Herzklopfen und Wohlgefühl

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Gregory spürte, dass sich die Stimmung verändert hatte. Er wusste nicht genau, warum, aber irgend etwas schien in Mr. Holmes vorzugehen, er schien sich anzuspannen irgendwie in sich selbst zu versinken.
Er wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte, und so widmete er sich ganz der Panna cotta, die im übrigen himmlisch war. Unbewusst schleckte er sich erneut die Lippen und bemerkte dabei, wie Mycrofts Blicke förmlich an ihm klebten. Er wollte die seltsame Atmosphäre ein wenig brechen, daher fragte er:
„Und, Mycroft, was gibt es von Ihnen zu erzählen?"

Mycroft räusperte sich, er war offenbar sehr weit weg gewesen mit seinen Gedanken.
Dann jedoch sagte er:
„Meine Familie ist uninteressant. Nun, vielleicht nicht Sherlock, aber den kennen sie ja schon. Verheiratet war ich noch nie, ich habe bisher nie die Notwendigkeit gesehen, einen anderen Menschen nahe genug an mich heranzulassen. Meine Arbeit ... nun, ich habe einen untergeordneten Posten bei der britischen Regierung inne, doch der Posten fordert mich voll und ganz, so dass ich nie ..."

Gregorys Herz zog sich ein wenig zusammen. Es schmerzte ein wenig, und Greg fragte sich, warum? Das hier war ein Essen, bei dem es um Sherlock ging. Es war kein ... Essen unter Freunden. Oder gar ein Date. Also, warum tat ihm diese Aussage so weh?
Du bist albern, Lestrade, sagte er zu sich selbst.
Er blickte auf und sah seinem Gegenüber in die Augen.
Und dann traf es ihn wie ein Hammerschlag.
Das war der Augenblick, wo auch Greg Lestrade sich eingestehen musste: Er kannte Mycroft Holmes erst seit gestern Abend, und doch: Er war verliebt. Wie ein Teenager. Mit Herzklopfen und dem Gefühl, sich in der Gegenwart des anderen unfassbar wohl zu fühlen.
Wie zum Teufel hatte das passieren können? So kurz nach seiner Trennung?
Und was, vor allem, sollte er jetzt tun?

„Mycroft, ich ..."
„Gregory ..."
Sie hatten gleichzeitig zu sprechen begonnen und stockten nun beide. Keiner von ihnen wusste, was er sagen oder tun sollte.
Schließlich gelang es Gregory, sich ein wenig zusammen zu nehmen.
„Mycroft, ich genieße den Abend hier sehr."
„Ich auch, Gregory."
Lestrade beschloss, alles auf eine Karte zu setzen und einen Vorstoß zu wagen.
Er beugte sich leicht zu dem anderen und legte sanft seine Hand auf die von Mycroft.
Würde er sie zurückziehen? Sich entsetzt oder unangenehm berührt zeigen?

Mycroft tat nichts dergleichen. Er sog scharf die Luft ein, doch dann ... lächelte er. Ein beinahe schüchternes Lächeln.
„Es gefällt mir, mit Ihnen Zeit zu verbringen und zu reden", sagte er leise.
„Mir gefällt es auch", sagte Gregory.
Eine Weile schwiegen sie.
Dann räusperte sich Mycroft.
„Es ist ungewohnt für mich, mich auf diese Weise an der Gesellschaft eines anderen zu erfreuen. Daher bitte ich Sie, Verständnis für mich zu haben, wenn ich mich ungeschickt anstelle."
„Das tun Sie nicht", antwortete Gregory. „Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, ich darf hier hinter eine Fassade blicken, die Sie um sich errichtet haben, und ich habe auch das Gefühl, dass dieses Privileg nicht vielen Menschen zu Teil wird. Und das ist ... es schmeichelt mir."

Oh Gott, wie gerne würde ich ihn jetzt küssen, dachte Mycroft. Doch er traute sich nicht. Dafür war es definitiv noch zu früh.
Oder?
Doch, sicher.
„Sie haben Recht. Ich habe tatsächlich Ihnen gegenüber meine Schilde gesenkt. Und ja, es gibt nicht viele Menschen, für die ich das tue."
Er räusperte sich erneut.
„Gregory, ich ... bitte verzeihen Sie, es ist nur ... das ganze ist so neu für mich. Ich gebe zu, ich fühle mich gerade ein wenig überwältigt ..."
Lestrade nickte voller Verständnis.
„Ein wenig geht es mir auch so. Vielleicht ..."
Er blickte auf seine Armbanduhr.
„... nun, es ist spät und wir müssen doch sicher beide früh raus ... also vielleicht sollten wir den Abend an einem so wunderbaren Augenblick beenden."
Seine schokoladenbraunen Augen schauten Mycroft voller Wärme und Zuneigung an.
„Und", fuhr er leise fort, „bald möglichst wiederholen."

„Ja, das sollten wir", sagte Mycroft. „Und Gregory – Danke."
Greg lächelte.
„Ich danke Ihnen, Mycroft. Immerhin haben Sie mich eingeladen."
„Das habe ich nicht gemeint."
„Ich weiß."
Sie schauten sich an und schwiegen wieder einen Augenblick.

Dann rief Mycroft nach dem Ober. Er ließ sich die Rechnung bringen und zahlte mit einer seiner Kreditkarten.
Er begleitete Gregory zur Garderobe und half ihm in seinen Mantel.
Sie traten hinaus in die Nacht.
Gregory nahm Mycrofts Hände in seine.
„Mycroft, der Abend war wunderbar. Es war schön, mit Ihnen auszugehen, und ich hab jede einzelne Minute genossen. Ich möchte das gerne wiederholen, und wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich das nächste Date organisieren. Einverstanden?"

Ein Date. Da hatte er es also ausgesprochen. Für Gregory Lestrade war der heutige Abend ein Date gewesen. Mycroft fühlte Wärme durch seinen Körper strömen, trotz der Tatsache, dass es hier draußen kalt und feucht war.
„Ja", sagte er lächelnd. „ich bin einverstanden und ich freue mich darauf."

„Einen Kuss gibt es aber erst beim dritten Date", sagte Gregory grinsend, und dann tat er etwas, was Mycrofts Gesicht geradezu erglühen ließ. Gut, dass es hier draußen dunkler war. Greg stupste ihm mit dem Zeigefinger auf die Nase.
Wie kann eine so harmlose Geste nur so überwältigend sein? Sie hatte einfach kein Recht dazu!
Mycroft war ein wenig überfordert, und daher war er nicht böse, als Gregory es ablehnte, nach Hause gefahren zu werden.
„Es ist nicht weit", sagte er, „und ich möchte lieber durch die Nachtluft nach Hause laufen."

Gesagt, getan, als Mycrofts Auto außer Sicht war, machte Greg sich auf den Weg. Ein breites Grinsen zierte sein Gesicht und kaum war er ein paar Schritte gegangen, begann er, ein fröhliches Liedchen zu pfeifen.

Er war schon fast zu Hause, als ihm auffiel, dass sie gar nicht über Sherlock geredet hatten.

Was kann ich für Sie tun?Where stories live. Discover now