Kapitel 3

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Natürlich musste ich meinen Wecker überhören, wie sollte es auch anderst sein? Mein zweiter Tag an der Schule, und ich würde zu spät kommen! Fürs Frühstück hatte ich keine Zeit, ich zog mich so schnell an wie ich konnte und sauste los. Nur eine Minute später stürmte ich zurück in mein Zimmer. Drei volle Stunden hatte ich am gestrigen Tag für das blöde Orchestervorspiel geübt und nun hätte ich fast meine Geige vergessen. Typisch.

Schweissgebadet und genau in letzter Minute schaffte ich es ins Klassenzimmer. Mr. Frey sah mich vorwurfsvoll an, anscheinend hatte er schon mit der Stunde begonnen. Ich presste ein "Entschuldigung" hervor und warf mich neben Rosa auf den Stuhl. "Was haben wir jetzt eigentlich?", fragte ich sie leise, als mir auffiel, dass wir gar kein Englisch hatten. " Eine Tripelstunde Musik. Wieso auch nicht, anstatt uns rechtzeitig Bescheid zu geben, dass sie heute krank ist, hat die liebe Mrs. Carolina entschieden, dass uns eine weitere öde Stunde mit Klaviergeklimper sicher nicht schadet." Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen. Rosalia mochte nicht viele Fächer, eigentlich gefiel ihr so gut wie gar nichts ausser Bildnerisches Gestalten und Sprachen. Ich war eher der Typ für die Naturwissenschaften; Mathe lag mir einfach, Physik faszinierte mich und die Biologie- und Chemiestunden gestern waren fantastisch. Zum Schrecken aller mochte ich Mrs. Delanay gut leiden. Sie schweifte nicht ab, erklärte den Stoff fehlerfrei und fügte interessante Anekdoten hinzu. Ich verstand beim besten Willen nicht was die Anderen gegen sie hatten, aber sogar Nathaniel mochte sie nicht. Und anscheinend hatte das was zu heissen, denn, wie Melodie auch, schien er ein fleissiger Schüler mit vielen Interessen zu sein. Was den Rest anging, die waren froh, dass sie nur noch ein Jahr vor sich hatten. Der grösste Teil der Klasse kritzelte die Hefte und die Bänke voll und hoffte darauf, dass die Stunden bald zu Ende sein würden, so wie jetzt auch. Mr. Frey war damit beschäftigt, Li die Pentatonik zu erklären, die es aber partut nicht verstehen wollte. "Heisst das jetzt, ich darf nur die schwarzen Tasten benutzen? Das ist doch voll rasistisch!" Der arme Mr. Frey rieb sich zum wiederholten Male die Stirn und begann von neuem zu erklären, dass es dabei nicht um die Tasten, sondern um die Abstände zwischen ihnen ginge, doch es brachte nichts. Die meisten hatten mit den Übungen aufgehört und lauschten gespannt dem Gespräch, einige (Alexy) konnten sich ein Lachen nicht verkneifen. Auch Rosa stubste mich an und verdrehte die Augen. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf und wollte mich wieder den Aufgaben widmen, als mich auf einmal jemand anblaffte: "Ach, Ms. ich komme aus der Schweiz und weiss alles besser findet das wohl lustig, was?" Erstaunt blickte ich auf und starrte in zwei eisblaue Augen. Oh nein, das war Amber, Rosa hat mich doch gestern vor ihr und ihrer Clique gewarnt. "Ich... ich hab doch gar nichts gemacht", stotterte ich herum. Wieso rechtfertigte ich mich eigentlich? "Nein? Ich habe doch gesehen das du über Li gelästert hast, ich weiss zwar nicht wie es bei euch einherging, aber in unserer Schule wird Mobbing nicht toleriert!" Unfassbar starrte ich sie an, nicht fähig, mich irgendwie zu erklären. Beim Wort Mobbing hob der Lehrer den Kopf: "Was geht hier vor meine Damen?" ~ "Die Neue hat sich über Li lustig gemacht weil sie den Stoff nicht sofort verstanden hatte und jetzt leugnet sie es! Wir haben doch alle gesehen, wie sie gelacht hat". Sofort waren alle still, keiner getraute sich, etwas zu sagen, denn es stimmte. Nur dass ich nicht die einzige war. Rosa fand sich als erste wieder und wollte etwas erwidern, doch ich griff ihr ums Handgelenk und schüttelte leicht den Kopf. Mr Frey wandte sich an mich, "Amber hat recht, Lydia, Mobbing wird nicht geduldet, ich bedaure es sehr, dass Sie das Jahr mit einer solchen Aktion starten. Bitte packen sie ihre Sachen und verlassen sie das Zimmer, ich erwarte Sie am Ende der Stunde zurück." Ich wagte es nicht zu widersprechen, mechanisch suchte ich meine Sachen zusammen und verlies den Raum. Was war gerade passiert? Ich wurde tatsächlich rausgeschmissen! Meinen Eltern werde ich es wohl erklären können, aber einen Eintrag wird es wahrscheinlich trotzdem geben... Das konnte doch nicht wahr sein.

Mangels besserer Ideen, arbeitete ich an den Übungen weiter, dann las ich mich in das nächste Kapitel und arbeitete weiter. Der Inhalt war überraschend interessant, anscheinend legte Mr. Frey grossen Wert darauf, dass wir die Musiktheorie verinnerlichten. Während ich ein Kapitel nach dem anderen bearbeitete, hörte ich, wie die anderen zu singen begannen. Die letzte Stunde hat wohl angefangen. Nach ein, zwei ziemlich missglückten Liedern musste jeder eine anscheinend gegebene Tonleiter vorsingen. Ich konnte mich vor Lachen kaum halten, während eine schiefe Mollleiter nach der anderen kam. Dann eine korrekte Durleiter, eine Männerstimme, wieder zwei verpatze Mollleiter, eine korrekte natürliche Molltonleiter, eine Frau und schliesslich eine fast richtige melodische Molltonleiter, wieder ein Mann. Zum Schluss hörte ich Rosas Stimme heraus, die leider ganz und gar nicht die vorgegebenen Töne traf. Lächelnd wandte ich mich wieder den Übungen zu, während aus dem Zimmer eine wohlgemeinte Version von Hey Jude drang. Als ich mit dem Skript durch war, lehnte ich mich gegen die Wand, packte meine Geige aus und begann eine Melodie zu zupfen. Ich schloss die Augen und konzentrierte mich auf die richtige Handstellung. Die Melodie hatte keinen Ursprung, sie war nur so dahinimprovisiert, doch mir gefiel die Richtung und ich spielte weiter. "Nicht schlecht, was ist das?" Ich war so in mein Spiel vertieft, dass ich gar nicht gemerkt hatte, dass jemand mir gegenüber stand. Doch die Stimme erkannte ich. "Korrektes Dur", bemerkte ich lächelnd, während ich nach dem Namen suchte. "Lysander", fiel es mir dann ein. Er nickte und setzte sich neben mich an die Wand. "Du spielst Violine", es war keine Frage, mehr eine Feststellung. "Spielst du heute vor?", fragte er zweifelnd. "Ich hatte es vor. Wieso, sollte ich es lassen?", oh nein, dachte ich, bitte nicht. Ich hatte keine Lust auf eine Sport–AG. "Naja, das Schulorchester ist nicht schlecht, es ist sogar ziemlich gut, nur, willst du dich nach dieser Aktion vorhin noch unbeliebter machen?" meinte er und lächelte mich schüchtern an. Sofort verschlechterte sich meine Laune. "Mir ist es egal was die anderen denken, ich wähle sicher keine AG um mich beliebter zu machen, wir sind schliesslich nicht mehr in der Sekundarstufe. Ausserdem habe ich keine Lust auf Kunst oder auf eine Sport–AG, die eh nicht ernst gemeint ist. Dann bin ich eben die Loserin, die im Orchester die erste Geige spielt..." murmelte ich und versorgte das Instrument. "So gut bist du?", fragte er, auf einmal sehr interessiert. Ich merkte, was ich gerade gesagt hatte und zuckte mit den Achseln. "Nein, wahrscheinlich nicht, aber das wäre doch etwas, nicht?" ~"Auf jeden Fall, erzähl mir dann, wie das Vorspiel gelaufen ist. Aber ich denke, du solltest jetzt zu Mr. Frey ins Zimmer gehen, er wartet nicht gerne..." ~ "Ja klar", sofort nahm ich meine Unterlagen und ging in Richtung Zimmer. "Ausserdem", ich drehte mich wieder zu ihm um, "es ist schön endlich einmal jemanden zu treffen die zu ihren Interessen steht. Und ganz ehrlich, ich habe vorher auch gelacht". Ich lächelte verunsichert und betrat dann das Musikzimmer.

How you changed my life... {Castiel Fanfiction}Όπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα