Von Levi, der nun hinter mir steht, kommt nur ein leises: "Schatz. Beruhige dich.", bevor ich meine Hände zu Fäuste balle. "Aber der erste Streit soll ja bald vorbei sein! Mal sehen, ob ihr das aushaltet!" ruft sie amüsiert und mir platzt gleich der Kragen! Ich will schon auf sie los gehen, doch eine Hand hält mich fest und bringt mich dazu, stehen zu bleiben. Gezwungenermaßen. Levi kommt von hinten und legt seine rechte Hand vorsichtig an mein Kinn, während die linke zu meinem Bauch geht und mich an ihn drückt. "Es wird alles wieder gut. Ich bin da und nichts wird uns trennen."
Aber meine Wut ist stärker und ich winde mich ein bischen in seinem Griff, der ja sonst eigentlich angenehm wäre. Überraschenderweise. Gabriele grinst höchst amüsiert und sieht mich mit einem dämonischen grinsen an. Plötzlich spüre ich seinen Mund an meinem linken Ohr. "Beruhige dich endlich, Sera..." flüstert er und kurz stocke ich. Der warme Atem steicht über meine Haut dort und die nähe von ihm ist ausgesprochen... behaglich. Doch auch das hilft mir nicht wirklich weiter. In mir ist die Wut vieler Jahre aufgestaut. Den Hass, den ich von meinen Eltern bekommen habe, die ungerechtigkeiten, die prügel... Alles.
Ich spanne alles an, als ich auf einmal ein unbekanntes Gefühl an meinem Hals habe. Es ist weich und warm. Und doch gleichzeitig fest! Hat etwas beschützerisches. Beruhigendes. Ich bleibe noch einen moment so, bevor ich seufze und mich entspanne. Mein Puls geht auch wieder runter und meine Fäuste gehen auf. Ich lehne mich ein wenig gegen Levi und sehe ihn aus halb offenen Augen an, bevor dieser sich löst und seine Stirn an die linke seite meines Kopfes legt. "Alles gut. Jetzt komm wieder runter und achte nicht auf sie." sagt er bedächtig und ich atme zitternd durch.
Von Gabriele kommt nur ein: "Hmpf!", bevor sie beleidigt abdampft. Ich entspanne mich nun komplett und schließe meine Augen. Bin irgendwie erschöpft und lehne mich wieder gegen den schwarzhaarigen, der dies zulässt. Wahrscheinlich, um die Deckung zu wahren. "Danke. Ich hätte sie echt zusammengeschlagen!" knurre ich und er brummt zustimmend. "Ich weiß. Du hättest sie nach deiner Wut in deinen Augen schneller zerfetzt als jeder Titan." Ich sehe ihn an und muss ein wenig schmunzeln. "DAS war das beste, was du bis her gesagt hast. Weißt du das?" frage ich und er starrt mich noch eine weile an, bevor er seufzt.
"Levi?" frage ich nach einer weile der Stille und der überraschend angenehmen Körperwärme. Das drehen seines Kopfes ziegt mir, dass er zuhört. "Zwei Dinge. Auch, wenn ich es im moment angenehm finde... Könntest du mich los lassen?" der schwarzhaarige versteift sich kurz, ehe er mich los lässt und ich diese wärme schon fast wieder vermisse. "Und zweitens." Ich drehe meinen Kopf zu ihm. "Können wir nach hause? Morgen haben wir wieder training und ich will morgen bei deinem Training nicht wie ein Schluck wasser in der Kurve hängen. Ausserdem, will ich hier niemanden töten!" Ein moment der Stille ist da.
Der Corporal dreht seinen Kopf und sieht nach drinnen. Dort feiern die Leute einfach irgendwas und haben ihren Spaß. "Ich muss noch Papiere fertig machen. Es wird wirklich Zeit, dass wir gehen." stimmt er mir zu und er geht zur Tür, um wieder hinein zu gehen. "Ich sage, dass es dir nicht gut geht." meint er und ich nicke, bevor er nach drinn verschwindet. Erst jetzt lasse ich die Verwirrtheit zu, die mich unterwandert hat, wie ein guter Spitzel die feindliche Linie. Langsam lege ich meine Hand auf die Stelle, an der Levi seine Lippen gelegt hatte, um mich zu beruhigen.
Doch ich schüttle nur den Kopf. Nur wahrung der falschen Identität. Schauspiel. Mehr nicht! Glaube ich. "Na? Ganz allein?" fragt mich eine unbekannte, aber ältere Stimme und ich erstarre, bevor ich mich lächelnd umdrehe. "Ich bin nur an der frischen Luft, weil es mir nicht gut geht. Mein Verlobter sagt gerade bescheid und dann werden wir nach Hause fahren." erkläre ich freundlich und der Mann kommt auf mich zu. Ein komischer Hut, Kinnbart, schwarze Weste über weißem Hemd, schwarze Hose. Und ein viel zu gelecktes generelles Auftreten. Ich lege den Kopf lächelnd schief. "Kennen Sie meinen Verlobten?" frage ich unschuldig und hoffe auf eine Antwort.
Er zögert einen moment und nickt dann. "Ich kenne Levi sehr gut! Man könnte sagen, dass wir schon fast Familie sind!" meint er und fängt an zu grinsen. "Und jetzt hat der kleine eine Frau... Das hätte ich nicht von ihm gedacht!" Von ihm strahlt etwas aus, dass ich nicht einordnen kann. Aber es ist definitiv gefährlich und mit ihm ist nicht zu spaßen! Doch ich spiele weiter. "Er ist das beste, was mir hat passieren können." Ich lächle ihn einfach nur an. Die Situation gefällt mir sowas von gar nicht und ich bekomme Gänsehaut, die sich überall ausbreitet.
"Schön, die Bekanntschafft gemacht zu haben! Ich muss mal wieder!" ruft er, zwinkert mir zu und verschwindet dann so schnell in der dunkelheit, aus der er gekrochen ist. Mein Blick wird kalt und ich sehe ihm misstrauisch hinterher. Was hat er mit Levi zu tun? Woher kennt dieser Kerl ihn? Was hatte er hier zu suchen? Wollte er zu ihm? Ich starre einfach weiter in die Dunkelheit, bis ich ein räuspern höre. "Kommst du? Die Kutsche steht bereit." sagt die Stimme des schwarzhaarigen und ich drehe mich zu ihm um. Irgendwie bin ich erleichtert, dass er endlich wieder da ist.
Ich folge ihm zu besagter Kutsche und wir steigen ein. Als sich das Gefährt ruckelnd in bewegung setzt, lege ich meinen Kopf an die Wand der Kutsche und sehe den schwarzhaarigen an. "Corporal?" Innerhalb der Kutsche sind kleine Öllampen angebracht, weswegen es erleuchtet ist. Die grauen Augen des schwarzhaarigen liegen auf mir. "Als Sie im Gebäude waren, war jemand da, der Sie zu kennen scheint. Ziemlich groß. Kinnbart. Hut. Schwarze Weste über weißem Hemd, schwarze Schuhe und Hose. 'Man könnte meinen, dass wir Familie sind!' waren seine Worte." Levi erstarrt und sieht mich nun mit erst mit, vor entsetzen geweiteten Augen an, bevor er diese verengt. "Du hältst dich von ihm fern."
