30. Brandon

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November

Ich habe etwas entdeckt. Ein verschlossener Aktenschrank. Keiner war bis jetzt abgeschlossen und ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass sich hinter der Schublade etwas verbirgt. Aber dazu musste ich Jade loswerden. Hoffentlich sucht sie sich nach dem Geräusch tot.

Ich rüttele probehalber an dem Griff der Schublade. Verschlossen. Oder sie klemmt. Auf jeden Fall kann ich sie nicht öffnen. Ich sehe mich im Raum nach einer Möglichkeit um, die Schublade zu öffnen, finde aber nichts. Nur alte verstaubte Schränke und unsere Putzutensilien. Ich trete gegen die Tür. Das Metall klirrt laut, gibt aber keinen Millimeter nach. Mein Fuß pocht.

Denk, Bran, denk.

Ich drehe mich einmal um die Achse und suche wieder nach etwas Brauchbarem. Ich lasse mich auf die Knie fallen und krieche durch den Raum. Verdammt, viel Zeit bleibt mir nicht mehr. Jade wird jeden Moment zurück sein. Vermutlich wütend. Höchstwahrscheinlich wütend. Wenn sie mich hier herumkriechen sieht, wird das sie nur noch mehr zum Kochen bringen.

Ich bleibe an unserem Putzeimer hängen. Daneben liegt eine kleine schwarze Haarnadel, die Jade wahrscheinlich verloren hat. Zum Putzen steckt sie ihre Haare immer hoch. Keine Ahnung, wie ich damit das Schloss knacken soll, aber in Filmen sieht das immer so einfach aus. Ich biege sie auseinander und stecke das dünne Metallende in das Schloss. Fachmännisch presse ich mein Ohr gegen das Schloss, um auf das erlösende Klicken zu warten, und bewege auf gut Glück die Haarnadel. Nichts passiert. Es klickt zwar mehrmals, aber ich kann es nicht öffnen. Es sah immer so einfach aus.

Schritte nähern sich.

Sie ist gleich da. Ich muss mich beeilen. Ich muss wissen, was in diesem Schrank ist.

Fluchend werfe ich die verbogene Haarnadel weg und ramme meinen Fuß gegen die Tür. Meine Beine sind das stärkste an mir. Wenn das nicht klappt ...

Ich spanne jeden noch so kleinen Muskel an und trete. Das Metall klirrt, gibt aber nicht nach. Verzweiflung macht sich in mir breit. Wenn ich Tommy nichts liefere, dann werde ich für immer hier bleiben.

Klirr. Klirr. Klirr.

Etwas bricht. Das Schloss fällt ab. Schritte nähern sich. Ich reiße die Schublade auf. Sie ist leer.

Der Scanner neben der Tür piept.

Da muss doch etwas sein! Nie im Leben ist diese Schublade leer. Da, in der Ecke. Etwas blitzt silbern. Ich nehme das daumengroße Teil an mich. Ein Mikrochip.

„Brandon, ich reiße deinen Arsch auf! Da draußen ist nichts!"

Ich fahre herum, den Mikrochip in meiner Faust hinter meinem Rücken vergraben. Keine Lüge kann mehr verschleiern, dass ich spioniert habe. Ich bin der schlechteste Spion der Welt.

„Was hast du da in deiner Hand?", bellt sie. Ihre Schritte nähern sich, energisch und entschlossen. Obwohl sie mehr als einen Kopf kleiner ist als ich, wirkt sie einschüchternd.

„Nichts." Ich bin überrascht, dass meine Stimme nicht zittert.

„Gib es mir."

„Nein."

„Brandon!"

Ich reagiere nicht. Wie zum Teufel soll ich mich aus dieser Situation manövrieren? Jade schnellt hervor wie eine Viper. Ein gezielter Tritt gegen meine Knie und ich knicke ein. Der Absatz ihrer Stiefel bohrt sich in meinen Rücken. Sie entreißt mir den Mikrochip und mustert ihn von allen Seiten.

Ich bin ein Versager.

„Das wirst du bereuen." Ihre Stimme ist gefährlich leise. Mein Herz klopft so schnell, als würde es einen hundert Meter Sprint hinlegen. „Ich werde Dr. Ruth unterrichten."

Ihre klackenden Schritte entfernen sich. Mein Gesicht liegt im Dreck. Ich muss so schnell wie möglich hier weg. Oder ich werde getötet.

Oder schlimmer noch: Clare.

Die EliteWhere stories live. Discover now