Kapitel 11

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Deine Sicht:
Jetzt bereue ich, dass ich Roman die letzten zwanzig Minuten des Unterrichts ignoriert habe. Jetzt stehe ich nämlich draußen im Regen und schaue seinem Auto hinterher, das den Parkplatz verlässt. Ohne mich. Eigentlich nicht schlimm. Wenn Alex zuhause wär. Aber er ist aus welchen Gründen auch immer heute nach Wien gefahren. Ich schaue noch immer Romans Auto hinterher, - naja eigentlich schaue ich dorthin, wo es vorhin noch stand - als mir ein Regenschirm über den Kopf gehalten wird. Ich spüre Heikos Körperwärme, auch wenn er sich wirklich Mühe gibt, Abstand zu halten.
,,Ich hab noch nen Platz im Auto frei.", bietet er an.
,,Und bevor du widersprichst, du hast keine andere Wahl. Wenn du durch den Regen nach Hause läufst und dein Bruder das erfährt, sind Roman und ich tot.", bemerkt er, ohne mich antworten zu lassen.
,,Seit wann interessiert mich das? Seit wann interessiert euch das? Seit wann interessiert DICH das?!", ich werde mit jeder Frage lauter.
Darauf bekomme ich keine Antwort. Heiko drückt mir lediglich den Schirm in die Hand. Dann schnappt er sich meine andere Hand, um mich zu seinem Auto zu ziehen.
,,Heiko verdammt ich will das nicht!", wehre ich mich und ziehe meine Hand aus seiner.
Er kommt mir bedrohlich nah.
,,Du wirst jetzt mitkommen.", befiehlt er.
Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Ich versuche meine Angst zu verbergen.
,,Du bist nicht mein Bruder und erstrecht nicht mein Vater. Also hast du mir nichts zu sagen.", erwider ich und drehe mich um.
Heiko greift erneut nach meiner Hand und zieht mich zurück.
,,Was ist dein verdammtes Problem?! Du sollst nur mit mir nach Hause fahren. Ich will dich ja nicht vergewaltigen.", knurrt er genervt.
Ich schlucke fest. Dieses Wort hätte er besser nicht sagen sollen. Wie auf Knopfdruck wiederholt sich die eine Nacht von vorne bis hinten immer wieder in meinem Kopf. Die Bilder lassen mich einfach nicht los. Und wieder rollen die Tränen. Ich nehme den Schirm runter und lass den Regen auf mich prasseln, damit Heiko die Tränen nicht sieht. Was ist denn los mit mir? Wo kommt die ganze Flüssigkeit her, dass ich so oft weinen kann?! Da stehen Heiko und ich nun. Beide vom Regen durchnässt und ich mit Tränen überströmt. Auf einmal spüre ich zwei erstaunlich warme Hände an meinen Wangen. Heikos Hände.
,,Guck mich an.", murmelt er mir beruhigend zu.
Langsam lasse ich meinen Blick in die strahlend blauen Augen meines Gegenüber wandern.
,,Alles ist gut D/N, hörst du? Ich bin hier, alles ist gut.", flüstert er.
Ich falle ihm nahezu in die Arme und lasse das Wunder geschehen. Das Wunder seiner Berührung, seines Duftes, seiner Anwesenheit. Das Wunder, das all diese schrecklichen Bilder in meinem Kopf verschwinden lässt.

Nur die Außenseiterin (Heiko Lochmann)Where stories live. Discover now