Die Antwort auf alle Fragen?

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Hallöchen :)

Da ihr auf das letzte Kapitel etwas länger warten musstest kommt heute die Entschädigung und das nächste etwas früher.

Bei diesem Kapitel wären uns eure Meinungen äußerst wichtig, also hinterlasst mir doch gerne einen Kommentar :)

Und nun viel Spaß beim lesen!








Lucius' Sicht – zur gleichen Zeit, in einer düsteren Ecke der Nokturngasse


Selbst in der Dunkelheit wirkten Cox' Augen so abgrundtief bedrohlich, dass jeder andere die Flucht ergriffen hätte. Ich allerdings sah in den grau-grünen Tiefen, die vor Überzeugung und Tatendrang verräterisch glänzten, die einmalige Gelegenheit, mit ihm abzurechnen. Schon als ich in die Nokturngasse appariert war und Draco blutüberströmt in diesen Teil einer unbelebten Gasse gezerrt hatte, war mir klar gewesen, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber erst als seine hagere Gestalt im Dämmerlicht aufgetaucht war, war es mir aufgefallen. Es war zu ruhig gewesen. Selbst in den hintersten Teilen der Nokturngasse trieben sich für gewöhnlich zwielichtige Gestalten herum. Das finstere Lächeln, mit dem er sich im einzigen Durchgang aufgestellt hatte, sprach für sich. Er hatte geplant, dass niemand außer uns in dieser Gasse sein würde. Niemand, der eingreifen konnte. Und niemand, der bezeugen würde, was sich hier abspielte. Seine Haltung war locker, beinahe entspannt. Nichts an seinem Auftreten verriet, dass er sich vor der bevorstehenden Auseinandersetzung fürchtete. Dass es dazu kommen würde, verriet sein Gesichtsausdruck. Der so neutral und doch so siegessicher wirkte, dass selbst Severus seine Schwierigkeiten gehabt hätte, in ihm die wahren Beweggründe dieses überaus gefährlichen Mannes zu erkennen. Bedrohlich, das war er zweifellos. Und zu meinem Bedauern konnte ich ihm auch eine gewisse Intelligenz nicht aberkennen. Er war ein Mann der Taten, nicht der Worte. Und er würde mit Sicherheit keine Zeit mit Reden verschwenden, sondern direkt zur Konfrontation übergehen.

Ruhig, hoch konzentriert, richtete ich den Zauberstab auf den Mann, der sich in mein Leben geschlichen und es beinahe zerstört hatte. Die Geräusche des Kampfes, der noch immer in vollem Gang war, traten in den Hintergrund. „Wieso wundert es mich nicht, Sie ausgerechnet hier zu treffen, Mister Malfoy?" Selbst in den verwerflichsten Situationen brachte es dieser Bastard fertig, höflich zu sein. Statt einer Antwort knurrte ich ihn an und machte einen Schritt zur Seite. Ich stand nun genau zwischen ihm und Draco, der noch immer ohnmächtig an der Wand lehnte. „Was werden Sie jetzt machen, so ganz ohne Hilfe? Nur Sie und ich und niemand sonst". Er schlenderte, eine Hand lässig in der Tasche vergraben, einige Schritte auf mich zu. „Sehen Sie, es ist doch ganz einfach. Sie werden mir verraten, wo Miss Granger ist und vielleicht werde ich Sie und Ihren unnützen Sohn dann am Leben lassen. Ansonsten", er blitzte mich aus wachen Augen an. „werden Sie heute sterben und ich werde mich danach wieder Ihrer Muse annehmen und fortsetzen, worin ich so rüde unterbrochen wurde". Er atmete tief ein und aus. „Ich werde ihr immer wieder zeigen, wie schwach Sie in den letzten Momenten Ihres Lebens waren, Mister Malfoy. Ich werde ihr zeigen, wie ich ihr das Liebste in ihrem Leben genommen habe und es ist ganz einfach. Der Duft ihrer Angst wird unbeschreiblich sein". Er legte den Kopf in den Nacken als würde er in der Luft schnuppern. „Sie haben Recht, wenn Sie sagen, dass es nur Sie und ich sind, Cox". Ich hatte endlich meine Sprache wiedergefunden und baute mich vor ihm auf. Seine Worte hatten mich wachgerüttelt. „Aber Sie irren, wenn Sie denken, dass ich heute Nacht sterben werde" – „Tatsächlich?", unterbrach er mich, scheinbar ehrlich interessiert. „Erklären Sie mir das".
„Es ist so einfach, dass sogar Sie es verstehen müssten, Cox". Ich lächelte ihn süßlich an, doch auch Cox ließ ein schmallippiges Grinsen erkennen. „Nicht ich werde heute Nacht sterben, sondern Sie. Langsam, qualvoll und voller Schmerzen. Und ich werde es sein, der Sie von ihrem schandhaften Leben befreit!". Die kalte Wut meiner Worte war beinahe greifbar. „Da ist er ja endlich, der wahre Lucius Malfoy!" Cox schnalzte belustigt mit der Zunge. „Endlich habe ich den Todesser und Mörder vor mir, der seinerzeit angeblich die rechte Hand des dunklen Lords war! Wie ist das, Malfoy, werden da alte Erinnerungen wach? Riechen Sie das Verlangen des Tötens und der Gewalt wieder?" Er bleckte die Zähne und fuchtelte mit dem Zauberstab vor meinem Gesicht herum. „Das einzige, was ich hier rieche, ist Ihr furchtbarer Gestank und die letzten Minuten Ihres kümmerlichen Lebens, die Ihrem Körper entweichen!" Er hatte einen wunden Punkt getroffen und ich war bereit, den Kampf aufzunehmen. Ich wusste, dass er nur darauf wartete. Sobald ich den ersten Fluch abgegeben hätte, könnte auch er loslegen. Und niemand würde hinterher Fragen stellen. Ich hätte den Leiter der Aurorenzentrale angegriffen, in einer der dunkelsten Ecken der Nokturngasse. Und mein Tod wäre nichts weiter als eine Notwendigkeit im Überlebenskampf dieses Mannes gewesen. Aber so leicht wollte ich es ihm nicht machen. „Wie können Sie es wagen...!?" – „Was?", fragte ich grinsend. Nun war es an mir, auf der überlegenen Seite zu sein. Zum ersten Mal konnte ich so etwas wie Wut in Cox' Gesicht erkennen. Doch genauso schnell, wie dieser Ausdruck gekommen war, verschwand er auch wieder und wich einer absolut undurchsichtigen Maske, die selbst Severus neidisch gemacht hätte. „Nun, Sie haben es nicht anders gewollt". Er zuckte gleichgültig mit den Schultern und hob den Zauberstab. „Dann werden Sie eben heute sterben".

Die nächsten Minuten waren getränkt vom angestrengten Keuchen und den umherschwirrenden Flüchen, die wir uns gnadenlos zuwarfen. Zum ersten Mal begrüßte ich den Umstand, jahrelang die rechte Hand des dunklen Lords gewesen zu sein. Cox war ein ernstzunehmender Gegner, der in Erfahrung, Geschick und Fingerfertigkeit kaum besser hätte sein können. Seine Ausdauer und seine Konzentration waren bemerkenswert und nicht selten hätte er mich in einem unbedachten Augenblick beinahe in die Knie gezwungen. Der Gedanke an Hermine und meinen Sohn, die sich beide auf mich verließen, ließ mich weiterkämpfen. Niemals würde ich mich freiwillig geschlagen geben und es akzeptieren, dass mich dieser Mistkerl besiegte. Die Luft war geschwängert vom Schweiß und unseren verbissenen Gemütern, die es nicht zuließen, dass sich einer dem anderen ergab. „Wo ist Ihr Biss, Malfoy? Sind Sie etwa weich geworden?" Gehässig baute er sich vor mir auf. Auch wenn sich seine Brust hob und senkte, verriet nichts, dass er noch bis vor wenigen Augenblicken mitten in einem kräftezehrenden Gefecht gesteckt hatte. Mir steckte das andauernde Gefecht in den Knochen und ich spürte, dass ich müder wurde. Mein Gegenüber schien sich in Siegessicherheit zu wiegen, die funkelnden Augen bedrohlich auf mich gerichtet. Ich konnte das Blut in meinen Ohren rauschen hören, die Lippen aufeinandergepresst und den Zauberstab fest umklammert. „Immerhin habe ich den Blick auf das Wesentliche nicht verloren", erwiderte ich vorahnungsvoll und bevor Cox nachfragen konnte, was ich damit meinte, war er auch schon auf dem schmierigen Etwas ausgerutscht, das sich als klebrige Lache um einen Ausguss im Boden herum gebildet hatte. Noch während er taumelnd versuchte, das Gleichgewicht wiederzuerlangen, holte ich zu einem weiteren Schlag aus. Mein Fluch traf ihn ungeschützt und nur, weil er genau in diesem Moment zur Seite ruderte, traf ich nur den Oberschenkel. Blut spritzte in alle Richtungen und ich konnte ein scharfes Zischen hören. Graham Cox wurde eine Nuance blasser, bevor er sich wieder aufrappelte und den Zauberstab erneut hörte. „Ist das alles, was Sie draufhaben?" Seine Tonlage war fast schon enttäuscht. Während er sich mit einer Hand die Wunde am Bein abdrückte, richtete er die andere mit dem Zauberstab zielsicher auf mich. „Ich hätte mehr von Ihnen erwartet". Wie zur Unterstützung seiner Worte zischte plötzlich ein grüner Lichtstrahl nur knapp an meinem Ohr vorbei. Die Gewissheit, dass der Leiter der Aurorenzentrale des Ministeriums auf die unverzeihlichen Flüche zurückgriff, war beinahe schockierender als das Faktum, dass ich seinen Angriff nur um Haaresbreite überlebt hatte. Als hätte ich ihn mit meiner Offensive enttäuscht, holte er nun zu einem Gegenschlag aus, der in Intensität und Brutalität alles übertraf, was ich jemals zuvor erlebt hatte. Wie Pfeile schossen die Flüche auf mich zu, die er nur noch murmelte und kaum noch sprach. Ein Feuerwerk aus tausend Farben erhellte die Dunkelheit und das Geräusch klirrender und zischender Explosionen fehlgeleiteter Zauber durchbrach die Stille, die uns umgeben hatte. Es war, als würde er seine gesamte angestaute Wut mit einer einzigen Handbewegung auf mich entladen. Flüche unbekannten Ausmaßes trafen mich, Zauber uralter Magier und Sprüche längst vergessener Zeiten. Im Bruchteil einer Sekunde, den ich darauf verschwendet hatte, mit meinem Fuß nach sicherem Halt auf dem holprigen Pflaster der Straße zu suchen, traf mich ein grellgelber Lichtblitz. Eisige Kälte umspülte meine Seite, gepaart mit dem stechenden Schmerz und der pulsierenden Wahrheit einer ernsthaften Verletzung. Ich bestrafte die Unachtsamkeit, mit der er auf mein Straucheln reagierte, mit einem gehauchten Sectumsempra und hörte Cox Haut und Kleidung reißen. Sein Atem wurde hörbar schwerer, doch noch stand er aufrecht und funkelte mich zorngetränkt an. „Geben Sie auf, Malfoy! Sie haben verloren!" Er spuckte einen Schwall Blut auf die Straße und wischte sich den Mund mit dem Ärmel seines Umhangs ab. „Ich stehe zu meinem Wort, dass Sie diese Gasse nicht mehr lebend verlassen!" Mühsam hatte ich mich wieder aufgerappelt und richtete den Zauberstab auf ihn. Cox hielt sich die Seite, Blut tropfte auf das Pflaster der Straße und verschmolz mit der Dunkelheit. „Auch gut", knurrte er emotionslos. Im nächsten Moment brach der Balkon direkt über meinem Kopf mit einem wortlos gemurmelten Bombarda ab und Tonnen von Gestein und Geröll stürzten über mir zusammen. Begraben und einem schweren Holzbalken und Schutt, konnte ich kaum noch atmen. Jeder Atemzug schmerzte und ich spürte, dass sich etwas Spitzes in meinen Brustkorb bohrte. Sein unbewegtes Gesicht tauchte über mir auf, blutverschmiert und nur von der entstellenden Narbe zu einer Regung verzerrt. „Denken Sie immer daran", er ging neben mir in die Hocke, die klaffende Wunde auf seiner Brust scheinbar vergessend, „dass ich nach Ihrem Ableben heute gut für Ihre kleine Muse sorgen werde". Niemals wieder würde ich den Anblick seiner Augen vergessen, die mich mit einer solchen Intensität anzusehen schienen, wie es mir noch niemals vorher passiert war. „Und denken Sie immer daran", ich versuchte mich etwas unter dem Schutt zu befreien und japste erleichtert, als Luft in meine schmerzenden Lungen strömte, „dass ein Malfoy zu seinem Wort steht". Ich sah ihm tief in die Augen. „Avada Kedavra".

Nicht einmal während er starb regte sich etwas in Cox' Gesicht. Ungerührt brach er neben mir zusammen, sodass ich dabei zusehen konnte, wie die Macht der grau-grünen Augen langsam der Leere und Kälte des Todes wich. Der schauerliche Anblick seines Körpers erinnerte mich daran, dass Draco noch immer nicht über den Berg war und wir unbedingt hier verschwinden mussten. Stöhnend und unter Aufbringung all' meiner Kräfte stemmte ich den schweren Holzbalken los. Das restliche Geröll konnte ich mit einem nonverbalen Wingardium Leviosa zur Seite räumen. Meine Lunge schrie nach Luft und ich kam dieser Bitte keuchend nach. Stöhnend kroch ich zu meinem immer noch bewusstlosen Sohn.

Plötzlich brach auch der Tumult der anderen Gefechte wieder zu mir durch. Noch immer tobte der Kampf zwischen Auroren und Mördern, mittlerweile beleuchtet von den meterhohen Flammen des Feuers, das beinahe die gesamte Nokturngasse ergriffen hatte. Lichterloh brannten Spelunken, Geschäfte und Kneipen. Zersetzt wurde das lodernde Feuer durch das sekundenlange Aufflackern umherfliegender Flüche, bevor diese ihr Ziel oder ein Hindernis trafen und krachend daran explodierten. Mein Blick fiel auf den zusammengesunkenen Körper des wohl einflussreichsten Aurors unter Kingsley Shacklebolt. Selbst im Tod wirkte sein Anblick noch bedrohlich und ich drehte mich schnell wieder zu Draco um, der viel zu blass an der Wand lehnte. Meine eigenen Wunden notdürftig versorgend, untersuchte ich die Verletzung an Dracos Arm. Sie hatte aufgehört zu bluten, doch noch immer klaffte sie erschreckend tief vor mir auf. Ein weiteres Mal bedankte ich mich stillschweigend bei Severus, der so beharrlich darauf bestanden hatte, mir einige Heilzauber beizubringen. Jetzt dankte ich Merlin für seine Hartnäckigkeit und die vielen Stunden, die ich bei ihm im Labor verbracht hatte. Während sich die Wunde an Dracos Arm langsam verschloss, beförderte ich mit klammen Fingern eine Phiole von Severus' stärkstem Blutbildungstrank an die Oberfläche und flößte ihn Draco in kleinen Schlucken ein. Allmählich kehrte Farbe in sein Gesicht zurück und die vorher noch bleichen Lippen färbten sich wieder rosig.

„Anscheinend bin ich wohl zu spät". Ruckartig fuhr ich herum und ignorierte den stechenden Schmerz in meiner Brust. Mit gehobenem Zauberstab und schwer atmend war ich aufgesprungen und bohrte der vermummten Gestalt vor mir die Spitze meines Stabes in den Bauch. „Longbottom". Zu mehr war ich ihm Augenblick nicht fähig. Neville Longbottom sah überrascht auf den auf sich gerichteten Zauberstab, bevor sein Blick erst zu Draco und dann zu Cox' Leichnam wanderte. „Es freut mich auch, Sie zu sehen, Mister Malfoy". Ich war viel zu überrascht, um mich über die kühle Konzentration des Mannes zu wundern, den ich als schüchternen und vollkommen unfähigen Jungen in Erinnerung hatte, der ständig auf der Suche nach seiner Kröte war. „Keine Sorge, ich werde Sie nicht verraten. Im Gegenteil. Eigentlich hatte ich darauf spekuliert, ihn selbst töten zu können". Sein Gesicht nahm einen fast schon bedauernden Ausdruck an. „Was machen Sie hier, Longbottom?" Ich hatte die passenden Worte gefunden und straffte meine Haltung. Meine Rippen pochten schmerzhaft. „Ich bin ihm gefolgt". Der großgewachsene Zauberer, der so gar nichts jungenhaftes mehr an sich hatte, deutete mit einer abwertenden Handbewegung auf den Toten. „Warum?" Ich verstand noch immer nicht, was ausgerechnet er zu dieser Uhrzeit in der Nokturngasse verloren hatte. War es nicht er gewesen, der schon Angst vor Severus hatte, wenn er nur seinen Namen hörte? „Er ist dafür verantwortlich, dass Bellatrix, Rodolphus, Rabastan und Crouch Junior überhaupt erst die Gelegenheit hatten, meine Eltern zu foltern! Ich wollte mich endlich dafür rächen, was er ihnen und mir angetan hat!" Seine Augen funkelten vor Zorn und er hatte die Hände zu Fäusten geballt. „Dann hätten Sie wohl etwas früher kommen müssen". Schultern zuckend warf ich einen Blick auf den Leichnam und hielt dann schmerzerfüllt inne. So schnell wie seine Wut gekommen war, verrauchte sie auch wieder. „Wenigstens ist er tot". Seine emotionale Kälte überraschte mich. „Was werden Sie jetzt tun?" Noch immer hatte ich den Zauberstab auf ihn gerichtet, jeder Zeit bereit, auch ihn aus dem Weg zu räumen. Er schien einen Augenblick zu überlegen, dann zog er den Zauberstab. „Es ist nicht richtig, dass Sie dafür zur Verantwortung gezogen werden. Er hat verdient, was er bekommen hat". Er richtete den Stab auf die Hauswand hinter uns. „Bombarda Maxima". Mit einer gewaltigen Explosion sprengte er den Häuserblock und Cox' Leiche wurde unter einem Gesteinsberg begraben. Eine undurchsichtige Staubwolke umgab uns. „Verschwinden Sie hier", hörte ich ihn sagen. Als sich der Staub endlich wieder gelegt hatte, war er nicht mehr zu sehen. Ich konnte Draco hinter mir stöhnen hören und drehte mich schnell zu ihm um. „Was ist passiert? Wo ist Cox?", brachte er heiser hervor und stemmte sich an der Wand nach oben. „Tot". Erschrocken riss Draco die Augen auf. „Später", war alles, was ich noch sagte, bevor ich einen Portschlüssel aus der Tasche zog und Draco am Arm packte. Bevor die ersten Auroren, gerufen durch den Lärm der Explosion, auftauchten, waren wir verschwunden.




Hermines Sicht – zur gleichen Zeit, im Wohnzimmer des Landsitzes


Als ich nach einem unruhigen Schlaf auf der Couch wachgeworden war, war es bereits kurz vor Mitternacht. Das Feuer im Kamin war endgültig erloschen und ich fröstelte. Lucius schien noch immer nicht zurück zu sein und allmählich machte ich mir Sorgen. Unser Streit vom Morgen ging mir nicht aus dem Kopf. Er hatte mir zwar versprochen, auf mich zu warten, aber was, wenn ihm all' das doch zu viel geworden war? Unruhig ging ich im Zimmer auf und ab und knetete meine Hände. Plötzlich hörte ich die Haustür zuknallen und gleich darauf schwere Schritte in der Eingangshalle. Stimmen, die offenbar miteinander stritten, drangen an mein Ohr. Panik erfasste mich und machte es mir unmöglich, eine rationale Entscheidung zu treffen. Ich hätte mich verstecken oder weglaufen sollen, aber ich stand wie festgefroren mitten im Zimmer, als die Tür aufflog.

„Vater, was ist da passiert!?" Draco schien vollkommen aufgebracht, während er ins Zimmer stürzte. Als er mich erblickte, entspannte sich sein Gesichtsausdruck. Er wurde beinahe ... verlegen? Fassungslos starrte ich ihn an. Sein Hemd war blutverkrustet und unter dem vollkommen zerfetzten Ärmel blitzte die blassrosa Narbe einer frischverheilten Verletzung hervor. Er war über und über mit einer feinen Staubschicht bedeckt und sein Gesicht zierte eine frische Schürfwunde. „Draco... was...?" Lucius, der hinter seinem Sohn über die Türschwelle trat, unterbrach mich. Entsetzt riss ich die Augen auf. Unter den Resten seines Hemdes klaffte eine riesige Wunde und seine sonst makellose Brust war mit einigen tiefblauen Hämatomen übersehen. „WAS IST PASSIERT?", kreischte ich hysterisch und stürzte auf die beiden zu. Draco schnaubte verärgert und verschränkte die Arme vor der Brust. „Am besten fragst du ihn". Er deutete mit dem Kopf auf Lucius, der ihn wütend anfunkelte. „Hör' endlich auf damit, Draco!" Lucius' Stimme war eiskalt, während er sich mit bebenden Lippen aus den kläglichen Resten seines Hemdes schälte. Unbeachtet fiel es zu Boden und erst jetzt wurde mir das ganze Ausmaß seiner Verletzungen bewusst. Er sah aus, als hätte man ihn zusammengeschlagen. Einige Rippen schienen gebrochen und das Atmen bereitete ihm Schmerzen. „Lucius?", wandte ich mich zu ihm, doch er mied meinen Blick. „Könnte mir vielleicht jemand sagen, was hier los ist!?" Allmählich wurde ich wirklich wütend. Draco war dabei, sein Hemd zu reparieren und zu reinigen und Lucius schmierte eben eine übelriechende Salbe aus einem Tiegel auf die riesige Fleischwunde an seiner Seite. „Mein Vater hat sich offenbar gerade eben duelliert und zieht es nun vor, darüber zu schweigen!", zischte Draco wütend. In seiner Stimme schwang verletzter Stolz mit. Fassungslos sah ich zu Lucius, der schmerzhaft die Zähne zusammenbiss. „Es gibt nichts zu erzählen!". Damit schien das Thema für ihn erledigt und er begann, die Salbe auch auf den Blutergüssen zu verteilen, die allmählich die Farbe wechselten. „Außer vielleicht, dass es Cox war, der dich so zugerichtet hat!". Dracos Stimme bebte vor Zorn und er hatte die Hände zu Fäusten geballt. „WAS?" Ich konnte mich nicht mehr länger zurückhalten. „Lucius!?" Er blickte auf und sah mir in die Augen. Was ich in seinen erkannte, verschlug mir die Sprache. Wut, Zorn, Trauer und ein tiefsitzender Schmerz sprangen mir entgegen und ließen mich beinahe taumeln. „Was ist passiert?", hauchte ich heiser und machte einen Schritt auf ihn zu. „Da sich hier ja anscheinend alle so brennend dafür zu interessieren zu scheinen, was passiert ist, will ich es euch sagen!" Es war das erste Mal, dass ich Lucius derart hatte brüllen hören. Sein sonst so akkurat gerichtetes Haar war verschmutzt und hing ihm in wirren Strähnen ins Gesicht. Seine Augen funkelten vor Zorn und er atmete schwer. „Ich war gerade dabei, meinem einzigen Sohn das Leben zu retten, als Cox aufgetaucht ist. Er hat gewusst, dass ich kommen würde! Nein, besser gesagt – er hat mich dabei beobachtet! Weil er wusste, dass ich dir geholfen habe, aus dem Ministerium zu entkommen. Und als ich ausgerechnet in der Nokturngasse aufgetaucht bin, hat er seine Chance gewittert. Lucius Malfoy, verrufener Todesser, taucht ausgerechnet in der Nacht, in der die Nokturngasse überfallen wird, selbst dort auf! Welch' Ironie des Schicksals! Es war von vorneherein klar, dass er da war, um mich zu töten. Er hat es mir ins Gesicht gesagt! Er war da, um mir zu sagen, dass er dich suchen und finden würde, wenn ich erst einmal aus dem Weg wäre! Was hätte ich also eurer Meinung nach tun sollen!? Wenn er gewonnen hätte, hätte er dich wieder in seine Gewalt bekommen und dir weiter diese furchtbaren Dinge angetan! Ich hatte keine andere Wahl, als mich auf ihn einzulassen! Ich konnte nicht zulassen, dass er dir wieder etwas antut!" Er war außer sich und strich sich mit einer fahrigen Handbewegung die Haare aus dem Gesicht. „So ein verdammter Mist!!!" Er fegte die Glaskaraffe von der Vitrine und schlug mit der Faust gegen die Wand. Draco und ich hatten ihm fassungslos zugehört. Ich war erschlagen von seinen Worten. Er hatte sein Leben riskiert, um mich zu beschützen. Er hatte in Kauf genommen, zu sterben, um mich zu retten. „Lucius...", flüsterte ich leise und ging weiter auf ihn zu. Er drehte sich zu mir um und sah mich mit einer Mischung aus Verzweiflung und Schmerz an. „Ich musste es darauf ankommen lassen". Er zuckte hilflos mit den Schultern. Wie er da so vor mir stand, beinahe verloren, zerriss es mir fast das Herz. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht!", rief ich erleichtert und lehnte mich an seine Brust. Ich presste das Gesicht gegen seinen nackten Oberkörper und krallte mich an ihn. Nur zaghaft erwiderte die Umarmung, doch irgendwann schmiegte auch er sich in die Berührung. „Und wie seid ihr von da entkommen?" Nur widerwillig löste ich mich wieder von ihm, die Hände in seinen kalten verweilend. Draco hinter mir schnaubte missmutig und ich drehte mich irritiert blinzelnd zu ihm um. „Was? Was ist?" Unsicher sah ich zwischen den beiden hin und her. Lucius entriss sich meiner Hände, starrte wieder wütend aus dem Fenster und Draco hatte die Arme vor der Brust verschränkt. „Ja, Vater, was ist?" Er schien wütend zu sein, auch wenn mir der Grund dafür noch verborgen blieb. „Könnt ihr jetzt vielleicht endlich mal Klartext reden!?" Diese ganze Heimlichtuerei war extrem nervend. Mir war nach wie vor nicht klar, warum Draco scheinbar so sauer auf Lucius war, wo er ihm doch gerade das Leben gerettet hatte. Als Lucius noch immer nicht reagierte, fuhr Draco fort: „Wenn du es ihr nicht sagst, mache ich es!" Überrascht sah ich wieder zu Lucius. „Mir was sagen, Lucius?" Ruckartig drehte er sich zu mir um. Seine sturmgrauen Augen waren matt, der Glanz erloschen und die Kraft verloren. „Was ist los?" Meine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern und ich griff nach Lucius' Händen. „Du bist jetzt sicher. Cox - Er wird dir nie wieder etwas antun können". Irritiert ließ ich seine Hände wieder los. „Wie meinst du das?". Ich wollte nicht wissen, wie er es meinte, doch alles in mir schrie danach, dass er es trotzdem sagte. „Er ist tot", bemerkte Lucius nüchtern und gleich darauf loderte das Feuer in seinen Augen wieder auf. „Ich habe ihn getötet!". Fassungslos starrte ich ihn an. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste überhaupt nichts mehr. Mein Körper schien wie betäubt. Wie ferngesteuert ließ ich die beiden im Wohnzimmer stehen und ging nach draußen.

Eisige Kälte umgab mich, aber ich spürte sie nicht. Ich fühlte mich so dunkel und leer wie die Nacht, die verhängnisvoll vor mir lag und alles um mich herum verschluckte. Wie ein schwarzes Loch, das alles in sich aufsaugte. Stürmische Böen fegten über das Land, aber ich war wie paralysiert. Er hatte ihn getötet. Er, Lucius. Er hatte Cox getötet. Ich hätte mich darüber freuen müssen, dass es nun vorbei war. Dass er mich nicht weiter suchen und fangen wollen würde. Dass ich nun endlich wieder sicher war. Aber der Gedanke, dass Lucius einen anderen Menschen umgebracht hatte, wog schwerer. Ich hätte gedacht, dass es mir nichts ausmachen würde. Aber das Bewusstsein, dass er ein Mörder war, traf mich tief. War ich wirklich davon ausgegangen, dass ich damit umgehen könnte, wenn er jemand anderem des Lebens beraubte? Selbst dann wenn ich bereits wusste was er früher getan hatte? „Hermine". Lucius war lautlos von hinten an mich herangetreten. Jetzt stand er neben mir und starrte wie ich in die Dunkelheit hinaus. „Was willst du hören?", fragte ich müde und rieb mir über das Gesicht. „Dass ich glücklich bin, dass es nun endlich vorbei ist? Dass ich erleichtert bin, dass Cox tot ist? Oder dass ich so unfassbar froh bin, dass dir nichts passiert ist?" Lucius zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht". Er drehte sich zu mir um. „Du hasst mich dafür, dass ich es getan habe, oder?" Seufzend sah ich ihn an. „Nein. Nein, Lucius, ich hasse dich nicht dafür". Er hob den Blick und sah mir überrascht in die Augen. „Nicht?". Ich schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht. Ich könnte dich niemals hassen. Aber es ist schwierig. Du hast einen Menschen getötet. Und auch, wenn er ein widerlicher, schrecklicher Mistkerl war. Er war trotzdem ein Mensch. Ich weiß einfach noch nicht, wie ich damit umgehen soll". Verzweifelt griff er nach meinen Händen und drückte sie. „Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass es keine andere Möglichkeit gegeben hat? Dass ich keine andere Wahl hatte?" Ich musste eine Weile über seine Worte nachdenken. Es gab immer eine andere Wahl. Aber bei Graham Cox? Er war eiskalt und aalglatt. Wenn er mit dem Tod drohte, musste man ihn auf jeden Fall ernst nehmen. „Ja, ich glaube dir". Erleichterung machte sich in seinem Gesicht breit und die eiserne Anspannung, die von ihm Besitz ergriffen hatte, viel langsam von ihm ab. „Ich danke dir". Er sackte ein kleines bisschen in sich zusammen. Eine enorme Last schien von ihm abzufallen. „Lass' uns reingehen, mir ist kalt". Ich streckte ihm die Hand entgegen, die er erleichtert ergriff und folgte mir ins Haus.

Draco hatte das Feuer im Kamin neu entfacht und saß mit einem Glas Whiskey auf dem Sofa. Eine angenehme Wärme schlug mir entgegen als ich das Zimmer betrat. „Ich komme gleich wieder", hörte ich Lucius murmeln und sah ihm hinterher wie er die Treppen nach oben stieg. Sein Gang wirkte schwerfällig und es sah aus, als würde er hinken. Scheinbar hatte Cox ihn doch schwerer getroffen, als er zugeben wollte. „Setz' dich". Draco klopfte mit der Hand neben sich auf das Polster. Ich rutschte zu ihm und legte den Kopf auf seine Schulter. Schweigend saßen wir eine Weile nebeneinander und ich genoss die angenehme Wärme, die an meiner Haut leckte. „Warum warst du eigentlich in der Nokturngasse?". Draco grunzte irgendetwas, bevor er mit der Hand in seinen Umhang fuhr. „Ich wollte dir das hier besorgen". Er reichte mir eine abgegriffene Pappschachtel. Überrascht sah ich ihn an, bevor ich den speckigen Deckel abnahm. Sprachlos starrte ich auf den darin befindlichen Zauberstab. Er war schwarz und eine silbrig glänzende Feder wand sich in kunstvoller Verzierung um das matte Holz. „Er ist wunderschön!", hauchte ich ergriffen und nahm den Stab aus seiner Verpackung. Sofort durchströmte mich eine angenehme Wärme, die sich bis in die Haarspitzen auszubreiten schien. „Ich danke dir!" Ich fiel ihm um den Hals. „Habe ich gerne gemacht", erwiderte er gerührt und strich mir zaghaft über den Rücken. Das Geräusch schwerer Schritte auf der Treppe ließ mich aufhorchen. Lucius hatte sich ein schwarzes T-Shirt übergezogen und seine förmliche Hose gegen eine leichte aus Stoff eingetauscht. Das Haar war wieder geordnet und hing locker über seinen Schultern. Einzig die Blutergüsse auf seinen Armen und die tiefen Ringe in seinem vollkommen erschöpften Gesicht verrieten die letzten Stunden. „Ich lasse euch dann mal alleine", flüsterte Draco mir zu und bevor ich zu einer Antwort ansetzen konnte, hatte er sich auch schon an seinem Vater vorbeigeschoben und verschwand auf der Treppe nach oben. Lucius stand vor dem Kamin und starrte in das Feuer. „Wie geht es dir?", wollte ich leise von ihm wissen und er zuckte mit den Schultern. Stöhnend kniff er die Augen zusammen. Offensichtlich hatte er mehr Schmerzen, als er zugeben wollte. „Es geht schon". Seine Stimme klang müde. Plötzlich drehte er sich zu mir um. „Ich danke dir, dass du mir vertraust. Nicht jeder würde mir glauben, dass ich Cox' Tod heute nicht geplant habe. Es stimmt, dass ich ihn am liebsten tot gesehen hätte. Aber ich hätte mich zurückgehalten. Für dich. Weil ich dich liebe". Die Worte waren wie ein Schwall aus ihm herausgebrochen und hatten ihn atemlos zurückgelassen. „Lucius, du musst dich nicht rechtfertigen. Ich weiß doch schon längst, dass du nicht mehr der Mann von früher bist. Glaubst du wirklich, dass ich mich sonst jemals auf dich eingelassen hätte? Ich liebe dich, Lucius Malfoy. Und ich muss dir danken, dass du so viel für mich getan hast!" Noch immer stand er mitten im Raum, verloren. Eine einzelne Träne lief über seine Wange, verharrte für einen Augenblick an seinem Kinn, bevor sie auf den Boden tropfte. „Komm' her". Ich klopfte auf den Platz neben mich. Langsam hinkte er auf mich zu und setzte sich dann, in einigem Abstand, neben mich auf das Sofa. „Komm her", murmelte ich leise und drückte seine Schulter mit sanfter Gewalt zu mir herunter. Zögernd folgte er meiner Aufforderung und legte seinen Kopf auf meinen Schoß. „Du hast so viel für mich getan. Jetzt bin ich an der Reihe. Vertrau' mir". Sanft streichelte ich ihm über das seidig weiche Haar und lauschte seinem Atem, der langsam gleichmäßiger wurde.




Freitagmorgen

Eine angenehme Wärme umgab mich, als ich wach wurde. Lucius' Kopf lag noch immer auf meinem Schoß. Wie eine Katze hatte er sich auf dem Sofa zusammengerollt und schlief mit gleichmäßigen Atemzügen. Das Feuer im Kamin war längst erloschen, doch dank meines neuen Zauberstabes konnte ich es wieder entfachen, ohne aufstehen zu müssen. Trostloses Grau kündigte einen weiteren, wolkenverhangenen Herbsttag an. Der stürmische Herbstwind drückte den Regen gegen die Fenster und die Tropfen suchten sich ungebremst ihren Weg an den Scheiben. Fast schon melancholisch beobachtete ich sie dabei, wie sie sich auf ihrem Weg zum Boden miteinander verbanden und sich unten in einer großen Pfütze sammelten. Es waren die letzten Tage der Herbstferien. In weniger als drei Tagen würde die Schule wieder beginnen und ich wäre endlich wieder bei den anderen in Hogwarts. Nach den Ereignissen der vergangenen Wochen freute ich mich ungemein darauf, endlich wieder in verstaubten Klassenzimmern zu sitzen und den Vorträgen unserer Lehrer zu lauschen. Niemals zuvor hatte ich mir so gewünscht, einfach wieder lernend und die Welt um mich herum vergessend in der Bibliothek zu sitzen. Ich hatte auf ein ereignisfreies Jahr gehofft, in dem ich mich ganz auf die Schule konzentrieren konnte. Stattdessen überschlugen sich die Geschehnisse und eine Grausamkeit jagte die nächste.

Ein schlaftrunkener Draco, der die Treppe heruntergeschlurft kam, riss mich zurück in die Gegenwart. „Guten Morgen". Er gähnte herzhaft und streckte sich. Selbst in einfachen T-Shirts und sportlichen Hosen sah er unverschämt gut aus und stand seinem Vater in nichts nach. „Wie geht es ihm?". Er deutete mit dem Kopf auf seinen immer noch schlafenden Vater. „Ganz gut, denke ich. Er hat die ganze Nacht geschlafen". Ich strich Lucius vorsichtig über den Kopf und er seufzte entspannt. Draco nickte ernst und machte sich auf den Weg in die offene Küche. „Ich werde uns mal etwas zu Essen besorgen. Mirthi ist bestimmt schon verrückt vor Sorge". Er grinste schräg und schnipste mit dem Finger. Im nächsten Augenblick erschien die kleine Hauselfe, die uns mit Tennisball großen Augen erleichtert anstrahlte und immer wieder betonte, wie glücklich sie sei, dass es uns gut ginge, bevor sie mit Dracos Bestellung und einem lauten Plop wieder verschwand. „Lass' ihn schlafen", bestimmte Draco nach einem prüfenden Blick auf seinen Vater und deckte ihn umsichtig mit einer Decke zu, nachdem ich seinen Kopf vorsichtig auf eines der Sofakissen gebettet hatte. „Ich habe noch nie erlebt, dass er nach mir aufgestanden ist". Er schmunzelte amüsiert. Überrascht sah ich ihn an. „Tatsächlich? Du scheinst mir auch nicht gerade ein Langschläfer zu sein". Ich fand es in der Tat erstaunlich, dass Lucius immer vor seinem Sohn aufstehen wollte. „Vater ist der grausamste Frühaufsteher, den ich kenne. Sogar an seinen freien Tagen ist er mitten in der Nacht aufgestanden, um zu arbeiten. Er sagt, so hätte er mehr vom Tag. Ich fand es schon als Kind furchtbar, wenn er morgens im Kaminzimmer gesessen hat, obwohl ich die Hoffnung hatte, mir etwas vom Keksteller stibitzen zu können, ohne dass er es bemerkt. Aber er wusste immer, was ich vorhatte. Das war schon damals so und ist heute nicht anders". Ich musste leise lachen. Den kleinen Draco, der sich morgens ins Kaminzimmer schlich, um einen Keks zu essen, konnte ich mir nur zu gut vorstellen. „Meinst du, er kommt darüber hinweg?" Er hatte die Frage nur gemurmelt, sodass ich sie beinahe überhört hätte. Aber auch ohne eine weitere Erläuterung wusste ich, was er meinte. „Ich hoffe es. Ich meine... er hat auch schon früher Menschen... getötet. Aber seitdem ist viel passiert. Und er ist ein anderer Mensch geworden. Ich glaube, dass es ihn doch ziemlich mitgenommen hat". Draco stimmte mir nickend zu und wir setzten uns schweigend an den inzwischen reichlich gedeckten Frühstückstisch. Nachdenklich nippte ich an meinem Kakao, während ich die Titelseite des Tagespropheten inspizierte, den Draco gerade aufgeschlagen hatte und nun in den Händen hielt.



FEUER IN DER NOKTURNGASSE – DAS ENDE EINER ÄRA

Angesichts des Titels hätte ich am liebsten laut aufgelacht. Sicherlich hatte die Kimmkorn da ihre Finger im Spiel gehabt. Unter der monströs großen Überschrift nahm ein Bild von der in Flammen stehenden Gasse fast die gesamte restliche Seite ein. Offenbar gab es noch zu wenig Informationen, um die reißerische Verkündigung der Titelschrift mit Inhalt zu füllen. Die Hauptsache war ja auch, dass die Menschen einen wohlklingenden Titel und ein aussagekräftiges Bild präsentiert bekamen. Plötzlich erkannte ich einen der Läden, der lichterloh in Flammen stand und vor dem sich einige Auroren mit den Unbekannten duellierten. „Das ist Crabbe Seniors Laden!". Obwohl ich ihn nie hatte leiden können und sein Sohn ein wahrer Stümper gewesen war, konnte ich mir das Entsetzen dennoch nicht verkneifen. Draco grummelte etwas und schlug die Zeitung zu. „Ja, ist es. Ich war dabei, als sie ihn aus dem Laden auf die Straße gezerrt und ... umgebracht haben". Er kniff die Lippen zusammen. Erschrocken riss ich die Augen auf. „Er ist tot!?" Fassungslos starrte ich wieder auf das Foto. Tatsächlich konnte man, bei genauerem Betrachten, unter den Trümmern und den Flammen, einige menschliche Körper erkennen. Einer von ihnen war mit Sicherheit Crabbe Senior. „So etwas sollte niemandem passieren", murmelte ich leise. Niemand verdiente den Tod auf eine so grausame Art, nicht einmal Crabbe Senior. Er hatte seine Machenschaften unter dem dunklen Lord bereits mit dem Tod seines einzigen Sohnes bezahlt. Das war mehr als genug Strafe. Einen so grausamen Tod hätte er nicht finden müssen. Er war einer von vielen, die sich nach dem Untergang des dunklen Lords gefangen und sich neu orientiert hatten. Auch wenn er, soweit man wusste, nie wieder der alte gewesen war. Verständlicherweise. Der Tod des eigenen Kindes musste etwas Furchtbares sein. Nachdenklich betrachtete ich Draco, der gedankenverloren in seiner Kaffeetasse herumrührte.

Plötzlich schreckte uns das fordernde Klopfen am Fenster auf. Ich erkannte die Ministeriumseule sofort. Mit herrischem Gesichtsausdruck und akkurat gerichteten Federn streckte sie uns auffordernd den in elfenbeinfarben gehaltenen Briefumschlag entgegen. „Draco...". Kalte Panik erfasste mich, als ich die dunklen Augen der Eule sah. Sie hatten mich gefunden. Und nun erreichte mich die Aufforderung, mich umgehend wieder im Ministerium einzufinden. „Keine Panik, das muss nichts heißen". Dass er selbst nicht davon überzeugt war, dass das Auftauchen der Ministeriumseule nur ein Zufall war, war unüberhörbar. Rasch ließ er die Eule herein und reichte mir den Umschlag, den er ihr abgenommen hatte. Das Tier rauschte, nachdem sie empört den ihr scheinbar zu billigen Eulenkeks abgelehnt hatte, mit kräftigem Flügelschlag zurück in die herbstliche Landschaft. „Was steht drin?". Seine Stimme klang mindestens genauso nervös, wie ich mich fühlte. Mit zittrigen Fingern brach ich das Siegel aus rotem Wachs und befreite den dicken Umschlag von seinem wertvollen Inhalt. Das Pergament verströmte einen angenehmen Duft nach Sanddorn, die filigran geschwungene Schrift ließ auf einen gebildeten Mann schließen. „Er ist von Kingsley", hauchte ich nervös und strich das Pergament glatt. Im Hintergrund seufzte Lucius leise und ich schreckte zusammen. „Sag' schon, was will er!". Draco rutschte ungeduldig auf seinem Stuhl hin und her und drängte mich zum Lesen. „Er schreibt, dass sie den Leichnam von Graham Cox gefunden haben und bei der Räumung seines Büros einige Dokumente aufgetaucht sind, die Anlass zu Fragen aufgeben. So hätte er gerade eben erst von meiner Inhaftierung erfahren und jetzt müsse er unbedingt mit mir darüber sprechen". Ich schluckte schwer. Draco sah mich mit meiner Mischung aus Unglauben und Erleichterung an. „Wie kann es sein, dass der Minister nichts von der Inhaftierung der wohl berühmtesten Hexe dieses Jahrhunderts weiß?" Er zog die Stirn kraus und ich verpasste ihm unter dem Tisch einen Tritt gegen das Schienbein, angesichts dieser Bemerkung. „Aua", jammerte er gespielt übertrieben. „Aber mal ehrlich, was hat Cox da so getrieben, dass niemand etwas davon mitbekommen haben will?". Ich dachte nach. „Es ist wohl das Beste, wenn ich mich gleich auf den Weg mache". Ich seufzte schwer. „Du solltest ihn wecken. Er wird dich begleiten wollen". Draco deutete mit dem Kopf auf seinen immer noch schlafenden Vater, der inzwischen auf dem Rücken lag, das blonde Haar über das Sofa ausgebreitet. Ich zögerte. „Er würde niemals wollen, dass du alleine dahin gehst". Draco schien meine Bedenken zu erkennen und stand auf. „Ich muss los. Severus wollte noch irgendetwas von mir". Er klopfte sich seufzend die Krümel von der Hose und machte sich auf den Weg zur Tür. „Und vorher muss ich noch nach Hause. Ich brauche etwas anständiges zum Anziehen". Er deutete an seinem mehr als ausreichendem Outfit herunter und ich verdrehte die Augen. „Du bist unverbesserlich". Ich umarmte ihn zum Abschied. „Ich danke dir", flüsterte ich ihm ins Ohr. Er strich mir sanft über den Rücken. „Für dich immer". Dann verschwand er durch die Haustür.

Mit dem Brief in der Hand setzte ich mich zu Lucius auf die Sofakante. „Lucius". Ich strich ihm sanft die Haare aus der Stirn. Er bewegte sich unter der Berührung, seine Lider flattern. „Lucius", wiederholte ich noch einmal und er schlug langsam die Augen auf. Seine eisgrauen Augen blinzelten mich verschlafen an. „Wie spät ist es?". Seine Stimme war vom Schlaf heiser und er rieb sich müde über die Augen. „Gleich zehn. Ich wollte dich nicht wecken, du sahst so erschöpft aus". Ich streichelte ihm mit dem Daumen über die Wange und er griff nach meiner Hand. „Es tut mir leid". Er hauchte einen Kuss auf meine Hand. „Ich habe doch schon gesagt, dass du nicht entschuldigen musst", gab ich ihm seufzend zu verstehen. Sein Blick fiel auf den Brief in meiner Hand. „Was ist das?". Ich folgte seinem Blick. „Ein Brief von Kingsley. Ich soll ins Ministerium kommen". Ruckartig richtete sich Lucius auf. „Warum? Was ist passiert?" Seine grauen Augen glänzten verräterisch. „Es war doch abzusehen, dass sie mit mir reden wollen, jetzt, wo Cox tot ist. Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, dass es so schnell geht". Ich drehte das Papier in meinen Händen. „Du willst da doch nicht wirklich hingehen?" Es klang wie eine Frage, aber unterschwellig klang es beinahe wie ein Befehl. „Ich werde hingehen müssen". Er schien eine Weile darüber nachzudenken, dann nickte er. „Ich komme mit!". Seine Stimme duldete keinen Widerspruch. „Und wie willst du erklären, dass du mich begleitest?", fragte ich ihn skeptisch und legte den Kopf schräg. Er sah mich ernst an. „Irgendwann wird es sowieso jeder wissen. Warum also nicht heute". Er zuckte mit den Schultern und drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Gib' mir zehn Minuten, ich muss mir etwas anderes anziehen". Er rappelte sich auf und wankte in Richtung Treppe. Auch wenn er es niemals zugeben würde, sah ich, dass er noch immer Schmerzen hatte. „Bist du dir sicher, dass du mitkommen möchtest?". Skepsis schwang in meiner Stimme mit. Er drehte sich lächelnd zu mir um, aber seine Augen strotzten vor Überzeugung. „Ich war mir noch nie so sicher". Zwinkernd hinkte er die Treppe nach oben und verschwand im Badezimmer. Ich lehnte mich in das weiche Polster und begann, auf meiner Unterlippe herum zu kauen. Eine Angewohnheit, von der ich dachte, sie mit der Pubertät abgelegt zu haben. Ich bekam kaum mit, als Lucius wenige Minuten später wieder vor mir stand. Er trug einen schwarzen Dreiteiler mit silberner Krawatte, das lange Haar glitt in einer fließenden Bewegung über seine Schultern. „Meinst du nicht, dass das etwas zu viel ist?" Ich ließ den Blick über ihn wandern und sah dann an mir selbst herunter. Ich hatte den Schlafanzug gegen eine Jeans und eine Bluse eingetauscht, aber neben Lucius fühlte ich mich vollkommen falsch gekleidet. „Ich bin Lucius Malfoy. Es wäre merkwürdiger, wenn ich nicht so im Ministerium auftauchen würde". Er lächelte mich schräg an und reichte mir die Hand. „Bist du bereit?". Ich grinste ihn an. „Bereit, wenn du es bist!".




Im Zaubereiministerium

Die giftgrünen Flammen vernebelten mir für einen kurzen Augenblick die Sicht, als wir aus dem breiten, schwarzgefliesten Kamin traten. Hexen und Zauberer wuselten durch die gigantische Eingangshalle und über unseren Köpfen schwirrten hunderte Memos umher. Ich erkannte das gigantische Porträt des Ministers für Zauberei. Kingsley Shacklebolt lächelte mit einer Mischung aus Freundlichkeit und alles überragender Gerechtigkeit auf uns herab. „Ist alles in Ordnung?" Lucius berührte mich sanft an der Schulter und sah besorgt zur mir herab. Ich nickte hastig und lächelte ihn schräg an. „Jedes Mal, wenn ich hier bin, ist entweder etwas Schreckliches passiert oder es wird jeden Augenblick dazu kommen". Lucius verzog das Gesicht zu einer traurigen Grimasse, dann zwinkerte er mir zu. „Dieses Mal ist es wohl das Erstere. Und ich werde dafür sorgen, dass du hier heil wieder rauskommst". Ich folgte Lucius' wallendem Umhang durch die Massen. Zielstrebig steuerte er auf die Aufzüge zu und grüßte hin und wieder einen mir gänzlich unbekannten Zauberer. Gemeinsam fuhren wir mit dem Aufzug in die Abteilung, in der Kingsley sein Büro hatte. Ein breiter Teppich säumte den Gang, der viel heller und freundlicher wirkte, als ich ihn mir vorgestellt hatte. Eine merkwürdige Maschine, ausgestattet mit Besen, Kehrblechen und etwas, das aussah wie ein überdimensional großer Staubsauger, ratterte zischend ans uns vorbei. „Wir sind fast da". Lucius drehte sich zu mir und griff nach meiner Hand. „Ist wirklich alles in Ordnung?". Er sah mich besorgt an. „Ja, es geht mir gut", versicherte ich ihm lächelnd und setzte mich wieder in Bewegung.

Eine äußerst adrett gekleidete, junge Frau bat uns, einen Augenblick zu warten, während sie uns beim Minister anmeldete. „Bist du nervös?" Lucius wachsamer Blick lag auf mir, während er selbst eine innere Ruhe ausstrahlte, die alles und jeden in Besitz zu nehmen schien. „Nein", gab ich ehrlich zu und spürte im gleichen Moment mein Herz schneller schlagen, als sich die Tür öffnete und Kingsley Shacklebolt in einem farbenfrohen Gewand den Raum betrat. „Hermine, ich freue mich, dich wiederzusehen!". Er umarmte mich kurz und warf dann einen etwas irritierten Blick auf Lucius. „Mister Malfoy. Was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?" Er reichte ihm die Hand. Über Lucius' Gesicht huschte ein Hauch Belustigung, bevor er wieder die steinerne Maske aufsetze. „Ich begleite Hermine". Kingsley Shacklebolt riss überrascht die Augen auf, beherrschte sich aber zügig wieder. „Nun, dann... Also, es ist wohl das Beste, wir gehen in mein Büro". Ein sichtlich irritierter Zaubereiminister wies uns den Weg in sein geräumiges, durchaus gemütliches Büro und platzierte und in einer bequemen Sitzecke platz nahmen. Ich ließ den Blick durch den Raum wandern. Es war ein wirklich großes Büro, aber durch die vielen Papierstapel auf dem Schreibtisch wirkte es etwas chaotisch. Die Wände waren vollgestellt mit gefüllten Bücherregalen und zu dem Geruch alten Pergaments mischte sich der angenehme Duft von Sanddorn, den ich schon bei dem Brief bemerkt habe. „Hermine, es tut mir unendlich leid, was dir passiert ist!" Kingsley Shacklebolt verlor keine Zeit und kam direkt zum Thema. „Ich hatte keine Ahnung, was Graham Cox hinter meinem Rücken gemacht hat, das musst du mir glauben". Lucius schnaubte mit einer Mischung aus Belustigung und Verärgerung und ich warf ihm einen strengen Blick zu. „Du verstehst hoffentlich, wenn ich jetzt nicht sage, dass ich das verstehe. Was Cox getan hat ist... war grausam und schrecklich. Und ich bin wirklich froh, dass es jetzt vorbei ist". Der Minister nickte betreten und lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Zumindest in dieser Hinsicht kommt nun endlich etwas Licht ins Dunkel. Meine Auroren sind schon seit gestern Abend dabei, sein Büro zu durchsuchen. Das, was sie dort finden ist... erdrückend". Er schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. „Auch wenn ich es absolut nicht für gut befinden kann, was Inspector Cox getan hat, ist sein Tod trotzdem ein Verlust, der uns hart trifft. Er war der beste Auror, den das britische Zaubereiministerium jemals hatte und er hinterlässt eine Lücke, die wir nur schwerlich wieder füllen können". Lucius' Gesichtsausdruck wurde zunehmend finsterer. „Kingsley, wir sind nicht hier, um mit dir über deine Personalprobleme zu sprechen. Und du wirst sicherlich verstehen, wenn es mir reichlich egal ist, welchen großen Nutzen ihr aus Graham Cox gezogen habt. Für mich ist und war er einfach ein widerlicher Bastard". Ich schenkte ihm ein schmallippiges Lächeln. Über Lucius' Gesicht huschte ein amüsiertes Grinsen und Kingsley sah mich überrascht an. „Natürlich. Es tut mir leid!" Er nickte mir entschuldigend zu. „Vielleicht sollten Sie sich in Zukunft einfach mehr Gedanken zu Ihrem Personal machen". Lucius' Stimme war ruhig, aber ich konnte es brodeln sehen. „Was meinen Sie, Malfoy?" Kingsley hatte sich zu ihm gewandt und sah ihn fest an. „Offensichtlich haben Sie keine Ahnung, was unter Ihrer Führung alles in diesem Land passiert. Sonst wäre es wohl kaum so weit gekommen!", bemerkte Lucius kühl. „Ich denke nicht, dass Sie eine Ahnung davon haben, was wir hier machen, Mister Malfoy!". Kingsleys Stimme klang schnippisch, doch noch schien er amüsiert zu wirken. „Sie ja offensichtlich auch nicht. Andernfalls wäre Ihnen wohl aufgefallen, welche Art von Menschen Sie hier beschäftigen!". Lucius' Augen funkelten finster und er hatte sich nach vorne gelehnt. Kingsleys Gesichtsausdruck nahm allmählich dunklere Züge an, doch dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. „Sie haben Recht, scheinbar weiß ich wirklich nicht, welche Menschen hier zeitweise beschäftigt waren und sind. Sonst wäre mit Sicherheit aufgefallen, dass auch Sie ein Teil dieser Institution waren, wo Sie doch eigentlich anderweitig verpflichtet waren". Lucius' Wangen hatten sich rosa gefärbt und seine sonst grauen Augen waren gefährlich dunkel. „Das reicht!", ging ich dazwischen und sah dich beiden verärgert an. „Deswegen sind wir nicht hier! Kingsley, du hast geschrieben, dass es etwas interessantes in Cox' Büro zu sehen gibt. Ich schlage vor, dass wir jetzt einfach dort hingehen!". Die beiden sah sich eine Weile finster an, dann entspannten sich ihre Haltungen. „Du hast Recht, Hermine". Kingsley fand als erster seine Sprache wieder und sprang aus seinem Sessel auf. „Kommt mit, ich möchte euch etwas zeigen. Es wird dich mit Sicherheit interessieren". Er ging voran aus dem Raum. Ich wartete einen Augenblick und warf einen prüfenden Blick auf Lucius, der sich schweigend erhoben hatte. „Was sollte das?", fragte ich ihn leise und griff nach seiner Hand. „Es tut mir leid". Er knurrte die Worte so leise, dass nur ich sie hören konnte. „Er hat mich wütend gemacht, mit der Leichtfertigkeit, mit der er darüber gesprochen hat. So als wäre nichts weiter passiert!". Er drückte meine Hand. „Du hast doch selbst gehört, dass er keine Ahnung von Cox' Machenschaften hatte. Woher soll er denn wissen, was er mir angetan hat?" Lucius schnaubte, offenbar wenig überzeugt, doch dann ließ er sich von mir aus dem Raum ziehen. Kingsley hatte geduldig gewartet und schritt, nach einem irritierten Blick auf unsere ineinander verschränkten Hände, den Flur entlang.

Schon von Weitem konnte man erkennen, dass wir auf das Büro von Englands ehemals mächtigstem Auror zuliefen. Es wurde zunehmend dunkler und einige Auroren waren emsig dabei, Kartons aus dem Raum zu schleppen. Das Büro selbst war vergleichsweise unspektakulär. Nichts Persönliches, nur ein schlichter, schwarzer Schreibtisch, der mit Papier überladen war. Ein einzelner Stuhl und einige Fachlektüren in einem Regal an der Wand. Ansonsten war der in einfachem Weiß gestrichene Raum leer. „Ist das alles?" Lucius klang beinahe enttäuscht, während er den Raum inspizierte. „Beinahe. Die Auroren haben schon einen Großteil ausgeräumt. Aber deswegen sind wir nicht hier". Kingsley ging zu dem Bücherregal an der Wand. Ich verfolgte seine Handlungen stumm. Ich hatte kein Wort gesprochen, seit wir Kingsleys Büro verlassen hatte. Seit wir in der Nähe der magischen Strafverfolgungsbehörde angekommen waren, klopfte mir das Herz bis zum Hals und kalter Schweiß kroch mir aus allen Poren des Körpers. „Es ist alles gut". Lucius war von hinten an mich herangetreten und strich mir beruhigend über den Rücken, während er scheinbar interessiert eine Ausgabe von England im 15. Jahrhundert studierte. „Wir haben es zufällig gefunden, als einer der Auroren das Bücherregal ausräumen wollte". Kingsley strich mit dem Zauberstab über das schwere Holzregal an der Wand und eine magische Spur von Funken folgte seinem Weg. Überrascht hielt ich den Atem an und Lucius trat einen Schritt näher an das Regal. „Ein magisch versiegelter Raum". Ich konnte die Faszination in seiner Stimme hören. Kingsley nickte zustimmend. „Scheinbar brauchte Inspector Cox einen Raum, den nur er betreten konnte. Glücklicherweise haben wir seinen Zauberstab". Kingsley strich mit Cox' Stab über das Holz und sofort schwang das schwere Regal knirschend zur Seite.

Was ich sah, verschlug mir den Atem. Der freigelegte Raum war kaum größer als eine gewöhnliche Abstellkammer. Aber nicht die Größe des Raumes war so schockierend, sondern was Cox damit gemacht hatte. Bilder, Zeitungsartikel, handgeschriebene Notizen und Zettel in allen erdenklichen Größen säumten jeden Zentimeter der Wände und der Decke. Pinnnadeln steckten in den Fotos, die Harry, Ron und mich bei allen möglichen Anlässen, Veranstaltungen oder in unserem privaten Umfeld zeigten. Sie waren mit einer roten Schnur gekennzeichnet, die alle Fotos miteinander verband. Zusammen kam das Netz aus roter Hingabe an einem Zeitungsartikel, der in der Mitte des Raumes hing und vom vielen Anfassen abgegriffen und speckig wirkte. Es war ein Artikel aus dem Tagespropheten über den Überfall auf Gringotts. Bilder von Harry, Ron und mir, wie wir auf dem Drachen aus der vermeintlich sichersten Bank der Welt, oder was nach ihrem Einsturz davon übriggeblieben war, flohen. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Cox hatte meine Erinnerungen durchwühlt und sich alles angesehen, was er in die Finger bekommen hatte. Das erleichterte Endlich, als er zu meiner Erinnerung an den Einbruch bei Gringotts gekommen war, würde mir nie wieder aus dem Kopf gehen. Ich spürte Lucius' Hand auf meiner Schulter, doch es war, als wäre er in weiter Ferne. Wie hypnotisiert starrte ich auf das Foto von Ron, das mit einem dicken, schwarzen Kreuz gezeichnet war und sein Ableben signalisierte. Direkt neben dem Artikel zu Gringotts hing das Foto eines gutaussehenden, jungen Mannes, der aus grün-grauen Augen glücklich in die Kamera strahlte. Er trug eine marineblaue Uniform und das kurz geschnittene, dunkelbraune Haar war unter einer gleichfarbigen Schirmmütze verborgen. Lucius' Druck auf meine Schultern intensivierte sich und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich die Hände zu Fäusten geballt hatte und angestrengt atmete. „Es ist gut". Er sagte es leise und ruhig, aber bestimmt. Mit zitternden Fingern griff ich nach dem Foto, das den Mittelpunkt dieser Faszie auszumachen schien. Die Spuren am Rand zeugten davon, dass Cox es sehr oft in die Hand genommen hatte. Schwer atmend sah ich dem jungen Mann auf dem Bild in die Augen und meinte, ersticken zu müssen. Grün-grau strahlte mich siegessicher an. Klamm drehte ich das Foto um und las die Signatur, die meine schlimmsten Befürchtungen wahr werden ließ.

Nur dank dir bin ich heute da, wo ich bin.
Du hast immer an mich geglaubt und mich unterstützt.
Und jetzt bin ich endlich am Ziel angekommen!
Danke

In Liebe,

dein Sohn

The curse between themWhere stories live. Discover now