Erntezeit

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Jenny PoV

Ich streiche mir eine Strähne meiner aschblonden Haare aus dem Gesicht und hinterlasse dort eine Spur aus Staub und Schweiß. Es ist ungewöhnlich warm für diese Jahreszeit und die Sonne brennt unbarmherzig auf mich herunter. Die Erntezeit hat begonnen und mein Vater rodet gerade mit meinem Bruder die Kartoffelfelder. Ich lese hinter ihnen die kleinen und beschädigten Kartoffeln ein und werfe sie in große Weidenkörbe. Ich durchsuche sorgfältig die trockenen und staubigen Furchen, denn jede Knolle, die ich finde dürfen wir für uns behalten. Die Haupternte geht wie immer an unseren Grafen als Steuern, dafür dass wir auf seinem Land leben und arbeiten dürfen. Er ist ein wahrer Halsabschneider und lässt uns Dorfbewohnern gerade mal das Allernötigste zum Überleben, manchmal auch weniger. Der letzte Winter war die Hölle, oft mussten wir mit knurrendem Magen ins Bett gehen. Ich habe meistens einen Teil meines Essens meinem kleinen Bruder überlassen, weil er viel härter arbeiten muss als ich.

Und wie auf ein Stichwort kommt mein Bruder Flori zu mir rüber „Hey Schwesterherz, kümmerst du dich um das Essen? Ich sterbe fast vor Hunger." Ich grinse ihn an. Das ist bei ihm eigentlich eher ein Dauerzustand. Aber schließlich ist er mitten im Wachstum. Ich nicke und nehme mir einen der Körbe. Ich gehe rüber zu unserem Häuschen. Wir wohnen abseits vom Dorf, umgeben von unseren Feldern und in der Nähe des großen Waldes. Früher hat es mich immer ein wenig genervt, dass wir nicht im Dorf wohnen, aber mittlerweile ist es mir sehr Recht nicht unter ständiger Beobachtung der Klatschweiber und noch schlimmer der Gefolgschaft unseres Grafen zu sein. Denn niemand von ihnen würde dulden, wie ich mich als Mädchen benehme und was ich tue. Viele von ihnen sind immer noch der Meinung, dass Vater mich nach Mutters Tod vor 4 Jahren besser in ein Kloster gegeben hätte, damit ich zu einer vernünftigen sittsamen Frau erzogen werden würde. Aber er hatte mich bei sich behalten. Er bat den Grafen um die Erlaubnis, dass ich bleibe um mich um meinen kleinen Bruder zu kümmern, der gerade mal acht Jahre alt war. Und damit ich für ihn und meinen Bruder den Haushalt mache und auf dem Feld helfen kann. Ich hasse Hausarbeit, aber ich mache sie halt, weil ich meinem Vater verdanke noch hier bei ihm und Flori zu sein und nicht in einem strengen Kloster. Ganz ehrlich, da mache ich das bisschen Arbeit im Haus tausend Mal lieber. Ich koche, mache die Wäsche und halte das Haus einigermaßen sauber.

Ich habe gerade die Schüssel mit den dampfenden Kartoffeln auf dem Tisch stehen, als Vater und Flori das Haus betreten. Sie nehmen Platz und Vater spricht ein kurzes Tischgebet. Früher hat Mama das immer gemacht. Ich vermisse sie immer noch schrecklich. Sie war so anders als alle anderen Frauen aus dem Dorf. Sie hat sich ebenfalls nie in die Rolle der Nur-Hausfrau pressen lassen und heimlich für eine Gleichstellung beider Geschlechter gekämpft. Sie hat mir sogar das Lesen und Rechnen beigebracht, was Frauen unseres Standes laut einem Gesetz unseres Grafen verboten ist. Und irgendwie habe ich immer noch den Verdacht, dass er etwas mit dem Tod meiner Mutter zu tun hat. Auch wenn es ihm nicht zu beweisen ist, aber er hatte allen Grund sie mundtot zu machen, bevor sie alle Frauen des Dorfes auf ihre Seite ziehen konnte. Ich hatte meinem Vater von diesem Gedanken erzählt, aber er hat es einfach ignoriert und mich ermahnt kein Wort mehr darüber zu sagen. Es wären die Gesetzlosen aus dem Wald gewesen, die meine Mutter beim Beeren sammeln überfallen haben. Ich habe ihm gehorcht. Zu groß war meine Angst, dass er mich vielleicht doch wegschicken könnte.

Vater hat sich verändert seit Mamas Tod. Er lebt nur noch für die Arbeit auf dem Feld. Wenn es gerade nichts zu tun gibt, dann verzieht er sich in seine Kammer. So auch heute. Die Feldarbeit ist für diesen Tag fertig. Ohne ein weiteres Wort zu uns, steht er vom Tisch auf und geht in sein Zimmer. Flori und ich bleiben allein zurück. „Was machst du heute noch?" fragt mein kleiner Bruder. Ich zucke mit den Schultern „Wahrscheinlich gehe ich jagen. Willst du mit?" Er verzieht sein Gesicht, denn er mag es nicht besonders, wenn ich auf die Jagd gehe. Das ist Männersache, aber das hat mich ja noch nie wirklich beeindruckt. Er schüttelt jetzt seinen Kopf und sagt „Ich muss die Kartoffeln noch fertig machen, damit wir sie morgen abliefern können. Aber musst du wirklich.." „Ja, wir haben nichts außer die Kartoffeln im Haus. Ich muss mal wieder was anderes essen." unterbreche ich ihn. Er nickt und murmelt nur „Pass aber bitte auf dich auf. Nicht, dass dir das Gleiche passiert wie Mama."Ich stehe auf und strubbele durch sein eh schon zerzaustes Haar „Klar. Kennst mich doch." Was ihn jetzt nicht wirklich beruhigt. 

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Und? Habt ihr Lust auf eine neue Geschichte? Diesmal etwas anders - eine andere Zeit, ohne wirklich etwas Übernatürliches - aber mit den altbekannten Charakteren und wieder ganz viel Spannung und Abenteuer ^^ Ich würde mich freuen, wenn ihr mir wieder fleißig Feedback da lasst mit Kommentaren und auch Sternchen <3

Der Prinz und das Bauernmädchen | GLP | FreedomsquadWhere stories live. Discover now