Der 71. Tag

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Wir sind die gesamte Nacht lang durch geritten in der Hoffnung den Prinzen eventuell einzuholen, oder zumindest Spuren zu finden. Doch je mehr Zeit voran schreitet, wird die Hoffnung mehr und mehr getrübt. Meine Augen beginnen zu zu fallen und ich spüre wie Blacky, mein schwarzes Pferd, immer öfter stolpert und unaufmerksamer wird. Ich furche meine Augenbrauen und blicke zu Luca nach vorne. Sie scheint nichts von der Müdigkeit zu spüren. Seit stunden sitzt sie schon so gerade und wachsam auf ihrem Reittier, wie zu Beginn der Mission. Unweigerlich muss ich gähnen und höre einen Soldaten neben mir schnauben, was meinen Blick auf ihn zieht. 

Ich kann sein Gesicht unter seinem Helm nicht erkennen, doch an seiner Körperhaltung und der Art, wie er sich bewegt nehme ich an, dass er noch recht jung ist. Da fragt er: "Ob wir wohl bald mal eine Pause einlegen dürfen?" 

Ich seufze und schüttle den Kopf ehe ich antworte: "Ich hoffe es. Ich spüre ehrlich gesagt meinen Hintern nicht mehr."

Daraufhin lacht der Soldat leise auf und schüttelt den Kopf. Wieder fällt dieses bedrückte Schweigen über gefühlte Stunden über die Gruppe und ich döse zwischenzeitlich vor mich hin, um dem wenigstens ein wenig zu entkommen und mich auszuruhen. Das plötzliche Stehenbleiben der gesamten Gruppe wie auf Knopfdruck lässt mich erst wieder aufschrecken und mich schnell umsehen. 

Ich sehe wie Luca von ihrem Pferd gestiegen ist und etwas auf dem Boden begutachtet, während Zen neben ihr steht und sie anscheinend berät. Ich lege meinen Kopf schief und strecke mich, um einen Blick zu erhaschen. Was machen die da? Haben sie etwas entdeckt?

Da steht Luca blitzschnell wieder auf und führt einen Finger an ihren Mund. Sie wirkt angespannt und hellwach, was sich sofort auf jeden Überträgt. Sie bedeutet uns von unseren Tieren abzusteigen und zu ihr zu kommen. Schnell und lautlos bewegen wir uns über den matschigen Waldboden auf sie zu und umkreisen sie um ihre Befehle zu empfangen, dabei stelle ich mich neben Zen hin und sehe ihn kurz fragend an, ehe ich wieder zu Luca blicke. 

Sie flüster: "Seht ihr diese Spuren? Sie gehören irgend einer Gruppe an, die erst vor wenigen Minuten hier vorbei gekommen ist. Ich schätze, dass sie noch sehr nahe sind. Es könnte der Prinz sein also seid auf der Hut, denn ihr dürft das Leben des Prinzen nicht gefährden. Verstanden?"

Wir alle nicken und sie bedeutet uns ihr zu folgen. Dabei stellt es sich als etwas schwierig heraus durch den matschigen Waldboden leise zu gehen. Hier und da tritt trotzdem jemand auf einen Ast, oder in eine Pfütze und ich muss mich zusammen reißen, diese Personen nicht zu schellen. Meine Muskeln sind gespannt und meine Sinne geschärft, als wir den Spuren immer weiter hinein in den Wald folgen. Immer weiter hinein und weiter weg von unseren Reittieren, die uns schnell aus einer brenzligen Situation retten könnten. 

Und dann hören wir es bevor wir es sehen. Es scheinen mehrere Leute zu sein, die miteinander reden. Ich kann nur einzelne Wortfetzen ausmachen, die gar keinen Sinn ergeben und mir doch einen Schauer über den Rücken jagen. Dies könnte mein aller erster Kampf sein und bei dem Gedanken daran, fangen meine Hände an zu schwitzen. Ich habe es bereits so oft trainiert und habe so viel durchleben müssen, jedoch weiß ich nicht ob ich dazu fähig wäre jemanden zu töten. Wenn man sich in die Augen sieht und jeder Schritt über Leben und Tod entscheiden würde, würde ich dann zögern? Was würde mich dieses Zögern kosten?

Als hätte Zen meine Gedanken erraten hält er mich am Arm fest und flüstert mir ins Ohr: "Du darfst nicht zögern. Hast du verstanden? Tu es einfach und denk nicht viel darüber nach. Wenn sie erstmal tot sind, kannst du dich schlecht fühlen, doch jetzt noch nicht. Wenn du sie nicht tötest, dann töten sie dich. Hast du mich gehört?" Fragt er mich, wobei er mich nun an meinen beiden Armen packt und mir direkt in die Augen sieht. Ich kann Angst darin erkennen. Doch die Angst richtet sich an mich. Er wiederholt seine Frage zischend: "Hast du mich verstanden?" 

Reminiscence - Meine ErinnerungenWhere stories live. Discover now