Kuchen macht fett

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 „Why Men Marry Bitches?" Tomasz sieht mir fragend über die Schulter, während ich das Hochzeitsgeschenk für meinen Vater und seine neue Ehefrau auf den letzten Drücker in transparente Folie verpacke.

„Passt doch perfekt, oder?" Stümperhaft wickle ich noch ein Schleifenband herum und lege das Buch dann gut sichtbar ganz oben auf den Stapel zu den anderen Geschenken.

„Bitte sag, dass du keine Widmung rein geschrieben hast."

„Na sicher habe ich das. Sie lautet: Ich hoffe, du findest eine Antwort auf diese Frage. In Liebe deine Tochter Eeva."

Tomasz schüttelt den Kopf und seufzt. „Du weißt schon, dass du mit dieser Frau ab jetzt unter einem Dach leben musst?"

„Klar weiß ich das. Aber ist ihr auch bewusst, dass sie ab sofort mit mir unter einem Dach leben muss?"

Wir treten auf die Terrasse und beobachten schweigend das glückliche Brautpaar beim Anschnitt der dreietagigen Hochzeitstorte. Ich gebe zu, mein Vater wirkt heute - im Gegensatz zu sonst - fast schon ein wenig gelöst, denn eigentlich ist er ein manierierter, eher steifer Typ, der mehr durch Denken und seinen Arztkittel besticht als durch seine Herzlichkeit. Trotzdem zählte er zu den zwei attraktivsten Junggesellen im Ort und galt somit als gute Partie. Doch Bettina, seine dralle vollbusige Sprechstundenhilfe, hatte kurzen Prozess gemacht und dafür gesorgt, dass er vom Markt war.

Die beiden füttern sich gerade unter Applaus gegenseitig mit Sahnetorte, als ein ziemlich heftiger Wind aufzieht und sich der Himmel verdunkelt. Das kurz darauf folgende bedrohliche Donnergrollen sorgt dafür, dass ein beachtlicher Teil der Buttercreme auf Bettinas üppigem Dekolleté landet und die ersten Gäste in leichte Panik verfallen und mit ihrer Flucht die Feierlichkeiten ins Innere verlegen.

„Du solltest ganz dringend dieses diabolische Grinsen aus deinem Gesicht verbannen." Tomasz kneift mir unsanft in die Wange.

„Autsch. Du gönnst mir auch überhaupt keinen Spaß. Was gibt es denn Schöneres, als mit anzusehen, wie diese Hochzeit, die auf Teufel komm raus unbedingt im Juni stattfinden musste, nun ins Wasser fällt?"

Tomasz bedenkt mich mit diesem merkwürdigen Blick. Diesem Blick, den er immer dann aufsetzt, wenn er mit meiner Meinung nicht so ganz übereinstimmt, er aber weiß, dass es sinnlos ist, mich von seiner Meinung überzeugen zu wollen.

„Nun sieh mich nicht so an, als hätte ich dafür gesorgt, dass es im Juni gewittert!"

„Zuzutrauen wäre es dir."

Ich atme tief durch und sauge den vertrauten Geruch von Sommerregen tief ein. „Lass uns die anderen suchen, bevor du und die restlichen Dorfbewohner mich noch wegen Ketzerei an den Pranger stellt ... und bevor mein Vater herausfindet, wer ihm das Buch geschenkt hat."

Wir sammeln Matti und Mitja am Buffet ein – wo sonst. Conny entdecke ich im Tanzsaal; umzingelt von vier kleinen Blumenmädchen, die ihn allesamt mit großen Augen anstarren. Conny ist der hübscheste Junge weit und breit. Und genau darin liegt sein Problem. Er ist einfach zu hübsch. Fast schon androgyn. Er hat perfekte Haut, die jedes Mädchen vor Neid erblassen lässt; immer leicht gerötete Wangen ohne jemals Rouge benutzt zu haben und dazu auch noch lange, blonde, glatte Haare. Im Prinzip sieht er aus wie ein sehr attraktives Mädchen, das direkt den Siebzigern entsprungen ist. Da hilft auch der riesige Slayer-Aufnäher auf der Rückseite seiner Jeansjacke nichts.

„Hey, Conny, kommst du mit oder bleibst du lieber bei deinen kleinen Verehrerinnen?", ruft Matti ihm zu und löst währenddessen seine Krawatte – das einzige modische Zugeständnis, das meine besten Freunde anlässlich der Hochzeit machten. Ansonsten sehen sie genauso abgefuckt aus, wie an jedem anderen Tag auch.

TomboyWhere stories live. Discover now