Eingesperrt: zehn Kilometer über der Erdoberfläche mit einem Haufen Verrückte

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Im Flugzeug saß ich dann allein. Also irgendwie. Es hatte sich einer der jungen Spieler, der das erste Mal mit der Profimannschaft unterwegs war, neben mich gesetzt. Er hatte seine Beats auf, starrte durch den Gang.

Ich sah den Jüngeren nur skeptisch an, musterte ihn misstrauisch und seufzte dann. Ich identifizierte diesen als Kai Havertz, das Juwel der Leverkusener. Meiner Meinung nach nicht einer dieser One-Season-wonder, der Junge hatte wirklich Talent. Wieso er aber nicht neben seinem Julian Brandt saß, war mir ein Rätsel, was später zu lösen galt.

"Flugangst?" Grummelte ich, sah den Leverkusener immer noch misstrauisch an und seufzte dann, sobald ich merkte, dass er ja wahrscheinlich so laut seine Musik anhatte, dass er mich gar nicht hören konnte.

Doch nach einiger Zeit, als ich mich fast abgewendet hatte, nickte er leicht, war aber immer noch tief in seinen Gedanken und starrte immernoch auf den Gang neben ihm, um nicht raussehen zu müssen.

Etwas überrascht über seine Antwort, weil ich nicht mehr mit einer Antwort gerechnet hatte, sah ich ihn an, nickte schüchtern und lächelte leicht.

Er hatte wohl meinen verwirrten Blick gemerkt, zog sich nämlich dem entsprechend seine Kopfhörer über den Kopf und hing sie sich in den Nacken. "Hab keine Musik an, mag es nur nicht, angesprochen zu werden." Sagte nun der Dunkelhaarige leicht schüchtern, zuckte aber frech mit seinen Schultern und lächelte mich dann an.

So hatte ich mir Havertz gar nicht vorgestellt, schüchtern, aber frech. Aber schüchtern. Das passte irgendwie nicht zusammen, aber irgendwie war ja jeder Mensch komisch und kompliziert.

Ich nickte wieder nur und sah dann aus dem Fenster. Ich wusste nicht, was ich noch mit dem Bayer zu bereden hatte, also schloss ich meine Augen, was sich als dumm erwies, weil es in einem Flugzeug, zehn Kilometer über der Erdoberfläche mit einem Haufen Idioten unmöglich war zu schlafen. Hatte ich wohl vergessen.

Scheiße gelaufen.

"Du bist die Kommentatorin, nicht?" Argwöhnisch musterte mich der Dunkelhaarige und lächelte wieder schüchtern, was mir verriet, dass sie Frage nicht böse gemeint war.

Ich nickte schüchtern, kratzte mir verlegen an meinem Hinterkopf und sah dann auf den Leverkusener, der auch nur verstanden nickte. Das war es dann auch schon wieder mit unserem Gespräch. Mehr passierte nicht, weil Basti, wie man ihn kannte, versuchte für Stimmung zu sorgen.

Das funktionierte aber nicht wirklich, weil es Menschen in dieser Mannschaft gab, die ganz und gar nicht bereit waren, ihre Kopfhörer für Bastian abzunehmen, also ließ er es auch bleiben, nachdem er sich aufgerafft hatte, um etwas zu sagen, aber ihn niemand einen aufmerksamen Blick geschenkt hatte.

"Du hast doch nicht ernsthaft erwartet, dass dir auch nur im Ansatz jemand zuhört, Basti." Knurrte ich leise und kaum hörbar in mich hinein. Eigentlich sollte es auch niemand hören, aber Bastian drehte sich zu mir um und sah mich nur argwöhnisch an.

"Ich denke, du hast einfach eine falsche Sicht auf die Dinge, Leonie." Keifte er dann beinahe, drehte sich wieder und setzte sich seine Kopfhörer auf.

Ich nickte nur. Ja, vielleicht hatte ich das und vielleicht hatte ich auch eine falsche Einstellung und vielleicht ging ich auch falsch an die Sache ran, aber dieser Umgang untereinander ging für mich gar nicht. Das war der Grund, weshalb das mit der Europameisterschaft letztes Jahr nichts wurde, das war es, wieso die Mannschaft wie sie jetzt existierte, nichts erreichen würde und das war es, weshalb die Weltmeisterschaft nächstes Jahr noch viel zu weit in den Sternen stand.

Aber außer mir, schien es ja hier niemanden zu interessieren und außer mir, schien sich die ganze Mannschaft darum keinen Kopf zu machen. Vielleicht hielten sie es auch nicht für nötig, sich wieder einzubekommen.

Aber es war mehr als nötig und ich hoffte einfach nur, dass dieser Flug endlich ein Ende finden würde.

Es könnte UNS geben, doch es gibt SIE.Where stories live. Discover now