7 - Hilflos und unschuldig

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Eine warme Träne läuft meine Wange hinunter und fühlt sich an, als würde sie sich in meine Haut brennen. Manchmal wünsche ich mir einfach, er würde plötzlich vor meiner Tür stehen, mich an die Hand nehmen und flüstern: „Komm, lass uns gehen und glücklich sein." Doch er ist weg. Und wird niemals wieder kommen.

Wie lustig... Da dachtest du, du hättest dein Leben bis jetzt in vollen Zügen ausgenutzt und genossen, da triffst du diesen einen Menschen, der dir das Gefühl gibt, du hättest dein Leben lang die Luft angehalten und würdest zum ersten Mal atmen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, hörst du ja auch wieder auf, sobald er nicht mehr da ist. Atme ich?

Perplex schüttle ich diese Gedanken von mir. Wie jeden Donnerstag bin ich in der Bäckerei und kaufe mir frisches Brot. Das haben wir ebenfalls immer zusammen gemacht. Zumindest wenn er im Land war. „Bis nächste Woche, Jade.", verabschiedet sich der Bäcker von mir und winkt mir zum Abschied. Ich winke ebenfalls und mache mich auf den Weg nach Hause.

Mein Weg führt mich über den Hügel und am Wald entlang, über die Brücke am Teich, hinein ins Dorf. Doch dieses Mal bleibe ich stehen. Gedankenverloren setzt ich mich auf die hölzerne Brücke und blicke ins Wasser, esse immer wieder ein kleines Stück des Brotes und scheine die Zeit mal wieder vollkommen aus den Augen verloren zu haben.

Das Mondlicht glitzert auf der Wasseroberfläche. Ich lasse meine Füße über die Kante hängen und starre auf die pechschwarzen Wellen mit der leuchtenden Spiegelung. Es kommt immer öfter vor, dass ich nachts noch wach bin. Mein Bett wirkt so bedrohlich groß, einsam und kalt. Viel größer und einsamer als zu der Zeit, in welcher er im Krieg war.

Nach einer ganzen Weile springe ich von meinem Platz auf und strecke mich ausgiebig. Meine Knochen knacken, meine Haare rutschen mal wieder in meine Stirn. Ich trage erneut eines seiner Hemden. Sie tragen noch seinen Geruch, geben mir ein bestimmtes Gefühl von Vertrauen und Heimat.
Seufzend laufe ich die, vom Mondlicht beleuchteten Wege entlang zurück ins Dorf.

Eltern habe ich nicht mehr. Ich kenne sehr wenige Kinder im Märchenland, die noch beide Eltern besitzen. Ich kann mich glücklich schätzen die Hütte behalten zu dürfen. Und gerade als ich daran denke ersprähe ich das kleine Mädchen, welches am Brunnen kniet und daraus trinkt. Ihre Kleider sind dünn und löchrig, ihre Haare verdreckt.

Vorsicht trete ich an sie heran, ziehe die Jacke aus, welche Fabius mir gegeben hatte und lege sie ihr ebenfalls um dir Schultern. Er wird es verstehen. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen und werde es vermutlich auch nicht mehr. Erschrocken zuckt sie zusammen und sieht zu mir auf.

Die Jacke ist ihr viel zu groß. Sie wirkt hilflos und unschuldig. Und dieser Anblick fasziniert mich so sehr, dass ich vergesse wie kalt mir in diesem Moment ist. „Hier, iss.", bitte ich sie und reiche ihr das restliche Brot. Überfordert sieht sie mich an, schüttelt ihren Kopf, doch bleibe ich stur. „Ich habe genug zu essen, keine Sorge. Iss ruhig.", verspreche ich ihr, wodurch sie es zögernd annimmt.

Dankbar lächelt sie mich an und schlingt ihre kleinen Arme um meinen Bauch. „Hast du einen Platz zum schlafen?", frage ich besorgt, woraufhin sie den Kopf schüttelt. In diesem verfluchten Land gibt es viel zu viele solcher Kinder. Vorsichtig hebe ich sie hoch und trage sie zu mir nach Hause. Dort ist es zumindest wärmer.

Was ich mir gewünscht habe? Dass du es endlich erkennst. Liebling, du bist vielleicht kein Ritter, aber du bist ein größerer Held als ich es jemals sein werde."

„A true hero isn't measured by the size of his strength, but by the strength of his heart." - Hercules

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We need more heros
in this world
We need more hearts
in this society
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Once upon the time... [BoyXboy]Where stories live. Discover now