Kapitel 1

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Wie jedes gewöhnliches Morgen, stand ich auf und ging in die Schule. Mein Leben schien auch sehr normal zu sein. Ich lebte in einem kleinen Haus mit meiner Mom und meinem Bruder Finn. Meine Mom war eine Chirurgin und arbeitete im Krankenhaus. Mein Bruder Finn war zwei Jahre älter als ich, jedoch gingen wir in dieselbe Stufe und teilten einpaar Unterrichtsstunden wie Sport und Literatur. Zwei Sachen, die ich leidenschaftlich hasse und schlecht bin. Dabei bin ich ein Genie! Mein Kopf kann mit Zahlen umgehen, sehr schnell und mir fällt einfach alles auf dank meines Supergehirns. Mein Vater, der leider nicht mehr lebt, war ein Informatiker. Er arbeitete sehr viel mit Roboter. Er hat mir einpaar Sachen auf dem Computer gezeigt als ich klein war und seitdem ist die Elektronik mein Hobby. Ich weiß, jetzt stellt ihr euch ein Mädchen mit dicken Gläsern, die vielleicht krause Haare hat und dick ist, die keine Freunde hat und den ganzen Tag vor irgendwelchen Computerbildschirme sitzt. Ein richtiger Geak und Freak! Da muss ich euch leider enttäuschen. Überhaupt nicht! Ich bin dünn und obwohl ich Sportunterricht hasse, mag ich gerne Taekwondo. Das habe ich meinem Opa zu verdanken. Meine Haare sind ein Desaster, das gebe ich zu. Sie sind sehr lockig und machen mir das Leben zur Hölle. Wenn es draußen Feucht ist, locken sie sich noch mehr bis ich eine Diskokugel auf meinem Kopf trage. Wenn ich morgens aufstehe, trage ich ein Nest auf meinem Kopf und wenn es draußen heiß ist, lassen sie sich nicht einmal in einem Pferdezopf frisieren! Ich glaube ich habe meinen Punkt auf dem Tisch gebracht. Ich hasse sie! Aber ich bin auch ein ganz normaler Mensch und die Klischees über Menschen wie ich, gehen mir auf die Nerven. Die Schule scheint nur von Klischee – geblendete Typen regiert zu werden. Und ich muss sagen mein sechzehnjähriges Ich leidet ernsthaft darunter. Wo sind bloß die schlauen Menschen hin, die nicht ihr ganzes Leben mit Social Media verbringen! Zum Glück ist es mein letztes Jahr. Danach heißt es so viel wie Aufwidersehen geklebte Kaugummis unter den Tischen, verschminkte Tussis und schlechtgelaunte Lehrer, vor allem Sportlehrer!

Als ich die Schule betrat, fielen mir sofort die vielen Poster auf den Wänden. Sie machten Werbung für die Abschlussfeier, wo jeder schöne, elegante Kleider tragen wird und mit seinem Partner tanzen wird. Alle schienen sich darauf zu freuen. Nur ich nicht. Dafür gibt es mehr als ein Grund. Erstens ich habe keine Freunde mit denen ich dorthin gehen könnte. Ich habe schnell bemerkt, dass die Leute immer etwas von mir wollen wenn sie nett zu mir sind. Damit meine ich wie Hausaufgaben, Antworten für einen Test und Date mit meinem Bruder. Zweitens habe ich kein Date für den Abend da niemand mit einem Mathefreak gehen will und um ehrlich zu sein, mein Glück mit Jungs ist genauso groß wie im Lotto zu gewinnen! Wenn mein Date bis zum Ende bleibt, dann ist es so als ob ich schon hundert Dollar gewonnen hätte! Wie z.B. am Samstag, mein Date hat mit der Kellnerin vor meiner Nase geflirtet. Nur dieses Mal anstatt versetzt zu werden, habe ich ihn versetzt. Ich habe mich entschuldigt, bin durch die Hintertür verschwunden und habe den Handballspieler alleine im Restaurant gelassen. Ich weiß ziemlich fies von mir...nicht mein Problem!

Und drittens, der Tag an dem die Feier stattfinden wird, ist der Tag an dem mein Vater an Alzheimer gestorben ist. Die Wunde ist noch tief. Es mochten vielleicht drei Jahre vergangen sein, aber ein Teil von mir konnte noch immer nicht glauben dass er weg war. Vorallem dieser Schmerz jeden Tag mit anschauen zu müssen, wie er uns alle vergisst. Alle unsere Erinnerungen und glückliche Momente, selbst die Liebe, die er für uns empfand verschwand. Am Ende waren wir für ihn eine Bande von Fremden.

Die Schulklingel holte mich aus meinen Erinnerungen heraus. „Gehst du nicht rein Carona?", hörte ich die Stimme meines Mathelehrers. Mir fiel auf, dass ich genau vor der Klassentür stand. Er runzelte seine Stirn. „Ist alles in Ordnung?"

Ich nickte und betrat den Raum. Ich spürte wie alle Schüler mich anstarrten. Sie nuschelten und sprachen irgendetwas mit ihrem Nachbarn. Wahrscheinlich über mein Date mit Drake, der Handballspieler, den ich versetzt habe. Ich schmunzelte kurz. Wie sehr wollte ich seinen perplexen Gesichtausdruck sehen, als er verstand, dass ich ihn versetzt habe. Ich ignorierte die Blicke sobald Mr. Hadwin den Unterricht begann.

In der Regel hassten Leute Mathe. Aber ich liebte dieses Fach. Es war nicht wie die literarischen Fächer, wo es ankam ob der Lehrer mein Schreiben mochte oder nicht. In Mathe kam es auf die Logik an. Entweder wusste man das Ergebnis oder den Rechenweg oder nicht. Natürlich kann ich es nicht laut sagen, sonst wäre ich längst tot. Aber Mr. Hadwin weiß es und hat mich bereits in mehreren Wettbewerbe eingeschrieben, die ich mit Stolz gewonnen habe. Vorallem Gewann man immer eine hohe Summe. Ich bewahrte sie für meine Uni. Eine gute Uni kostete viel Geld und Mom so sehr sie auch hart arbeitete, konnte es nicht leisten. Sie hat schon eine Tochter in die Uni geschickt. Es blieben nur noch ich und mein Bruder, der ebenfalls in derselben Stufe wie ich war und im Gegensatz zu mir ziemlich dumm war. Das einzige was er verstand war wie man einen Ball warf und in welchem Winkel. Alles andere war viel zu schwer. Wenn ich aber genauer überlege, hat er sich sehr verändert nach Dads Tod. Vorallem sein Verhalten mir gegenüber. Er redete kaum mit mir, wir sahen uns nur morgens und abends für das Essen und in der Schule, wenn wir uns sahen, lief er einfach an mir vorbei als ob ich nicht existieren würde. Manchmal fing ich an zu denken, dass ich peinlich für ihn war. Er war athletisch, der Star der Basketballmannschaft, gut aussehend und charismatisch. Ich hingegen war alleine, wurde als Streberin gestempelt, obwohl ich nicht mehr als drei Stunden in der Woche lernte und sah nicht wie ein Topmodel aus. War aber auch nicht hässlich. Mit der Kombination grüne Augen und braune Haare kann man nicht viel falsch machen. Aber durch die ganzen Vorurteile, die man mir ins Gesicht wirft, legt mein Selbstwertgefühl ziemlich am Boden. Das einzige was mich noch am Leben hellt in diese Hölle ist mein Gehirn. Ich weiß, dass ich schlau bin in vergleich zu anderen. Also wenigstens bin ich schlau und hässlich. Und nicht dumm und hässlich.

Die Stunde ging schnell vorbei und Mr. Hadwin bat mich kurz hier zu bleiben.

„Carona, wie seht es mit dem Einschreiben für die Uni?", erkundigte er sich. Diese Frage überraschte mich einwenig. „Ich habe mich angefangen zu beworben.", erklärte ich.

„Ich habe einen Freund. Er arbeitet im MIT. Er ist dort Professor für Mathe. Ich habe ihm über dich erzählt. Er meinte er könnte dir ein Stipendium besorgen für jeden Wissenschaftlichenstudiengang den du möchtest."

Mein Herz hörte für eine kurze Zeit zu schlagen. Habe ich richtig gehört? MIT?

Er reichte mir eine Broschüre in der eine Visitenkarte steckte. „Das ist seine Nummer. Überleg es dir gut Carona. Es ist eine riesige Möglichkeit für dich."

„Ich werde es mir überlegen.", sagte ich dankbar. 

CaronaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt