Bookboyfriend vs Reality

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Bevor Internet und Telefon bei mir wieder versagen (o2 can do), lade ich lieber schnell mal das nächste Kapitel hoch.
***

Überrascht dreht er sich zu mir um. Mit gezücktem Messer.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee, einem bewaffneten Einbrecher mit den Bullen zu drohen.

Er macht einen Schritt auf mich zu. Ich mache sofort zwei zurück, stehe wieder unten am Treppenabsatz und spiele mit Fluchtgedanken. Allerdings ist meine Ausdauer zur Zeit miserabel, meine festlichen Schuhe für einen Sprint nicht geeignet, und er wirkt ziemlich sportlich. Und nachdenklich. Seine Stirn liegt in Falten, und irgendwie macht er einen verwirrten Eindruck.

„Das ist nicht, wonach es aussieht", sagt er plötzlich und kommt mir eine Stufe entgegen. „Ich will nur in die Wohnung rein."

„Dann ist es genau das, wonach es aussieht."

Der Typ rauft sich nervös das dunkle Haar und lässt das Messer sinken. Erst dann wird ihm scheinbar bewusst, dass er überhaupt ein Messer in der Hand hält und klappt es schnell zusammen. „Meine Oma wohnt hier und macht einfach nicht auf. Da habe ich mir Sorgen gemacht und wollte nachsehen, ob sie Hilfe braucht."

„Aha, deine Oma also. Und wie kommt es, dass ich dich noch nie zuvor hier gesehen habe?"

„Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?"

„Na hör mal, so etwas nennt man nachbarschaftliche Fürsorge. Da kann ja jeder, der nur drei Tage die Gegend abcheckt, kommen und behaupten, er sei der Enkel von irgendwem."

„Aber ich bin ihr Enkel." Er setzt sich auf die oberste Stufe. „Wir hatten in den letzten Jahren nur nicht so viel Kontakt."

„Dann sag mir, wie sie mit Vornamen heißt!"

„Na, ... Oma."

Ich kann nicht anders und muss lächeln. Entweder ist er wirklich ihr Enkel oder der dümmste Einbrecher der Welt. Jetzt, da er nur noch mit einer Toys'R'us-Kundenkarte bewaffnet ist, steige ich langsam die Treppe hinauf und bleibe direkt vor ihm stehen. „Es ist besser, du verschwindest jetzt! Und sollte morgen früh hier irgendetwas fehlen, habe ich mir dein Gesicht gemerkt." Zugegeben ... ein ziemlich gut aussehendes Gesicht, mit markantem Kiefer und perfekten Augenbrauen.

„Aber was ist, wenn mit ihr irgendetwas nicht stimmt", unterbricht er meine oberflächliche Analyse. „Ich habe Sturm geklingelt und sie macht einfach nicht auf."

„Was soll mit ihr nicht stimmen? Sie ist auf der Hochzeit meines Vaters, tanzt als wäre sie fünfundzwanzig und wird mit Sicherheit irgendwann nach Hause kommen."

„Und warum bist du dann nicht mehr auf der Hochzeit?"

Ich drängle mich genervt an ihm vorbei. „Du bist ganz schön neugierig, weißt du das?"

Er lächelt mich an, als wären wir alte Bekannte. „Das ist rein nachbarschaftliche Fürsorge. Und wo wir jetzt schon mal Nachbarn sind ..." Er steht auf und ist fast einen Kopf größer als ich. „... könnte ich bei dir das Bad benutzen? Ich möchte nur ungern in den Brunnen da draußen pinkeln."

„Pinkel ruhig in den Brunnen. Das macht mir nichts aus." Als ob ich jeden daher gelaufenen Einbrecher bei mir aufs Klo lassen würde.

„Aber meiner Oma vielleicht ... ich meine, was würden nur die Nachbarn sagen?"

„Wenn du deine Oma nur ein bisschen kennen würdest, wüsstest du, dass ihr das Dorfgetratsche am Arsch vorbei geht. Gute Nacht." Ich lasse ihn stehen und gehe nach oben. Wenn ich noch weiter in diesen nassen Klamotten stecken muss, habe ich spätestens morgen eine fette Erkältung, und das passt mir gerade überhaupt nicht.

TomboyWhere stories live. Discover now