01. Unbekannte
Harry
Seufzend ließ ich mich auf die Holzbank fallen, die mitten in einer großen Parkanlage an einem geschotterten Fußweg stand.
Aus meinem schwarzen Rucksack kramte ich mein Tablet und einen Stift. Ich öffnete eine App und überarbeitete meine Semesterarbeit, die mir noch nicht wirklich gefiel.
In einer Woche war Abgabetermin und die Zeit reichte nicht, um ein neues digitales Bild zu zeichnen. Denn mein bisheriges Motiv, ein Waldstück, in dem alle möglichen Tierarten zu sehen waren, war fast fertig.
Doch für mich wirkte es etwas zu langweilig. Aber eine bessere Idee war mir nicht in den Sinn gekommen. Anfangs wollte ich meine Hündin Ciara zeichnen aber da ich kein vernünftiges Foto als Vorlage zustande bekam fiel diese Idee flach.
Dann wollte ich meinen kleinen Bruder Paul zeichnen, der aber ebenso wie Ciara viel zu hibbelig war, um lange genug ruhig sitzen zu bleiben.
Der kühle Frühlingswind wirbelte in der Luft, weshalb ich den Reißverschluss meiner dunkelgrünen Stoffjacke nach oben zog.
In meine Nase nistete sich der Geruch von frischen Waffeln ein als zwei Kinder mit jeweils einer solchen an mir vorbeiliefen.
Ich war so in meine Zeichnung vertieft, dass ich zuerst gar nicht merkte, dass sich jemand neben mich gesetzt hatte.
Ein junges Mädchen mit langem tiefbraunen Haar. Auf ihrem Schoß lag ihr Laptop auf dessen Tastatur sie herumtippte. Neugierig wie ich war lehnte ich mich möglichst weit zurück, um lesen zu können was sie schrieb.
Als sie ihren Kopf zu mir drehte richtete ich meinen Blick schnell wieder auf mein Tablet. Beim dritten Mal jedoch erwischte sie mich.
„Tut mir leid. Ich bin ein zu neugieriger Mensch", schmunzelte ich und deutete auf den Text, den sie geschrieben hatte. „Kannst du das nochmal wiederholen? Ich habe dich akkustisch nicht verstanden", bat ich das Mädchen, das meiner Bitte auch etwas irretiert nachkam.
Natürlich hatte ich sie akkustisch nicht verstanden. Immerhin war mir das überhaupt nicht möglich. Trotzdem hatte ich so schnell nicht von ihren Lippen ablesen können.
„Das ist meine Semesterarbeit. Also, es hat nichts mit malen nach Zahlen zu tun", erklärte ich ihr leicht lachend. „Ich bin übrigens Harry."
Mona. Ein eher seltener Name. Zumindest hatte ich ihn davor noch nicht oft gehört. Aber irgendwie passte er zu ihr. Ich war froh, dass Mona nicht nuschelte sondern die Lippen richtig bewegte. So konnte ich besser ablesen was sie sagte.
Zwar war ich es gewohnt, dass manche Menschen schneller redeten aber Mona brachte das Ganze auf ein neues Level. Aber es war auch irgendwie amüsant für mich, da Mona nicht realisierte, dass ich sie nicht verstehen konnte, weil ich taub war.
Dennoch erzählte Mona mir wie ein sprechender Wasserfall, worum es in dem Text ging. Am Anfang war ich noch gut mitgekommen aber ab der zweiten Hälfte war ich raus.
„Kannst du vielleicht langsamer sprechen?", fragte ich deshalb nach. „Oh Gott. Das hättest du ruhig früher sagen können. Ich weiß, dass ich schnell rede und ich versuche das in den Griff zu kriegen aber funktioniert noch nicht zu hundert Prozent", erklärte sie mir peinlich berührt.
Meinen Blick wandte ich eher widerwillig von Mona's schönen blau-grün gemischten Augen ab als mich jemand von der anderen Seite anstupste.
„Hast du unsere Verabredung vergessen?", sprach mein bester Freund Louis. Seine Hände ließ er in den Seitentaschen seiner Jeansjacke verschwinden während er einen Kaugummi in seinen Mund schob.
„Entschuldige. Ich war schon dort. Habe mich in der Zeit vertan", erwiderte ich ihm mit einem entschuldigenden Lächeln. „Ich habe zwei Stunden gebraucht um dich überhaupt zu finden, weil du nie auf dein Handy schaust", verdrehte Louis die Augen. „Wie gesagt: Tut mir Leid, dass ich dir vergessen habe Bescheid zu geben. Du kannst dich gerne mit El treffen, wenn sie nicht schon andere Pläne hat", entgegnete ich ihm schulterzuckend. „Bis Montag, du Idiot", schüttelte Louis lachend den Kopf, ehe er seinen Weg fortsetzte. Erst als Mona mit zwei Fingern vor meinem Gesicht schnipste merkte ich, dass sie mich wohl etwas gefragt hatte.
„War das ein Freund von dir?", wiederholte Mona ihre Frage, die ich von ihren Lippen ablas. „Ja. Er sollte mich zu einem Arzttermin begleiten aber ich habe ihm die falsche Uhrzeit geschrieben, weshalb er mich jetzt gesucht hat." „Du magst Tiere, heh?", wechselte Mona auf unser Anfangsthema zurück. „Schon aber dieses Bild ist eher aus reiner Verzweiflung entstanden", prustete ich und speicherte meine Änderungen.
Im selben Moment kam mir eine irre Idee. Ich scannte Mona mehrfach von oben bis unten, um mir möglichst viel von ihrem Aussehen und den Gesichtszügen zu merken.
Sie hatte das perfekte Gesicht zum zeichnen. Nicht zu markant aber auch nicht zu langweilig. Ihre blau-grünen Augen stachen im Kontrast zu ihren etwas dunkleren Haaren sehr schön heraus.
Kombiniert mit dem Rest erzeugte das einen gewissen Wow-Effekt, der mich von der ersten Sekunde an getroffen hatte.
Wie findet ihr das erste Kapitel?🌵
Was haltet ihr bisher von Harry?
- sari🌸
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Happily ↬ h.s
Fanfiction» Ich bin glücklich, wenn ich bei dir bin. « Es braucht nur einen schicksalhaften Moment, damit sich das Leben um 360 Grad dreht. Auch Harry erlebt diesen schicksalhaften Moment, in Folge dessen er gehörlos wird. Harry glaubt nicht mehr daran eine...