Nico, der Babysitter

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"Waaaaaaaaaaaah!"

Nico erschreckte sich so sehr, dass er hochschnellte und sich den Kopf an der über ihm hängenden Lampe einschlug.

"Waaaaaaaah!"

"Oh nein...", stöhnte er, sprang auf und stürzte zu Marie, seiner kleinen Nichte. Diese schrie gerade wie am Spieß und fuchtelte mit ihren kurzen Ärmchen in der Luft herum.

In der einen Hand hielt sie einen Bauklotz, den sie nun in Nico's Richtung schleuderte. Nico konnte dem Teil gerade noch ausweichen, und Marie fing an zu lachen.

Es klang süß, ihre schwarzen Locken wippten dabei mit. Nico musste lächeln - obwohl sie ihn gerade attackiert hatte.

"Komm her", sagte er und nahm sie auf den Arm. Er sah sich im Zimmer um - überall lag Spielzeug verteilt.

Und mittendrin saßen Bianca und Charlie. Charlie war Percy's und Annabeth's Sohn, Bianca war Nico's und Will's Adoptivtochter.

Apropos Will: der hatte sich heute mit seinen Kollegen aus dem Klinikum verabredet, und Nico allein zurückgelassen, mit drei Kleinkindern. Er war dazu verdonnert worden, weil er den Tag frei hatte.

Nico seufzte resigniert. Es war gerade mal zehn Uhr morgens, also hatte er noch viel zu tun. Er war heute schon um sieben aufgestanden. Zwischendurch hatte er versucht auf der Couch zu schlafen, aber war immer wieder geweckt worden.

Marie, Hazel's und Frank's Tochter, zappelte in seinen Armen. Sie zupfte an Nico's Ramones-T-shirt herum. Charlie und Bianca schauten ihn aus großen Augen erwartungsvoll an.

Meistens war es Will, der sich um Bianca kümmerte. Nico konnte nicht nachvollziehen, warum man ihm drei Kleinkinder anvertraut hatte. Er wurde ja nicht mal mit seiner eigenen Tochter fertig.

Zufälligerweise sah Bianca Nico ähnlich. Sie hatte schokobraune Augen, schwarze Haare und blasse Haut. Man hätte sie für ein Kind des Hades halten können, wenn man es nicht besser wusste. Und Nico und Will wussten es besser.

Charlie dagegen war Percy wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte seine schwarzen Locken, die meergrünen Augen und das ehrliche, lustige Lächeln.

“Gah-gah!“, gluckste Marie und grinste breit. Nico fühlte sich dezent überfordert, deswegen tat er das, was ihm gerade einfiel.

“Guh...guh!“, sagte er vorsichtig und stupste Marie an. Sie lachte und die beiden anderen Kinder stimmten mit ein. Nico seufzte erleichtert und setzte Marie ab.

“Na gut, dann...ähm...spielt mal schön“, sagte er unsicher und ließ sich auf die Couch fallen. Er schaltete den Fernseher ein und sofort waren alle Augen auf das flimmernde Bild gerichtet.

“Meinetwegen“, murmelte Nico, “dann macht ihr wenigstens keinen anderen Scheiß.“

Die Zeit verging. Bald waren zwei Stunden herum, und es wurde Zeit zum Mittagessen. Bianca quängelte herum und die anderen beiden Kinder wurden unruhig.

“Ba-ba?“, fragte Bianca leise und streckte die Arme nach oben.
Nico lächelte. Er mochte es, wenn sie ihn Papa nannte.

“Hast du Hunger?“, fragte er und Bianca nickte langsam.
Er ging in die Küche und fragte sich, was Bianca wohl haben wollte. Er hatte keine Ahnung, weil Will sich sonst immer darum gekümmert hatte.
Auch die anderen Kinder wollten bestimmt etwas haben.

Nico durchwühlte alle Schränke und den Kühlschrank, fand aber nur eine Packung Chips im hintersten Schieber, die er vor Will versteckt hatte.

“Okay“, sagte er zu sich selbst, “hier ist nichts zu finden, also...ist es Zeit für McDonald's!“

Das war auch so eine Angewohnheit: jeden Freitag in der Mittagspause fuhr er heimlich zu McDonald's und futterte dann das Fast Food so schnell wie möglich auf, bevor Will es irgendwie rauskriegte.

Nico schnappte sich die Kleinkinder, indem er sie alle in jeweils einen Buggy legte und festschnallte. Der McDonald's lag gleich um die Ecke, weswegen er den Familien-Van nicht brauchte.

Dann zog er sich eine Jacke über und schob die Buggys vorsichtig nach draußen. Zum Glück blieben die Kids ruhig, während sie fuhren. Das gleichmäßige Rollen des Buggys mochten sie.

Als sie ankamen, fiel Nico auf, dass er überhaupt nicht wusste, was die Kinder essen wollten. Aber er vermutete, dass ein Happy Meal immer gut ankommen würde. Die Dinger hatte er persönlich schon als Kind vergöttert und liebte sie immer noch.

Also bestellte er vier Happy Meals.
Auf dem Rückweg war er zu faul, die Buggys zu schieben, deswegen suchte er sich ein schattiges Plätzchen.  “Lust auf ne kleine Schattenreise?“, fragte er noch, aber die Kinder blieben still. Das deutete er als ja.

Nico und die Buggys verschmolzen mit den Schatten, und ab da lief alles schief. Als sie von völliger Dunkelheit umgeben waren, fingen die Kids an zu schreien. Das konnte Nico sogar nachvollziehen, und er fragte sich, wie er auf diese Idee gekommen war. Er selber fühlte sich, als ob ihm die Seele aus dem Körper gezogen werden würde. Wie musste es da erst den Kleinen gehen?

Das Geschrei verwirrte Nico, und er verlor die Kontrolle. “Fuck!“, zischte er und tappte wortwörtlich im Dunkeln. Außerdem war es nicht leicht, mehrere Personen zu transportieren. Er konnte sich noch gut an seine Reise mit Reyna, Trainer Hedge und der Athena Parthenos erinnern. Apropos Reyna: die könnte er auch mal wieder anrufen...

Die vier stolperten aus der Dunkelheit auf einen Steg an einem kleinen Teich. Und zwar genau am Ende, kurz vorm Wasser.  “Nein!“, schrie Nico und taumelte mit nur einem Bein auf dem Steg herum, wobei er versuchte, sich selbst, drei Buggys und vier Happy Meals zu halten.
Was natürlich unmöglich war.

Das nächste, was er spürte, war kaltes Wasser und um sich herum Plätschern und Gekreische. Er war mit dem Kopf unter Wasser, und als er versuchte aufzutauchen, schrammte er mit dem Gesicht am morschen Holz des Steges entlang.

Als er endlich wieder Luft bekam, sah er eine Hand über sich. Die Hand gehörte zu...Will. Nico schaute verwirrt, während seine nassen Haare in sein Gesicht fielen.
Er nahm Will's Hand dann doch entgegen und ließ sich aus dem Wasser ziehen. Auf dem Steg standen schon die Buggys plus Kinder. Nico atmete erleichtert auf.

Zwar waren alle klatschnass und zitterten, aber dennoch war die Stimmung okay. Ein paar von Will's Kollegen hatten die Buggys sofort aus dem Wasser gezogen. Nico erfuhr, dass sie sich hier im Park beim See verabredet hatten.

Will schaute streng. “Was hatte ich dir über Schattenreisen gesagt? Du siehst doch, was dabei rauskommt.“ Er reichte ihm ein Pflaster und eine Picknickdecke, die wohl als Handtuch dienen sollte.
“Ach ja, und hatte ich dir nicht gesagt, was Happy Meals für gesundheitliche Auswirkungen haben kann? Besonders für Kinder.“

“Aber es war nichts da!“, jammerte Nico und schlang sich die Picknickdecke um.
Noch nicht mal die Hälfte des Tages war um, und Nico hatte schon zwei Regeln gebrochen und war in einen See gefallen. Mit Kindern.

Will lächelte jetzt endlich. “Eigentlich...hatten Percy und Hazel gefragt, ob du morgen nochmal Babysitten könntest?“

PJ/Hdo Oneshots Where stories live. Discover now