36. Kapitel

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,,Wie bitte?", Himmelstern sah Nachtblüte unglaübig an. ,,Ja, wo ist der SteinClan?", wiederholte sie ihre Frage. Himmelstern sah sie an, als wäre sie verrückt geworden, doch als sie merkte, dass Nachtblüte nicht nachgeben würde, setzte sie sich seufzend auf. ,,Na gut. Nun sollst du die Wahrheit erfahren." Plötzlich sah sie alt und traurig aus, Nachtblüte empfand etwas wie Mitleid und fragte sich, ob es vielleicht doch nicht ganz so klug gewesen war, die Anführerin zu fragen. Himmelstern setzte sich hin, Mond und Sonne ließen sich neben ihr nieder, wie zwei stumme Wächter. ,,Du musst wissen, bevor ich Feuers Jungen bekam hatte ich noch einen anderen Gefährten: Fels. Von ihm bekam ich drei Jungen, nur eins überlebte: Stein. Als Stein eines Tages alt genug war, sich selbst zu verteidigen, gingen Fels und ich jagen. Doch ein Dachs fiel uns an und brachte Fels um. Ich konnte nichts dagegen tun. Doch als Stein davon erfuhr, machte er mich für den Tod seines Vaters verantwortlich. Er wandte sich von mir ab. Es zeriss mir fast das Herz." Die schwarz- weiße Kätzin hatte einen traurigen, sehensuchtvollen Ausdruck in ihren Augen. ,,Er nahm die Berge zu seinem Gebiet. Niemand außer seiner Clangefährten hatte Zutritt." Himmelstern sackte in sich zusammen. Es musste sie große Überwindung gekostet haben sich ihr anzuvertrauen. ,,Danke, dass du mir das erzählt hast", meinte Nachtblüte, ,,wo ist Stein jetzt?"
Himmelstern machte eine Schwanzbewegung und Sonne stand auf. ,,Folge mir", sagte er mit seiner tiefen beruhigenden Stimme. Nachtblüte nickte und kletterte hinter Sonne den Felsen hinunter. Sie war erstaunt, wie geschickt Sonne sich anstellte und wie bei jeder Bewegung die Muskeln unter seinem Pelz spielten. Kurze Zeit später standen Nachtblüte und er vor einer Höhle. ,,Hier rein, dann kannst du es gar nicht verfehlen", wies er sie an. Dann drehte er sich um und verschwand im dichten Farn. Nachtblüte schaute ihm nicht lange nach, sondern drehte sich der geheimnisvollen dunklen Höhle zu. Ihr Herz hüpfte vor Aufregung schneller, als würde es zu zerspringen drohen. Eine Höhle. Nach so langer Zeit! Die Heilerin zögerte nicht lange. Irgendetwas zog sie zu sich, die Sehnsucht, endlich wieder eine Höhle zu betreten. Als die schwarze Kätzin eintrat umfing sie Dunkelheit. Andere empfanden diese Dunkelheit vielleicht als beängstigend; Nachtblüte kam es vor wie ein Willkommensgruß. Aus irgend einem Grund fühlte sie sich unter der Erde wohl. Ihre Ballen geleiteten sie lautlos über den rauen Boden, der ihr wenig ausmachte. In ihrer Zeit unter der Erde waren ihr Hörsinn und ihre Augen verbessert worden. Plötzlich flog ein Schwarm Flugmäuse ihr entgegen. Begeistert sah Nachtblüte ihnen nach. Davon würde man locker satt werden. Nachtblüte folgte einem Gang. Nachdem sie eine Weile gelaufen war, kam sie in eine Höhle. In dieser wuchs Gras, in der Mitte war ein See. Das Licht des Sees reflektierte Muster an die Decke und in der Höhle lagen verstreut Katzen, unterhielten sich und gaben sich die Zunge. Zwei Jungen- ein schwarzes und ein rotes- spielten am See, indem sie ihre Pfote in das Wasser stießen und versuchten, die Tropfen mit der Zunge zu fangen. Nachtblüte schnurrte. Plötzlich sprach sie jemand von hinten an. ,,Darf ich fragen, was du hier tust?", knurrte die Stimme. Sie gehörte eindeutig einer Katze, doch Nachtblüte konnte sie nicht erkennen, da die Katze im Schatten stand. Nachtblüte neigte den Kopf. ,,Mein Name ist Nachtblüte. Ich bin die Heilerin des MondClans. Bitte vergib mir, dass ich ungefragt in euer Gebiet gekommen bin. Ich suche Stein."
,,Na, da hast du Glück. Denn ich bin Stein." Der Kater trat aus dem Schatten. Es war ein stattlicher grauer Kater, der mager, aber doch muskulös war. Er verströmte einen Geruch nach Erde und Wasser. Seine bernsteinfarbenen Augen musterten Nachtblüte misstrauisch. ,,Was willst du von mir wissen?"
,,Die Wahrheit über den SteinClan. Was ist passiert? Wieso musste der Clan weg? Ich habe nicht verstanden, wie Lavendelblatt es erklärt hat."
Stein musterte sie immer noch misstrauisch, setzte sich aber schließlich hin, legte den Schwanz über die Pfoten und begann zögerlich zu reden: ,,Du musst wissen, Nachtblüte, unter dem Versammlungsberg sind Gängelung.  Viele, unterirdische Gänge. Diese haben mal dem SteinClan gehört. Doch in einem Blattfall vor vielen Monden, hatte der Bach Hochwasser und überflutete alle unsere Gänge. Meine Nachfahren suchten Hilfe bei den anderen Clans, doch ihnen wurde die Hilfe verweigert. Viele Katzen waren schon ertrunken, die die sich retten konnten suchten nun also einen Unterschlupf. Also wurde beschlossen, dass man in die Höhle zieht und die Eingänge verschlossen hält, damit niemand Kontakt zur Außenwelt gelangen kann. Die vielen Ein- und Ausgänge beim Versammlungsberg wurden zugeschüttet und sind bestimmt längst überwuchert. So, jetzt weißt du alles. Wenn du willst also... du kannst dich meinetwegen noch ein bisschen hier umschauen." Nachtblüte nickte. Auf dieses Angebot hatte sie schon die ganze Zeit gewartet. ,,Ja, gern. Danke." Mit diesen Worten brach sie auf und schaute sich um. Zuerst lief sie einfach planlos durch die Gegend und ließ ihren Blick schweifen, der aber plötzlich an einer Katze hängen blieb. Vogelfeder. Die Kätzin sah viel jünger und voller Elan aus. Warum war sie beim SteinClan? Nachtblüte beschloss, dass die Kätzin das selbst beantworten sollte, baute sich hinter ihr auf und räusperte sich. Vogelfeder fuhr herum und zuckte zusammen. ,,Nachtblüte! Was tust du hier?", fragte die Kätzin erschrocken. ,,Das wollte ich dich fragen. Und jetzt sag nicht: ,Mäusegalle sammeln für meine Zecken'. Zecken gibt es nämlich hier im SternenClan nicht." Die helle Katze seufzte: ,,Na gut. Also, weißt du, ich wurde nicht im MondClan, sondern im SteinClan geboren. Mondpelz übrigens auch. Hier wurde auch Mondblüte geboren. Doch als deine Mutter Eichenstern kennen lernte, redete sie von nichts anderem mehr. Ja, sie war unerlaubt an der Oberfläche. Jedenfalls hielten wir es eines Tages nicht mehr aus, dass sie uns mit Selbstmitleid zuredete und beschlossen, den Clan zu verlassen. Du bist also eine Halbclan- Katze." Nachtblüte blinzelte. Sie blinzelte noch mal. Das hatte sie nicht erwartet. Dann nickte sie langsam. ,,Aha... danke. Wenn ich das Rosenherz erzähle... aber sie wird mir eh nicht glauben", murmelte sie noch vor sich hin, bevor sie ihren Weg fortsetze.

Nachtblüte - Warrior CatsWhere stories live. Discover now