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Draussen angekommen, atme ich tief durch und lasse die Luft in einem Stoß entweichen. Es ist Abend geworden und ich wundere mich gerade, wo die Zeit geblieben ist! Und dabei fällt mir auf, dass ich weder Mittag-, noch Abendessen gehabt habe. Bei dieser erkenntniss zieht sich mein Magen zusammen und ich lehne mich nach vorne, an die Brüstung der Verande. Das Gebäude, in dem alles stattfindet, liegt in einem der sichereren Distrikte und besitzt eine schöne Veranda, mit Blick in den weitläufigen Garten. Die Grillen zirpen und die Luft ist noch warm von der Sonne des Tages, die aber leider schon untergegangen ist.

"Alles in Ordnung bei dir?" Überrascht drehe ich meinen Kopf und sehe Levi, der sich neben mich an die Brüstung lehnt und mich einfach nur ansieht. Ich lasse meinen Kopf hängen. "Das hier ist doch alles erbärmlich. Ich bin erbärmlich..." murmle ich nur und schließe meine Augen. "Ertrinkst du gerade in Selbstmitleid?" brummt der schwarzhaarige und ich sehe ihn aus dem Augenwinkel an. "Ja. Und jetzt lass mich ersaufen." erwiedere ich muffig, doch er hält mir ein Glas hin. "Ersauf dich in dem. Ist um einiges amüsanter und lässt dich gesprächiger werden." Ich sehe ihn etwas misstrauisch und aus verengten Augen an.

"Gestern ist nie passiert." sage ich nur, nehme aber das Glas und richte mich auf. "Trotzdem danke." sage ich nur und er nickt, ehe ich ihm das Glas hinhalte. "Auf unsere kleinen und großen Geheimnisse!" Levi zieht eine Augenbraue hoch, ehe er mit seinem Glas an meines geht und es leise klirrt. "Und darauf, dass sie so wenig leute wie möglich wissen." fügt er hinzu und ich grinse, bevor ich mir einen weiteren Schluck gönne. Von der Veranda aus, sehen wir dem Treiben im inneren zu und ich genieße die Stille, die hier draussen herrscht. Lässt man die Grillen ausser acht.

"Sera?" "Hm?" Ich drehe meinen Kopf zu ihm und trinke dabei ein bischen was. "Wieso hast du so reagiert, als Gabriele ausgetickt ist?" Ich lege den Kopf schief und denke ein paar momente darüber nach. "Sollte man das nicht? So, als verlobte?" erwiedere ich und zucke dann mit den Schultern. "Ich hatte keine Ahnung, wie ich reagieren sollte. Also habe ich nur auf meinen Instinkt gehört. Und der war, dass ich das machen soll. Ob es richtig war oder nicht..." Ich ziehe eine kleine Schnute. "Ich kann nur das wiedergeben, was ich von anderen gesehen habe. Also erwarte nicht viel."

Levi mustert mich. "Also eine blutige Anfängerin in sachen gefühle." brummt er mürrisch und ich ziehe eine Augenbraue hoch. "Wenigstens zeige ich meine." erwiedere ich und er kommt näher. "Ich behalte meine nunmal für mich. Es geht niemanden an, wie ich mich fühle." Ich stelle das Glas auf die Veranda und sehe mich kurz um. "Hast du schon einmal darüber nachgedacht, dass, also nur so rein theoretisch, das der Grund ist, wieso du keine richtige Verlobte hast?" zische ich leise und seine Augen werden schmal. "Dass du vielleicht locker schon längst eine Familie hättest, wenn du dich nur ein bischen öffnen würdest?!"

Er ist still. Zeigt keine Emotion. Ich hingegen, verschränke meine Arme und richte mich auf. "Ich verwette mein Geheimniss darauf, dass du so viele Frauen hättest, die dir hinterher laufen würden, wenn der liebe Herr Corporal mal etwas anderes ausser Wut, Genervtheit und gleichgültigkeit zeigen würde!" Ich werde nicht laut. Das könnte andere auf den Plan rufen, die ich jetzt gerade nicht gebrauchen kann. "Wir sind gleich, Sera." sagt er nun und ich sehe ihn an. "Ach ja? Und wie?" frage ich und bin vielleicht ein bischen, nur ganz minimalst, aufgebracht. Alles ist ja in bester ordnung. Irgendwie.

"Niemand von uns hat eine partnerschaftliche Beziehung, weil er einen Grund dafür hat. Deinen kenne ich nicht und meinen sage ich nicht. Wir sträuben uns beide vor sozialen Veranstaltungen und wollen beide einfach nur unsere Ruhe." Ich entspanne mich und lehne mich mit dem Rücken an die Brüstung. Nicht sehr damenhaft, aber das ist mir egal. "Hm... Wo du recht hast, hast du recht." erwiedere ich und wieder betrachten wir das treiben in dem Gebäude. "Ein gutes Buch lesen und einfach nur entspannen..." murmle ich und Levi stimmt brummend zu. "Die Gedanken hängen lassen..." fügt er hinzu und ich nicke.

Dann seufze ich. "Und dann kommen solche Leute wie Jean oder Eren, die die Ruhe zerstören." Levi nickt. "Oder Erwin und Vierauge." "Die einem keine freie Minute gönnen, weil immer irgendwas ist und auch, wenn man total fertig mit der welt ist, wird man auf Trab gehalten." Ich lege meinen Kopf in den nacken und sehe in den dunklen Nachthimmel. Ich werde nachdenklich. "Wusstest du, Levi..." Ich mache eine kurze Pause und fange an zu lächeln. "Dass Eltern verdammte Arschlöcher sein können?" frage ich und sehe im Augenwinkel, dass der schwarzhaarige mehr als nur verwirrt ist. Seine Stirn in falten gelegt.

"Wenn sie einen dazu zwingen, was man nicht ist. Weil sie sich etwas anders gewünscht haben. Weil man nicht das ist, was andere gerne hätten." Dann schließe ich meine Augen und entspanne mich kurz, bevor ich wieder in den Nachthimmel sehe. Mein Blick ein wenig traurig und in die ferne gerichtet. "Das, was ich dir jetzt erzählen werde, Levi... Bleibt bitte unter uns." Ich seufze. "Ich werde mich morgen eh fragen, wieso ich dir das erzählt habe. Aber wenn das eine schon raus ist, kann alles andere gleich hinterher. Findest du nicht auch?"

Es herrscht stille, von seiner seite aus. Man kann das dumpfe reden der Gäste durch die Glasverkleidung hören. Ihr lachen. Das klirren von Gläsern. Hier draussen jedoch, sind es nur die zirpenden Grillen, die das schweigen durchbrechen und hin und wieder einmal der Wind. Es ist friedlich. Auch, wenn es nur den anschein hat. Ich habe vieles gesehen, dass diese friedliche Idylle sofort zerstören würde. Vieles, dass einen an dem Kampf gegen die Titanen zweifeln lässt. Das diese eine bestimmte Frage auf wirft. 'Wieso?' Doch egal wie lange ich schon dabei bin und dabei sein werde. Ich werde sie nie beantworten können.

Ready as I'll ever beWhere stories live. Discover now