miteinander sprachen. Dann hatten wir beide unsere Aufsätze endlich beendet. Der Tag war schon weit vorangeschritten und weil ich auch erst nach dem Mittagessen in die Bibliothek gekommen war, war es nun schon wieder Zeit für das Abendessen. Ein leichtes Grummeln in der Magengegend verriet mir, dass es auch mal wieder an der Zeit war, etwas zu essen.„Ich bringe noch meine Sachen in den Schlafsaal. Sehen wir uns gleich beim Abendessen in der Großen Halle?", verabschiedete ich mich von Neville, der von seinem Buch aufsah, in das er vertieft war.„Ja, klar", antwortete er mir nur, bevor er sich wieder dem Buch widmete.„Dann bis gleich", verabschiedete ich mich kopfschüttelnd von ihm und verließ grinsend die Bibliothek. Auf dem Weg in meinen Schlafraum dachte ich darüber nach, wie ich in Zukunft darauf reagieren sollte, wenn mich jemand auf Lucius ansprechen sollte. Ich konnte nicht jedes Mal so unwirsch reagieren, wie bei Neville. Also musste ich mir eine Antwort zurechtlegen, die keine weiteren Fragen erlaubte und die mich trotzdem nicht zu sehr auf meine Aussage festzurren konnte. Ich schreckte erst aus meinen Gedanken hoch, als ich vor der Tür zu meinem Schlafsaal stand. Ohne darauf zu achten war ich den Weg zu meinem Schlafsaal wie im Traum gelaufen. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, ob ich auf meinem Weg dorthin jemandem über den Weg gelaufen war. Doch nun stand ich vor der schweren Holztür und musste für einen winzigen Augenblick angestrengt darüber nachdenken, wie mein Passwort lautete. Als es mir endlich eingefallen war, schwang die Holztür mit ihrem altbekannten Knarren langsam auf und gab den Weg in meinen Schlafsaal frei, in dem mich bereits ein prasselndes Kaminfeuer und eine glücklich zwitschernde Tiara begrüßten.„Hallo, meine Kleine", begrüßte ich sie lächelnd und streichelte ihr über den Kopf. Tiara quietschte zufrieden und reckte sich meiner Liebkosung entgegen.„Ich hoffe, du hattest einen schönen Tag. Ich bin jedenfalls ziemlich müde und würde mich am Liebsten direkt hinlegen", erzählte ich ihr und Tiara sah mich mit schräg gelegtem Kopf fast schon nachdenklich an.„Du hast Recht. Eigentlich könnte ich mich wirklich noch ein wenig hinlegen und ein kleines Nickerchen machen und später zum Abendessen gehen". Tiara schlug wie zur Bestätigung mit ihren Flügeln und ich musste unwillkürlich grinsen. Schnell legte ich meine Schulsachen auf meinen Schreibtisch und schälte mich aus meiner Kleidung und zog mir Boxershorts und ein dünnes Top. Dann schlüpfte ich unter die warme Decke, die ich mir bis unter die Nasenspitze zog. Kaum berührte mein Kopf das weiche Kissen, war ich auch schon eingeschlafen.





Ich hatte keine Ahnung, wo ich war. Es war kalt, stockfinster und ein modriger, abgestandener Gestank kroch mit in die Nase. Vorsichtig tastete ich mich den düsteren Gang weiter entlang. Die Wände waren nass und glitschig und irgendwo hörte ich Wasser auf den kalten Steinfußboden platschen. Das Geräusch hallte merkwürdig wider und wirkte ziemlich monoton. Plötzlich hörte ich vor mir ein einen furchtbaren, schmerzerfüllten Schrei, gepaart mit einem überaus gehässigen Lachen. Für einen kurzen Augenblick blieb ich stehen und lauschte dem Nachhallen dieser Geräusche. Doch irgendetwas zog mich in die Richtung, aus der der markerschütternde Schrei gekommen war. Langsam tastete ich mich an der Wand weiter nach vorne, bis meine Hände eine Kante zu fassen bekamen, an der der Gang offensichtlich abbog. Vorsichtig lugte ich um die Ecke. Der Korridor war von einer einzelnen, schwach lodernden Fackel erleuchtet und das Flackern des Feuers verursachte merkwürdige Schatten auf dem Boden und an den Wänden. Das spärliche Licht spiegelte sich in einigen Pfützen auf dem Boden wider, in die das Wasser tropfte, das ich schon vorhin gehört hatte. Plötzlich trat wie aus dem Nichts ein weiteres, viel zu helles Licht auf, dass mich erschrocken zurück stolpern ließ, sodass ich mit dem Rücken gegen die Wand stieß. Erneut wurde der Gang von einem markerschütternden Schrei erfüllt, diesmal jedoch um einiges lauter. Ich kannte diese Stimme irgendwo her. Vorsichtig wagte ich mich in den Korridor vor und drückte mich dabei so eng an die Wand, wie es mir möglich war. Je weiter ich vordrang, desto mehr Details konnte ich erkennen. Vor einer schweren, dunklen Holztür lag eine zusammengekrümmte Person auf dem Rücken, die sich offensichtlich unter starken Schmerzen wand und kaum hörbar wimmerte. Direkt über ihr stand eine weitere Person, die komplett in ein dunkles Gewand gehüllt war und sich gerade über den am Boden liegenden Körper beugte. Unter der Kapuze fielen einzelne, wilde Haarsträhnen hervor und der grazile Körperbau, der sich unter dem Gewand erahnen ließ, ließ auf eine Frau als Angreifer vermuten. Plötzlich richtete sich sie sich wieder auf und ich hielt erschrocken den Atem an. Ich spürte mein Herz wie wild in meiner Brust schlagen und war davon überzeugt, dass man es hören konnte.„Ich hatte mich schon gefragt, wann du hier auftauchen würdest, du dreckiges Schlammblut", schrie mir Bellatrix kreischend entgegen und riss ihren Zauberstab nach oben. Geschockt stand ich ihr gegenüber, unfähig, etwas zu unternehmen.„Es ist an der Zeit, dass du den anderen Verrätern Gesellschaft leistest", fuhr sie gackernd fort und deutete mit der Spitze ihres Zauberstabes auf mich. Noch immer konnte ich mich nicht rühren, obwohl ich wusste, was jetzt kam.„AVADA KEDAVRA!", brüllte sie und ein grüner Blitz schoss aus ihrem Zauberstab direkt auf mich zu. Dann wurde es dunkel.





Panisch riss ich die Augen auf und schnappte nach Luft. Hastig strampelte ich mich aus der Decke frei, sprang vom Bett und stürzte auf eines der Fenster zu, das ich sogleich aufriss. Die kühle Abendluft, die mir entgegenschlug, traf auf mein erhitztes und mit Schweiß bedecktes Gesicht und holte mich zurück in die Realität. Ich zitterte. Ob wegen der Kälte oder wegen des Traumes war mir nicht bewusst, aber ich konnte mich kaum auf den Beinen halten. Die Narbe auf meiner Brust brannte wie Feuer und ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. War das gerade wirklich nur ein Traum gewesen oder konnte es sein, dass ich nun ähnliche Visionen hatte wie Harry damals, als Arthur von Nagini angegriffen worden war? Mein Herz raste noch immer und meine Atmung war mehr als beschleunigt. Mehr nebenbei bemerkte ich, wie jemand die Tür zu meinem Schlafsaal aufriss und mich jemand grob an den Schultern packte.„Hermine, was ist passiert?", fragte Draco mich aufgebracht und drehte mich mit einer sanften, aber bestimmten Handbewegung zu sich herum. Panisch sah ich ihm in die blaugrauen Augen, die mich besorgt musterten.„Draco...was...", stotterte ich und bemerkte erst jetzt, dass ich immer noch unkontrolliert zitterte.„Was ist passiert, Hermine? War irgendjemand hier? Hat dich jemand bedroht?", fuhr Draco weiter fort und sah sich aufmerksam um.„Nein...ich...sie...ich hatte einen Albtraum", brachte ich unkontrolliert hervor und erbebte in Dracos Händen.„Hey, hey, hey, es ist alles gut", versuchte Draco mich zu beruhigen und sah mir aufmunternd in die Augen.„Du musst doch frieren", stellte er nüchtern fest und musterte meine Boxershorts und das dünne Top, das ich trug, während er eilig das Fenster schloss. Dann setzte er sich auf die Bettkannte, zog mich neben sich auf die Matratze und legte mir die Bettdecke um die Schultern, bevor er mich zu sich in die Arme zog.„Es ist alles gut...", wiederholte er leise, während er mir vorsichtig über den Rücken strich und das Zittern langsam abebbte. Allmählich konnte ich mich beruhigen und wieder normal atmen.„Woher wusstest du, dass etwas nicht stimmt?", fragte ich ihn nach einer Weile, indem wir einfach nur so dasaßen und er mich in seinen Armen hielt.„Ich war mit Vater essen und plötzlich hat er sich an die Brust gefasst und meinte, dass seine Narbe fürchterlich brennen würde. Er hat direkt das Schlimmste befürchtet, also bin ich hierher appariert, um zu gucken, ob mit dir alles in Ordnung ist", erklärte er mir und ich sah ihn nachdenklich an. Konnte es wirklich sein, dass der andere spürte, wenn es einem nicht gut ging? Gab es so etwas?„Zum Glück war es ja nur ein Albtraum", meinte ich lächelnd und löste mich vorsichtig aus seiner Umarmung. Draco nickte nur und ließ einen Arm auf meinen Schultern liegen.„Erzählst du mir, wovon du geträumt hast?", fragte er dann. Seine wachen Augen blickten mich direkt an undich schilderte ihm meinen Traum.

„Sicherlich versucht dein Gehirn nur irgendwie die Ereignisse von gestern Abend zu verarbeiten", versuchte er mich aufzumuntern und lächelte mich liebevoll von der Seite an.„Ich sollte Vater informieren, dass alles in Ordnung ist", meinte er nach einer Weile und schaute mich nachdenklich an.„Kann ich dich wieder alleine lassen?", fragte er besorgt und musterte mich.„Ja, natürlich. Es ist alles in Ordnung. Danke für eine Hilfe, Draco", erwiderte ich lächelnd.„Sehen wir uns noch zum Abendessen? Noch ist eine halbe Stunde Zeit", erwiderte er, ohne auf meine Aussage einzugehen und wandte sich zur Tür.„Ja, ich gehe nur noch schnell duschen", antwortete ich ihm und Draco zog, nickend, die Tür hinter sich ins Schloss. Als er draußen war, atmete ich tief durch und schlug die Decke von meinem Körper weg. Das Top klebte schweißnass an meinem Körper und auch einige Haarsträhnen pappten unangenehm in meinem Gesicht und Nacken fest. Eilig befreite ich mich aus den feuchten Klamotten und huschte unter die Dusche. Das warme Wasser auf meinem angespannten Körper war eine wahre Wohltat. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zeit für das Abendessen bald zu Ende war, trocknete ich mich magisch ab und band anschließend meine Haare zu einem einfachen Pferdeschwanz zusammen. Dann schlüpfte ich in eine Jeans, Turnschuhe, ein einfaches T-Shirt und lief den Weg zur Großen Halle im Laufschritt hinunter.



In der Großen Halle waren kaum noch Schüler, die meisten waren vermutlich schon mit dem Essen fertig und zurück in ihre Schlafsäle gegangen. Ich erkannte Draco, der bei uns am Gryffindortisch saß, was von einigen anderen Schülern mit einer Mischung aus Unglauben, Misstrauen und Hass kritisch beäugt wurde. Harry und Ginny saßen ihm gegenüber und schienen sich offensichtlich mit ihm zu unterhalten. Etwas zögerlich ging ich auf die drei zu. Ich hatte Harry seit gestern Abend nicht mehr gesehen und hatte ehrlich gesagt keine Lust, mich mit ihm darüber zu unterhalten.„Hallo", begrüßte ich sie und ließ mich neben Draco auf die Bank fallen. Ginny strahlte von einem Ohr zum anderen und sogar Harry ließ sich zu einem kleinen Lächeln hinreißen. Offensichtlich hatte er endlich akzeptiert, dass Draco mein Freund war und auch mit mir am Tisch saß.„Was hast du den ganzen Tag gemacht, Hermine? Wir haben dich im Gemeinschaftsraum vermisst", richtete Harry das Wort an mich.„Ich war in der Bibliothek", gab ich grinsend zu und Harry verdrehte die Augen.„Du solltest dir mal ein Beispiel an ihr nehmen, mein Lieber", meinte Ginny vorwurfsvoll und stieß ihm grinsend einen Ellenbogen in die Seite. Harry schnaubte empört und schnappte aus Spaß mit den Zähnen nach Ginnys Ohrläppchen, sodass die belustigt quietschte.„Nehmt euch ein Zimmer", bemerkte Draco genervt, grinste aber schräg. Amüsiert beobachtete ich die drei, bis ich mich dem Teller vor mir widmete, den ich mir in der Zwischenzeit mit einigen Köstlichkeiten vollgeladen hatte. Während ich genüsslich auf einem Toast kaute, musste ich daran denken, was Lucius wohl gerade tat. Es war mir immer noch unvorstellbar, dass wir offensichtlich eine so starke Verbindung hatten, dass wir spüren konnte, wenn es dem anderen nicht gut ging. Wie gerne würde ich ihn jetzt sehen und ihm selbst sagen, dass mit mir alles in Ordnung war. Es war kaum zu glauben, dass es noch nicht einmal einen Tag her war, dass ich ihn das letzte Mal gesehen hatte und das Gefühl des Vermissens jetzt schon übermächtig war. Ich war einfach Hals über Kopf in ihn verliebt und sehnte mich jetzt schon unserem Wiedersehen entgegen. Etwas, das gegen meine Hand stieß, holte mich in die Gegenwart zurück. Es war ein Brief, den Draco mir heimlich, ohne sein Gespräch mit Harry über Quidditch zu unterbrechen, unter dem Tisch zusteckte. Neugierig griff ich nach dem schweren Umschlag und verstaute ihn in der Hosentasche. Ich aß noch zwei Kürbispasteten und trank meine Tasse lauwarmen Kamillentees leer, bevor ich mich von den anderen verabschiedete, um zurück in meinen Schlafsaal zu gehen. Ich konnte es kaum erwarten, den Brief zu lesen, der ganz sicher von Lucius sein musste. Auf dem Weg zurück dachte ich darüber nach, was Lucius mir wohl am nächsten Samstag zeigen wollte. Die Auswahl schien endlos zu sein, wenn man bedachte, welchen Einfluss und welche Möglichkeiten er hatte und einsetzen konnte. Also würde ich mich wohl gezwungenermaßen bis zum Wochenende gedulden müssen und die Zeit bis dahin irgendwie überbrücken. Ich freute mich jetzt schon unglaublich, endlich wieder Zeit mit ihm verbringen zu können. Als ich endlich in meinem Schlafsaal angekommen war, ließ ich mich direkt wieder aufs Bett fallen und riss den Briefumschlag auf. Der wohlbekannte Duft von Flieder stieg mir sofort wieder in die Nase und ich atmete ihn begeistert ein. Dann begann ich, das feine Pergament auseinanderzufalten und den Brief zu lesen.





Liebste Hermine,




Draco hat mir erzählt, was passiert ist und versucht, mir zu versichern, dass mit dir alles in Ordnung ist. Was würde ich dafür geben, um nun bei dir zu sein und mich selbst davon zu überzeugen! Doch ich werde wohl auf die Worte meines Sohnes vertrauen und mich bis zum nächsten Samstag gedulden müssen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie erleichtert ich war, als Draco nach endlosen Minuten endlich wieder zu mir zurückkehrte und mir berichtete, dass es dir gut gehe.



Um dich nicht unnötig zu beunruhigen lasse ich dich jetzt schon wissen, dass ich nächste Woche zwei dringende Termine habe, die sich leider nicht aufschieben lassen. Es kann also sein, dass sich meine Antworten deine Briefe betreffend verzögern werden, auch wenn ich versuchen werde, dir immer sofort zu antworten. Nichts liegt mir ferner, als dich warten zu lassen, liebste Hermine.



Ich hoffe sehr, dass dich der Unterricht und Tiara bis zu unserem erneuten Zusammentreffen zumindest einigermaßen ablenken können. Ich für meinen Teil kann es jedenfalls nicht erwarten, bis ich dich endlich wiedersehe und in den Armen halten kann. Schon jetzt kann ich mich kaum auf etwas anderes konzentrieren, als auf dich.



In Liebe,



Lucius





Es war ein ungewohntes Gefühl, nun endlich seinen Namen unter dem Brief stehen zu sehen. Aber irgendwie war es auch ein schönes Gefühl. Es hatte etwas Endgültiges. Die Gewissheit, dass hinter allem nun mehr stand als ein einzelner Buchstabe. Lächelnd legte ich den Brief zur Seite und genoss das wohlige Kribbeln, das nur meinen Körper kroch und jede meiner Zellen zu erfüllen schien. Ich war mehr als nur glücklich. Um irgendwie wieder zur Ruhe zu kommen, griff ich nach dem Buch auf meinem Nachttisch und schlug es auf.







Mitteleuropa, Winter 1578

Tagebucheintrag von Ursula Gamoria





Nun sind wir schon beinahe zwei Wochen unterwegs. Unsere Vorräte neigen sich dem Ende entgegen und noch immer ist das Ziel nicht in Sicht. Es ist so unvorstellbar kalt, dass ich mich kaum noch traue, die Augen zu schließen, aus Angst, nie wieder aufzuwachen. Gestern haben wir einen weiteren Mitreisenden verloren. Er ist vor Erschöpfung zusammengebrochen und nicht wieder aufgestanden. Zwei weitere Männer versuchten noch, ihn wieder auf die Beine zu stellen, aber es war zu spät. Wir haben ihn begraben, wie auch den ersten Mann, den wir während unserer Reise verloren haben.



Die Stimmung innerhalb der Gruppe sinkt immer weiter. Nicht nur, dass wir nun schon den Zweiten aus unserer Gruppe verloren haben, auch die starke Rationierung der noch vorhandenen Nahrungsmittel belastet uns alle. Die Böden sind gefroren und wir finden kaum etwas Nahrhaftes in den Wäldern. Wenn wir nicht bald etwas Essbares finden, werden noch weitere von uns an den Folgen des Hungers sterben.



Unser Anführer sagt, dass es noch drei weitere Wochen dauern wird, bis wir endlich an den Booten ankommen und mit ihnen unseren Weg in die Freiheit bestreiten werden. Ich weiß nicht, ob ich es bis dahin schaffen werde. Aber der Gedanke an ein Leben in Sicherheit und ohne verfolgt zu werden, lässt mich stark bleiben.

The curse between themWhere stories live. Discover now