weich und knusprig

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Der Apfelkuchen war in der Tat köstlich. Er hatte eine weiche, saftige und perfekt gewürzte Füllung, nicht zu süß, doch süß genug, und eine herrlich knusprige Kruste.
Mit der frisch aufgeschlagenen, kühlen Sahne dazu war er ein Gedicht.
Ein Gedanke schoss Mycroft durch den Kopf und er schmunzelte. Gregory sah das verschmitzte Schmunzeln über sein Gesicht huschen und fragte:
„Was?"
„Nun", sagte Mycroft, „Man sagt, Essen sei der Sex des Alters, und wenn man dir dabei lauscht, könnte man zu dem Schluss kommen, dass das stimmt!"
Gregory schaute verdutzt, dann lachte er.
„Na hör mal. So alt fühle ich mich noch gar nicht mit gerade mal fünfzig!"
Mycroft lachte ebenfalls.
Dann sagte er leise:
„Das ist schön zu hören."

Gregory stellte die Dessertteller auf die Spüle. Dann nahm er den kleinen Espressokocher, den ihm mal jemand zum Geschenk gemacht hatte und den er lange nicht benutzt hatte.
Er befüllte ihn mit Wasser und Espressopulver und stellte ihn auf den Herd. Er lauschte dem Zischen und Gurgeln des Wassers, schließlich dem Brodeln und lauten Pfeifen, nahm ihn von der Flamme und verteilte das Getränk auf zwei Tassen.
Mycroft hatte ihm mit Vergnügen dabei zugesehen. Es war ein schönes Bild, wie all die Handgriffe ineinander übergingen, die Augen hellwach schauten, die Stirn sich in konzentrierte Falten zog.

Der Espresso selber tat gut und schmeckte hervorragend.
Während Mycroft einen winzigen Schluck nahm, pustete Gregory über den Rand der Tasse und sagte ein wenig schüchtern:
„Ich könnte es dir vielleicht beweisen."
Mycroft, der den Faden des Gedankens verloren hatte, fragte:
„Was meinst du?"
Gregory wurde rot.
„Nun, dass ich noch nicht zu alt bin, um Sex und Essen unterscheiden zu können."
Mycroft verschluckte sich an seinem Espresso. Meinte Gregory das ernst? Wirklich? Er wollte ... mit ihm ...?
„Ich ...", sagte er, und wieder verließ ihn sein sonst so ausgeprägtes Vermögen, in jeder noch so vertrackten Situation die richtigen Worte zu finden.

„Oh Gott, ich bin schon wieder zu schnell, oder? Oh Mycroft, wie es aussieht benehme ich mich so unsensibel. Dir gegenüber bin ich offenbar ein richtiger Bauerntrampel ..."
Wieder war es an Mycroft, ihn zu beruhigen.
„Nein Gregory, das ist ist nicht ... ich meine, ich möchte gern mit dir ... es gibt so vieles was ich mir mit dir vorstellen kann, es ist noch Sahne übrig und man kann Essen und Sex auch prima miteinander verbinden ..."
Himmel, was redete er da.
„Es ist nur, Gregory – ich habe Angst."

„Angst? Mycroft, wenn wir beide Sex haben, werden wir nichts tun, mit dem wir nicht beide einverstanden sind und uns wohlfühlen, und auch wenn man es nicht glauben mag, werde ich sanft und vorsichtig sein, wirklich, das kann ich!"
Greg strich ihm sanft über die Wange
„Aber wenn du noch warten möchtest, ist das auch gut. Ich möchte ..."
Er schluckte.
„Ich weiß, es ist dumm, denn wir kennen uns doch erst ein paar Tage. Aber ich wünsche mir, dass aus uns beiden ... mehr wird."
Mycroft griff nach Gregorys Hand.
„Dann ist das hier für dich nicht nur ein ... Bettabenteuer?"
„Nein", sagte Greg leise. „Ich möchte etwas mit dir aufbauen, das etwas anderes ist. Eine richtige Beziehung. Ich möchte dein Partner sein."

Mycroft schloss die Augen.
Das klang wunderbar. Wie es aussah, war sein Leben gerade dabei, sich komplett umzukrempeln, und das alles wegen diesem Mann vor ihm, dem attraktiven, grauhaarigen, warmherzigen Polizisten.
Noch vor wenigen Tagen hätte er sich das nicht vorstellen können. Und es fühlte sich einfach gut an.

Gregorys Augen ruhten nach Antwort suchend auf ihm.
„Mycroft, ist es das, wovor du Angst hast? Das ich nur ein bisschen Spaß mit dir will? Und dich dann hinter mir zurücklasse?"
Mycroft schwieg.
„Ist es, weil du in der Vergangenheit so etwas schon erlebt hast?", fuhr Gregory fort.
„Mehrfach", flüsterte Mycroft.

„Oh Mann." Greg massierte sich die Nasenwurzel.
„Mycroft, hör zu. Ich weiß nicht, wer dir in deiner Vergangenheit so weh getan hat. Aber ich bin anders. Das hier mit uns ist anders. Wenn es nach mir geht stehen wir erst am Anfang und werden noch ganz viele gemeinsame Jahre haben. Ich will es, und wenn du das auch willst, dann steht uns eine wunderbare Zukunft bevor."
Er beugte sich vor und setzte Mycroft einen sanften Kuss auf die Stirn.
„Und jetzt, mein Lieber, vergessen wir die Sache mit dem Sex erst einmal. Wir gehen ins Wohnzimmer, nehmen und ein Glas Wein mit, setzen uns aufs Sofa und reden."
Mycroft nickte.
„Vielleicht", sagte Greg, „passt ein bisschen Kuscheln auch in unseren Plan."
Mycroft wurde wieder rot um die Nase. Er nickte und sagte:
„Kuscheln passt perfekt."
„Ich werde dafür Sorge tragen, dass du die Angst verlierst", sagte Greg und zog ihn hinter sich her.

Kuscheln und reden, lachen und wieder kuscheln. Es war schön, und Mycroft hatte das Gefühl, hier in dieser kleinen Wohnung zu Hause zu ein, hier her zu gehören.
Es war alles so vertraut und so voller Geborgenheit.
Wie Gregorys Augen blitzten, wenn er lachte.
Wie seine Hände ihn immer wieder streichelten.
Wie ihre Knie sich immer wieder berührten.

Sie mussten beide morgen nicht früh raus. Und Mycroft, den so gar nichts in seine leere große Wohnung zog, fing an, die Entscheidung von vorhin immer wieder zu überdenken.
Sie waren zwei erwachsene Menschen, und Gregory war einfach viel zu gut, um so mit ihm zu spielen. Er schien ihn wirklich zu mögen, und dass er, Mycroft, Greg mehr als nur mochte, hatte er sich längst eingestanden.

Und so kam es, dass Mycroft schließlich Greg wieder zu sich heranzog. Ihn küsste. Tief und intensiv. Ihn zum Stöhnen brachte und spürte, dass Gregs schmal geschnittene Jeans verdammt eng wurde.
Seine Hose im übrigen auch.
„Ich habe keine Angst mehr", flüsterte er in Gregs Ohr.

Was kann ich für Sie tun?Where stories live. Discover now