Totgesagte Meerschweinchen leben nicht länger

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Mitjas und Connys Reaktion folgt prompt. Nicht so, wie ich es vielleicht erwartet habe, aber wenn ich es mir genau überlege, ist es die einzig mögliche Reaktion. Sie fangen an zu lachen. Zuerst ist es nur ein leichtes Glucksen, das nach und nach in ein sanftes Kichern übergeht, welches jedoch stetig anschwillt und ihre Körper beben lässt, bis sie sich letztendlich gar nicht mehr unter Kontrolle haben und lauthals aus voller Kehle lachen.

Und niemand außer ihnen weiß weshalb.

Sie halten sich die Bäuche und wischen sich die Tränen aus den hochroten Gesichtern, versuchen sich wieder einzukriegen, sehen uns an, sehen sich an ... und prusten von Neuem los. „Und ich habe mich schon gewundert, warum die Brownies so merkwürdig geschmeckt haben." Mitja fällt beinahe vom Stuhl vor lachen.

„Ich mich auch." Conny klatscht dreimal mit der flachen Hand auf den Tisch. „Aber meine Oma sagt immer: Solange es umsonst ist, einfach die Klappe halten!"

„Deine Oma ist die weiseste Frau, die ich kenne." Mitja grinst und hebt die Faust, doch sie schaffen es nicht, sich in der Mitte zu treffen und checken aneinander vorbei.

Was einen weiteren Lachanfall auslöst, dieses Mal sogar bei uns.

Karla findet uns anscheinend immer noch nicht lustig genug und genehmigt sich zur Stimmungshebung einen weiteren Schluck Whisky.

„Kann es sein, dass deine Mutter etwas sauer ist?", flüstert Conny in Zimmerlautstärke Tomasz zu.

„Darauf kannst du einen lassen", raunt Tomasz zurück.

Karla bestätigt seine Vermutung. „Ja, das bin ich."

„Aber es ist doch noch genug vom Kuchen übrig", versucht Mitja sie zu besänftigen, schiebt das Blech in ihre Richtung, allerdings nicht ohne noch einen weiteren Krümel davon zu naschen.

„In zwanzig Minuten kommen meine Yogafrauen." Sie erhebt drohend den Zeigefinger. „Wehe, einer von euch bekifften Teenagern nähert sich der Jurte."

Mitja hat scheinbar immer noch nicht begriffen, dass sie es ernst meint und springt auf. „Ich hatte noch nie so viel Bock auf Yoga wie heute. Das muss an den Brownies liegen."

Nun muss Karla doch lachen, geht zu ihm und tätschelt ihm mütterlich den Kopf. „Ach, mein Lieber. Wenn du in zehn Minuten immer noch solche Lust darauf hast, heiße ich dich herzlich willkommen, aber ich verwette die andere Hälfte des Kuchens darauf, dass du den Abend in meinem Badezimmer und nicht in meiner Yogajurte verbringen wirst."

Und sie soll recht behalten. Nur nicht was die Zeit betrifft, denn schon weniger als fünf Minuten später werden die beiden ziemlich ruhig und schieben ihren ganz eigenen Film.

Conny liegt mit dem Kopf auf der Tischplatte und stöhnt. „Eeva, du musst mich nach Hause bringen."

„Willst du nicht lieber hier bleiben?" Ein Blick aus dem Fenster genügt mir, dass ich ihm dieses Vorhaben sofort wieder austreiben will. „Und außerdem regnet es."

„Nein, ich muss nach Hause."

„Deine Oma wird ausflippen, wenn sie dich so sieht."

Er leckt sich über die trockenen Lippen. „Sie flippt aus, wenn ich nicht nach Hause komme. Du weißt, wie sie ist."

Ja, das weiß ich nur zu gut. Conny und mich verbindet unsere Mutterlosigkeit, doch seine Situation ist wesentlich verzwickter als meine. Dagegen lebe ich in nahezu völlig geordneten Verhältnissen. Connys Mutter war erst sechzehn als sie mit ihm schwanger wurde, jünger als wir gerade, und total überfordert. Angeblich hat sie auch nie verraten, wer Connys Vater ist, und nach einem riesengroßen Streit mit ihren Eltern hat sie das Weite gesucht. Ohne Conny. Seitdem lebt er bei seinen Großeltern, die allerdings ein ziemliches Rad ab haben. Sein Opa sitzt den ganzen Tag vor der Glotze und nimmt sehr viele Medikamente und Medikamente gegen die Nebenwirkungen der Medikamente, und seine Oma läuft den lieben langen Tag in ihrem rosa Bademantel herum. Und das nicht nur im Haus. Sie tut immer so, als sei es ihr egal, was die Nachbarn denken, aber wenn es um ihren Enkelsohn geht, kann sie sehr streng sein, denn er soll auf keinen Fall die gleichen Fehler machen wie seine Mutter. Ich persönlich finde ja, dass Conny absolut kein Fehler ist, aber mit seiner Oma würde ich mich trotzdem lieber nicht anlegen. Die gute Frau hat nämlich nicht nur ordentlich Haare über der Oberlippe, sondern auch auf den Zähnen. Sie selbst ist fest davon überzeugt, ihr Bartwuchs käme nur von der Antibabypille, was zur Folge hatte, dass Conny ihr einmal eine Packung, deren Haltbarkeitsdatum damals schon seit Jahren abgelaufen war, geklaut und komplett geschluckt hat ... leider völlig ohne Effekt, denn er ist immer noch so glatt wie ein Babypopo. Also verspreche ich ihm wohl oder übel, dass ich ihn nach Hause begleite, und als Tomasz losrennt und einen Kotzeimer für Mitja holt, während Matti seinem Bruder beruhigend die Hand auf den Rücken legt, weiß ich, ich verpasse hier heute nicht mehr viel.

TomboyWhere stories live. Discover now