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Rick liegt in einem Bett. Ihn in diesem weißen sterilen Raum zu sehen bricht mir das Herz. Sein immer noch geschwundenes Gesicht liegt friedlich auf einem Kissen. Seine Brust ist dick bandagiert. In seinem Arm steckt eine Nadel, auch an anderen Stellen erkenne ich Nadel. Nur allein das Gerät das seine Herzfrequenzen anzeigt macht Geräusche ansonsten ist es still. Langsam gehe ich zu seinem Bett hin. Ich ziehe einen Stuhl nah heran und setze mich zu ihm. Ich nehme seine Schlafe Hand in meine. Es ist verkehrt das er hier liegt obwohl Mike das alles nur gemacht hat, weil ich mich in Rick verliebt habe und nicht in ihn.

In Laufe des Ereignisses habe ich einen Beschluss gefasst. Rick und ich sind im Streit auseinander. Einem albernden Streit. Er empfindet viel für mich, sehr viel und ich auch für ihn. Er hat Probleme, die er in Griff bekommen kann. Mit meiner Hilfe. Mir ist klar geworden wie verdammt kurz das Leben sein kann. Wie schnell es vorbei sein kann. Ich muss die Zeit nutzen, wir müssen dies tun. Ein einzelne Tränen bahn sich den Weg hinaus aus meinen Augen. Die tropft auf Ricks Bettdecke. Ich weiß nicht wie lange ich neben ihm sitze und seinen Atemgeräuschen lausche. Später kommt Toni und setz sich in die Ecke. So vergeht die Nacht. Immer mal wieder kommt eine Krankenschwester und schaut nach ihm. Doch er wacht nicht auf.

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"Megan?" Ich zucke auf. Mein Blick geht zuerst zu Rick. Doch dieser liegt immer noch mit geschlossenen Augen da. "Megan?" Ich schaue zur Tür. Cody steht in der Tür. Tränen glänzen in seinen Augen. Sofort bin ich auf den Beinen und laufe zu ihm. Toni schläft auf einem Stuhl neben dem Bett. Ich bewege mich leise um ihn nicht aufzuwecken. "Was..." Ich muss mich räuspern um meine Stimme wieder zu finden. "Was machst du hier?" flüstere ich.

Codys Blick liegt immer noch Rick. "Sind deine Eltern auch da?" frage ich ihn weiter. Doch Cody schüttelt nur den Kopf. "Komm mit." Vorsichtig fasse ich ihn am Arm und bringe ihn raus aus dem Zimmer. "Rede mit mir Cody." bitte ich ihn. Endlich scheint er aus seiner Trance auf zu wachen. Er schaut mich an. Wir sind fast auf Augenhöhe. "Ich wollte Rick sehen. Wir haben die Nachricht heute Morgen erhalten. Wird er überleben?" Angst spiegelt sich in seinen Augen wider. Jetzt erkenne ich den 13-jährigen Jungen in ihm. Mir fallen die nächsten Worte schwer. "Er wird überleben." Vor Erleichterung sacken seine Schultern runter. "Wo sind deine Eltern?" frage ich erneut. "Die sind daheim. " "Wie bist du hergekommen?" "Bin Bus gefahren." Verunsichert streicht er sich seine Haare zurück. Diese Geste erinnert mich so an Rick, dass sie mir Tränen in die Augen schießt. Ich ziehe ihn in meine Arme und drücke ihn. Ich brauche die Wärme. Er hebt zögerlich seine Arme und legt sie um mich. "Geht es dir gut?" fragt er mich. Stumm schüttle ich den Kopf. Cody drückt mich fester an seinen schmalen Körper.

"Wissen deine Eltern, dass du da bist?" frage ich, nachdem ich mich gelöst hatte. Er verneint. "Ich bin abgehauen. Ich will nicht zurück. Ich will nicht in diese Camps. Ich verspreche auch mich an alle Regeln zu halten. Ich will hierbleiben. Bei Onkel Toni und Rick. Es tut mir leid, dass ich nicht still halten kann. Ich versuche mich zu bessern, Versprochen." Seine Stimme bricht, er wirkt zu jung für das alles hier. "Wir bekommen das hin, ich verspreche es." Mit großen Augen, die in voller Hoffnung stehen schaut er mich an. "Rick hat Glück dich zu haben." Meine Wangen werden warm. "Komm gehen wir wieder rein. " Drinnen erwartet uns Toni. Er reibt sich seine müden Augen und wechselt einen ungläubigen Blick zwischen uns. Er zieht Cody in die Arme. Ich drehe mich weg. Setze mich wieder auf den Stuhl an Ricks Bett. Meine kleine Hand umschließt seine große.

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"Du solltest mitkommen." "Nein, ich bleib hier. Geht nur." Mein Kopf liegt auf dem Bett. Toni und Cody stehen vor mir. "Du hast noch nichts gegessen." besorgt schaut Toni mich an. "Ich habe keinen Hunger." Meine Hände umklammern Ricks Hand fester. "Na komm, wir bringen ihr was mit." Cody fasst Toni am Arm. Er wurde in den letzten Minuten immer hibbeliger. Er muss sich bewegen. Dankbar schaue ich zu Cody. Beide verschwinden nur widerstrebend aus dem Zimmer. Ich kann hier nicht weg. Nicht bevor er aufgewacht ist. "Rick?" Ich bekomme keine Antwort aber darauf achte ich nicht. "Bitte wach auf. Wir brauchen dich hier. Ich brauche dich." Meine Hand streicht über seine. "Es tut mir leid, dass ich sauer war, du hast nur so viel Müll geredet." Kurz halte ich inne, hole tief Luft.

 "Du hattest recht. Ich steh auf dich. Und zwar richtig. Irgendwie hat es mich voll erwischt. Obwohl du manchmal gemeine Sachen sagst. Aber dann wieder rum bist du...du bist so Rick. Obwohl ich es nur ungern zugebe, doch du hast mir in den letzten Monaten so viel beigebracht." Kurz stocke ich. Ich spüre ein zwicken in meiner Hand. Vor Schreck hätte ich beinahe seine Hand losgelassen. Wieder ein zwicken an meiner Hand. Mein Herz klopft wie wild in meiner Brust. "Rick?" hauche ich. Gespannt schaue ich in sein Gesicht. Seine Augen zucken. Vor Erleichterung hätte ich am liebsten aufgeschrien. Aber ich beiße mir auf die Zunge. "Megan." Ich kann nicht verhindern das mir ein laut über die Lippen kommt. "Megan?" Seine Lippen bewegen sich weiter doch kein Ton kommt über seine Lippen.

"Hier. Ich bin hier. Alles gut." Mit einer Hand drücke ich seine, die andere lege ich an seine Wange. "Zu....hell." Seine Stimme kratz, ist aber dennoch das schönste was ich in den letzten Stunden gehört habe. Ich schalte sofort das Licht aus. Inzwischen sitze ich komplett auf seinem Bett und schaue ihn an. Vorsichtig öffnet er seine Augen. Endlich. Die geliebten moosgrünen Augen. Unorientiert schaut er sich um. Bis seine Augen meine finden. "Nicht....weinen." Er hustet und verzieht schmerzvoll das Gesicht. Zittrig nehme ich meinen Becher und reiche ihn ihm. "Langsam." mahne ich. Ich schniefe auf, die Tränen wollen nicht aufhören. Nachdem er getrunken hat stelle ich den Becher zurück. Mein Gewissen meldet sich, ich sollte sofort die Krankenschwestern rufen aber ich kann mich nicht rühren. "Leg dich zu mir." Ricks Hand zupft an meiner.

"Ich sollte die Krankenschwester holen. Du hast zwei Tage geschlafen. An was kannst du dich erinnern? Oder nein, versuch dich nicht zu erinnern. Hast du schmerzen?" quassele ich drauf los. Doch Rick lächelt nur selig. "Leg dich zu mir." erneutes zupfen an meiner Hand. Die Schmetterlinge in meinem Bauch entfalten ihre Flügel. Ich streife meine Schuhe von den Füßen und rutsche zu ihm. Doch vorher drücke ich den roten Knopf für die Krankenschwester. An seiner Seite gekuschelt lausche ich seiner Atmung. Als die Krankenschwester ins Zimmer kommt und uns sieht, rennt sie sofort wieder raus und holt den Arzt.

 "Guten Tag, ich bin Dr. Herz. Wie geht es ihnen Rick?" Dr. Herz ist ein Arzt mitten in den 40igern mit ergrautem Haar und rundlichen Bauch. "Ich bitte Sie, draußen zu warten." bittet er mich. Als ich aufstehen will hält Rick mich fest. Nicht stark aber ich spüre seinen Widerstand.

"Wo...Wo gehst du hin?" fragt er. Seine Augen spiegeln eine Angst wider dir mir den Boden wegreißt. Er kann sich erinnern. Ohne die Bestätigung zu haben weiß ich es. So eine Angst würde er nicht verspüren, wenn er sich nicht erinnern könnte. "Megan darf gleich wieder rein. Wir müssen nur ein paar Untersuchungen durchführen." meldet sich Dr. Herz zu Wort. Ricks blick weilt eine Weile auf mir. "Ich muss Toni und Cody Bescheid geben. Ich komm wieder." Ich küsse ihn auf die Stirn. Er stellt nicht in Frage, dass ich Cody erwähnt habe. Aber darum kümmere ich mich später. 

My GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt