- Festivals und andere Katastrophen -

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„Komm schon! Los, komm! Beeilung!" Saskia hetzte ihre Freundin Sally durch die Menschenmassen. Es war warm, sehr warm. Und obwohl das Open Air Konzert an einem See lag, machte die schwül-warme Luft den beiden mächtig zu schaffen. Alligatoahs Konzert war beendet. Die letzten Töne waren inzwischen verklungen und nun hieß es, den Weg zum Merchandisestand zu überwinden. Aus verschiedenen Internetquellen war bekannt, dass Lukas Strobel, der eben Alligatoah verkörperte, für einige Autogramme und Fotos dort zur Verfügung stehen würde. Die Chance wollten die beiden Mädels sich nicht entgehen lassen.
„Ich komme ja, aber ich bin kein verdammter Hochleistungssportler", keuchte Sally.
Die beiden Frauen waren schon ewig für dieses Konzert unterwegs gewesen und hatten so einige Pannen überwunden, dass sie sich einfach ein Erinnerungsfoto verdient hatten. Wer Saskia kannte, wusste, dass sie bei so etwas überdimensional ehrgeizig sein konnte. Was sie sich in den Kopf setzte, müsste auch realisiert werden.
„'Tschuldigung Jungs, da vorne wartet unser Bruder, lasst uns mal bitte durch" bahnte sie sich den Weg durch die Menschenmassen. Dabei hielt sie Sallys Hand eng umschlungen, damit sie sich nicht verloren.
„'Tschuldigung, Jungs und Mädels! Lasst uns bitte mal durch, meine Schwester hat Kreislaufprobleme." Das zog immer. Ihnen wurde quasi königlich Platz gemacht.
Schweißperlen mischten sich mit Kajalstift & Make Up und perlten ihre Stirn hinunter.
„Sag mal, wo lernt man, so dreist an den Leuten vorbei zu preschen?", fragte Sally lachend, während sie sich mit ihrer freien Hand über die Stirn strich.
Saskia lachte auf:" Festival Erfahrungen!"
Es dauerte noch einige Momente, bis die Zwei den Merchandisestand fanden. Dort stand er auch schon zwischen kreischenden Teens, Kiffern und allerlei Subkulturen. Irgendwie war dieser bunte Cocktail an Menschen doch recht angenehm. Lukas signierte gut gelaunt Shirts, Handys und Arme. Einige zeigten ihm ihre Alligatoah- und Trailerparktätowierungen, andere konnten ihre Tränen nicht unterdrücken, als sie sich mit ihm ablichten lassen konnten. Saskia und Sally schauten sich an und schmunzelten: "Sind wir auch so?"
Sie war eine ganz normal gebaute junge Frau. Mitte zwanzig, lange schwarze Haare und braune Augen. Das wahrscheinlich aufregendste an ihr, war ihr Nasenring, den sie trug. Sally war ihre beste Freundin. Sie hatte dunkelbraunes, schulterlanges Haar, war auch nicht größer als ihre Freundin, dafür allerdings etwas dünner und allgemein sehr zierlich gebaut. Die beiden waren nicht nur einfach Freundinnen, sondern auch Arbeitskolleginnen im gleichen Alter. Sie hatten einander nie gesucht, aber doch gefunden.
Geduldig warteten sie nun in der Schlange und fieberten den Moment entgegen, dem Mann, dem Ausnahmekünstler "Hallo" zu sagen, der ihre Arbeitszeit wortwörtlich verschönerte.
Nun waren noch circa drei Leute vor den beiden und siegessicher gab es ein Highfive. Was sollte jetzt auch noch schief gehen? Die beiden unterhielten sich nebenbei über Gott und die Welt. Über das Konzert, über die Arbeit, über die Leute und über Alligatoah, der ihnen schon verdammt nah war.
Lukas war schon ein sehr sympathisch wirkender, lässiger und gutaussehender Mann. Der Eindruck bestätigte sich, als er sich mit zwei jungen Männern auf ein kurzes Acappella von „Ein Problem mit Alkohol" einließ. Alle feierten die Spontanaktion. Am meisten jedoch die beiden Jungs, die das ganze selbst kaum zu glauben schienen.
Noch ein jüngeres Mädchen, dann wären sie an der Reihe. "Jippie!", dachten Sie und lächelten sich an. Die Anstrengungen und ungeplanten Schwierigkeiten, die sich den beiden vor dem Konzert in den Weg geschoben hatten, waren vergessen.
"So, dann ist die junge Dame nun an der Reihe. Macht's gut, Jungs! Trinkt nicht so viel!" Mit einem Lachen verabschiedete er die beiden und begrüßte gleichzeitig die kleine Blondine die hypernervös war.
„Hast du einen coolen Spruch in petto?", fragte Saskia.
„Ich mag es, wenn du aus dem Mund nach fremdem Sperma riechst?" Beide schauten sich an, und begannen, lauthals zu lachen. "Gewagt, gewagt! Das will ich sehen, dass du das bringst!", lachte die Schwarzhaarige, die sich ihren Pferdeschwanz enger band.

„So, ich danke euch allen. Leider muss ich jetzt los. Wir sehen uns beim nächsten Konzert! Danke, dass ihr hier ward! Kommt gut nach Hause!"
Bäm. Da ist mit einem Satz die komplette gute Laune im Keller. Nicht nur die beiden, auch die anderen wartenden Fans waren nicht sonderlich erfreut. Nun gut, jetzt konnte man es objektiv sehen. Es war eine tolle Aktion, überhaupt nochmal nach dem Konzert raus zu kommen und sich Zeit zu nehmen um Fanwünsche zu befriedigen, andererseits war es unfair. Unfair für all jene, die nun mit leeren Händen Heim mussten.
„Hab' ich das jetzt richtig verstanden?", erkundigte sich Saskia bei der zierlichen Freundin.
„Ich fürchte", grummelte sie. Saskia räusperte sich. "Alter", schnaufte sie. "Darauf komm ich nicht klar!"
Sie entriss sich Sallys Seite und huschte neben dem Merchandisestand vorbei, an dem ein mit Flatterband abgesperrter Bereich begann. Sie sah wie sich Lukas langsam in Richtung Backstagebereich bewegte. Noch bevor der Security Mann sie aufhalten musste, blieb sie am Flatterband stehen und rief unüberhörbar: "Das ist nicht dein scheiß ernst?" Nun war auch Sally neben ihr, jedoch mucksmäuschenstill, als Saskia weiter ihren Frust abließ: "Weißt du eigentlich, dass wir seit 5 Uhr auf den Beinen sind, einen halben Tag gearbeitet haben, dann zum Bahnhof gehetzt sind, nur um festzustellen, dass der fucking Zug über 90 Minuten zu spät ist, nochmal 3 Stunden durch Deutschland gefahren sind, wir zu allem Überfluss dadurch die Hälfte des Konzerts verpasst haben und jetzt haust du auch noch direkt vor unserer Nase ab? Ernsthaft?!"

Der Abschied hält nicht ewig. [Alligatoah Fanfic]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt