#18.5

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Ihr letzter gemeinsamer Nachmittag war schon eine Weile her gewesen, aufgrund der stressigen Zeit, die die Teenager gerade durchlebten. Kade vergaß manchmal, dass Val genau wie er ins Training ging und Wettkämpfe bestritt, der kräftige, aber trotzdem weibliche Körper, den er gerade berührte, kam schließlich nicht von irgendwo. So verlief ihre Zeit als Paar meist ruhig, als Ausgleich zu ihren sonst so energiereichen Leben.
Val lag auf dem Bauch, die Füße unter Kades Kopfpolster vergraben und die Arme an der unteren Bettkante abgestützt. Er lag seitwärts neben ihr, fuhr mit der Hand unter ihrem T- Shirt ihren Rücken auf und ab und las parallel zu ihr ein paar Zeilen in ihrem Buch mit; er fand es nach wie vor spannend ihr beim Lesen zuzusehen.
„So, jetzt bin ich dran", beschloss Val und klappte ihr Buch zu. Sie rollte zur Seite und warf Kade einen auffordernden Blick zu. „Lass mich's nochmal sehen"
Seufzend folgte er ihrer Bitte, legte sich so wie sie auf den Bauch und schob sein T-Shirt nach oben, damit sie freie Sicht auf sein neues Achievement hatte.
Val setzte sich rittlings auf seinen Po, was ihn einen zuckenden Schmerz, so plötzlich wie einen Blitzeinschlag, erfahren ließ. Kade gab ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich, woraufhin Val sich entschuldigte und eine neue Position einnahm.
Die Folgen der Decke, die vor ein paar Wochen auf ihn eingestürzt war, machten sich erst spät bemerkbar. Viele Schmerzen bereiteten ihm die Prellungen nicht mehr, doch die blauen Flecken, die er hatte, stammten nicht vom Finalkampf, den er trotz allem kurz danach bestritten hatte.
„Tut's immer noch weh, Baby?", erkundigte sich Val mitleidig und fuhr Kade durchs Haar. Sie legte sich neben ihn, sodass ihre Gesichter auf gleicher Höhe waren.
„Offensichtlich...", meinte er halbherzig und gab ihr mit einem gespielt heldenhaften Blick zu verstehen, dass es mehr braucht, als nur ein paar herabfallende Steine, um ihn lahmzulegen. Sie lächelte, gab ihm einen schnellen Kuss und rutschte ein Stück zurück, um seinen Rücken begutachten zu können.
Kade spürte sie zwar die beiden waagrechten Linien, die die Belohnung für einen weiteren Sieg gegen Hunter waren, mit ihren Fingern nachzeichnen, gedanklich ließ ihn ihr kurzes Gespräch allerdings abdriften.
Er hatte bei den Aufräumarbeiten seiner Trainingsarena mitgeholfen, wo er und die anderen Helfer eine Entdeckung machten, die ihn seither nicht mehr losließ. Die Überwachungskamera, die eigentlich an der Wand direkt neben den Kästen mit den Aufzeichnungen der Trainer angebracht war, konnte unter all dem Schutt nicht gefunden werden. Kade kam also zu dem Schluss, dass sie jemand zuvor bereits abmontiert haben musste, so als wollte dieser verhindern bei der Sabotage des Raumes gefilmt zu werden. „Hey, hab ich dir eigentlich schon erzählt", durchbrach Kade die Stille und machte Anstalten sich umzudrehen, „was wir beim Aufräumen gefunden haben? Oder besser, was wir nicht gefunden haben?"
„Du hast mir gar nichts vom Aufräumen erzählt", verneinte Val und setzte sich im Schneidersitz ans Kopfende des Bettes.
„Also, die Überwachungskamera hat gefehlt und ich bin mir ziemlich sicher, jemand hat sie geklaut"
„Wieso sollte die jemand klauen?", fragte sie.
„Um nicht gesehen zu werden, zum Beispiel?"
„Ich meine, man könnte sie doch auch einfach abdecken"
„Das wäre zu auffällig, wenn nur ein Stück des Films fehlt"
„Ach, aber eine ganze Kamera zu entwenden etwa nicht?", entgegnete Val und zeigte mit ihren Händen, die ungefähre Größe des Gerätes, die sie vermutete.
„Keine Ahnung...", überlegte Kade. „Vor einiger Zeit habe ich an einem Abend Hunter mal zum Trainingsgelände gehen sehen..."
Beim Fall dieses Namens machte Val ein genervtes Geräusch. „Geht das schon wieder los – du weißt genau, dass ich nichts davon hören will, was zwischen dir und Hunter abgeht" Kade konnte an ihrem Blick ausmachen, dass sie es vermutlich bereute ihr Buch beiseitegelegt zu haben, doch er versuchte es trotzdem: „Ich weiß, aber hör mir zu. Der Hohlraum über der Decke war nass, ja? Und mein Dad hat doch von fehlenden Wassereinheiten erzählt, weißt du noch?" Er wartete eine Reaktion ab, ob sie seinem Einfall folgen konnte, doch ihre Miene veränderte sich kein Bisschen. „Hunter ist einer von den Schleppern. Er hat die anderen bestimmt bestochen, damit sie ihm helfen die Kanister dorthin zu schaffen"
„Hörst du dir eigentlich selbst zu?", fragte sie kopfschüttelnd mit noch immer genervtem Gesichtsausdruck.
„Ach, komm schon, für mich ergibt das Sinn" In Kades Augen ergaben all seine Ideen Sinn, doch nur selten taten sie das auch automatisch für Val. Deshalb war er es gewöhnt mit ihr zuerst Diskutieren zu müssen, bevor er sie schlussendlich überzeugen kann.
„Wo ergibt es bitte Sinn für dich, dass er so einen Aufwand betreiben würde, nur um dich kampfunfähig zu machen?", wollte Val wissen.
Kade lachte spöttisch auf. „Wir sind jetzt an einem Punkt angekommen, an dem der Arsch alles tun würde, um mich loszuwerden. Ich glaub, er würde lieber sterben, als das Ding zu verlieren"
„Ich würde auch gerne Oberhaupt werden und hab dieselbe Ehre zu verteidigen wie er, falls es dir noch nicht aufgefallen ist", behauptete Val und verschränkte die Arme. „Tue ich deshalb alles Mögliche, um dich auszuschalten?"
„Val, bitte", seufzte Kade und setzte sich auf. „Jeder, der noch im Rennen ist, will gewinnen. Aber das zwischen mir und Hunter, das... keine Ahnung, das ist irgendwas Persönliches..." „Oh, und das was wir beide haben, ist nichts Persönliches?", fragte sie bewusst offensiv und zeigte mit dem Finger zwischen ihnen hin und her.
„Wie ist das denn jetzt gemeint?"
Sie stand auf und ging im Zimmer hin und her. „Du warst es, der gesagt hat, er wolle nicht, dass die Wettkämpfe zwischen uns kommen"
„Ja?", hakte Kade nach, da er immer noch nicht verstand.
„Dann hat Hunter eben den Trainingsraum sabotiert, aber was willst du noch dagegen machen? Du hast trotzdem gegen ihn gewonnen, es hat ihm also nichts gebracht!", versuchte Val ihm Vernunft einzureden.
„Ach, und du glaubst, ich lass es jetzt einfach so auf mir sitzen, dass er mich verdammt nochmal umbringen wollte?!", verteidigte er sich und stand ebenfalls auf, um größer als sie zu sein.
„Nein, das erwarte ich nicht von dir", sagte sie und ging ein paar Schritte auf ihn zu. „Ich will nur, dass dir klar ist, dass ich genauso dafür kämpfe, dass unsere Familie an der Spitze bleibt. Und wie ich dich kenne, würdest du ebenso alles tun, um uns zu Fall zu bringen, weil du... unfassbar stur bist und einfach nicht weißt, wann du aufhören sollst" Sie stand nun nur wenige Zentimeter von ihm entfernt und Kade machte Anstalten sie zu berühren, um sie zu beruhigen, doch ihren Worten nach zu urteilen, erwartete sie genau dies.
„Ja, mag sein, dass ich den Typen auch nicht sonderlich mag", fuhr Val fort, „aber in der Arena stehen wir auf derselben Seite. Deshalb war ich froh, als du meintest, das Ding soll nicht zwischen uns kommen. Aber jetzt... glaube ich, dass es das leider tut"
Einen Moment lang sah sie Kade noch an, damit er sich ihr mehr enttäuschtes, als wütendes Gesicht einprägen konnte, dann wandte sie sich ohne ein weiteres Wort ab.

an unalike romeo and juliet storyWhere stories live. Discover now