3. Blue Roots

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„Da seid ihr ja endlich! Ich habe euch überall gesucht!", wurden die Vier am nächsten Morgen unsanft aus ihrem Schlaf gerissen. Die blaue Magie der Nacht schien verschwunden zu sein, die Morgensonne tauchte nur den Wald um sie herum in ein goldenes Licht. Lediglich das schöne Gefühl der Geborgenheit und Zufriedenheit war von der Nacht geblieben.

Nornea reagierte als Erstes. „Löschi!", rief sie erfreut und sprang auf, um ihm in die Arme zu fallen. Doch dieser wehrte ab und schob sie von sich. Jetzt erst erkannte Nornea seinen vollkommen abweisenden und kalten Blick. Verwirrt taumelte sie rückwärts. Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie: „Wo warst du? Auf einmal warst du weg! Was ist passiert?".

„Das Gleiche könnte ich euch fragen", erwiderte Löschi kalt und wandte sich ab. „Ich muss euch etwas zeigen!", sagte er dann plötzlich.

„Löschi? Was ist los?", wollte nun auch Pan wissen, der ebenfalls aufgestanden war und zu ihm getreten war. „Nichts ist los! Ihr müsst einfach mitkommen!", antwortete dieser fast schon aggressiv. „Hey!", schritt nun auch Elrond ein, „nun mal langsam. Du bist gestern einfach verschwunden und wir haben uns auf der Suche nach dir in diesem gottverdammten Wald verirrt und ich will jetzt einfach nur noch heim, was Essen, was Frisches und vor allem was Warmes anziehen, und egal! Hauptsache endlich hier weg! Das war genug Abenteuer für ein ganzes Jahr!". Gegen Ende war er immer lauter geworden.

„Wir kommen hier nicht weg! Hast du überhaupt eine Ahnung wo wir sind!", schrie nun Löschi zurück. „Nee. Du etwa?", fauchte Elrond wütend. „Ja. Während ihr nämlich hier eure Zeit mit Schlafen verbracht habt, habe ich ein Stück Zivilisation gefunden".

„Hey! Hört sofort auf zu streiten! Was ist überhaupt mit dir los, Löschi? Du siehst aus, als hättest du Geister gesehen!". Tatsächlich wirkte Löschi im Gegensatz zu dem Rest der Band alles Andere als ausgeschlafen. Sein Gesicht war eingefallen, tiefe Augenringe zierten sein Aussehen und sein Haar war noch verwilderter und ungekämmter als sonst. Offen und verstrubbelt hing es hinunter, ein braunes Blatt hatte sich darin verfangen und seine Kleidung war auch schon sauberer gewesen.

Kaum hatte Nornea diesen Satz gesagt wurde Löschi sofort ganz ruhig. „Vielleicht habe ich das wirklich", sagte er leise und marschierte zielstrebig los, weg von dem Rest. Diesen blieb nichts Anderes übrig, als ihm zu folgen.

Er führte sie ein wenig tiefer in den Wald hinein, dorthin, wo aus schwachen Nebelschwaden langsam eine wabernde, weiße Wand wurde. Dort, wo das Unterholz nahezu undurchdringbar schien und Löschi trotzdem einem Pfad folgte.

Schließlich schob er einige Äste beiseite und wurde langsamer bis er stehen blieb. „Ihr müsst vorgehen", sagte er leise und da sie keinen weiteren Streit provozieren wollte, folgte Nornea diesem Wunsch. Kurz darauf sah sie im Nebel erste Steine auftauchen, die wie von Menschenhand geschaffen dalagen, aber dicht mit Moos und Efeu überwuchert waren. Eine alte Holzhütte schob sich ebenfalls aus der weißen Wand, die sich beim Näherkommen als eine ausgediente, verfallene Kapelle entpuppte.

Erst jetzt erkannte sie, wo sie sich befanden. Auf einem alten Friedhof. Grabsteine ragten wie einsame Denkmale empor, einige Kreuze und Steinmonumente rundeten das Bild der vergessenen Ruhestätte ab. Kein Mensch schien hier jemals gewesen zu sein und doch wirkten die Wege und Pfade gepflegt. Auf einigen Gräbern lagen sogar frische Blumen, während auf anderen Ruhestätten lediglich die Natur selbst die kleinen Plätze verschönerte. Es wirkte keineswegs gruselig oder unheimlich, lediglich auf eine wunderschöne Art und Weise friedlich. Dennoch lief Nornea ein Schauer über dem Rücken. Sie löste sich aus ihrer Starre und betrachtete die Szenerie etwas genauer.

Ein alter, schlichter Grabstein, die Inschrift war nur schwer zu entziffern:
Franz Zimmerer und Marie Zimmerer geb. Groß, 1835-1898, 1837-1912

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