39« Davis

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»Sie haben nach mir gerufen, Sir?«
Mit einem leisen Klicken fiel die Bürotür hinter Ms Keiler ins Schloss. Ich betrachtete sie einen Moment und nickte schließlich, ehe ich sie zu mir bat.
Langsam und nervös ließ sich die junge Frau in einen Sessel vor meinem Schreibtisch fallen und spielte mit ihren Fingern, als ich sie schief betrachtete.
Um meine Lippen zuckte es, denn diese Angewohnheit kannte ich nicht nur von mir selbst, sondern auch von Tears, die ihre Nervosität in Kombination mit Lippenkauen auslebte. Es war lustig zu sehen, wie gleich wir Menschen doch waren.

In den letzten Tagen waren mir eine Menge Gemeinsamkeiten zwischen Tears und mir aufgefallen doch je verschiedener wir waren, desto angezogener war ich von ihr, weil ich all meine Abneigungen überdachte und mich neben ihr neu entdeckte.

Ich räusperte mich, weil meine Gedanken von Thema ablenkten und Tears auf der Arbeit nun wirklich nichts zu suchen hatte. Zumindest nicht in meinem Kopf.
Ich dachte in letzter Zeit durchgehend an sie, aber in der Firma musste ich wirklich Fassung bewahren.
Die Leute hier durften mich nicht so glücklich erleben, denn das ruinierte meinen gefassten Ruf.
Auf der Arbeit war ich Davis Harson und niemand anderes.

»Wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann bitte entschuldigen Sie, das war nicht meine Absicht. Ist es wegen-?«, stotterte Miss Keiler los und hielt sofort inne, als ich meine Hand hob und abermals den Kopf schüttelte.
Nein, es ist nicht wegen Ihrer flirtenden Blicke.

»Grundsätzlich haben Sie nichts falsch gemacht.«
Sie atmete sichtlich erleichtert aus und sah dann auf, um mir fragend zu begegnen.
Ja, was ist es denn dann?

»Grundsätzlich ist es auch nicht wegen Ihrer – wie soll ich es nennen? – Blicke oder Ihrer Tuscheleien hinter meinem Rücken.«
Ms Keiler lief schamrot an, ihre Wangen verfärbten ihr komplettes Gesicht und sie senkte verlegen den Kopf. Ich überdachte meine Meinung. Konnte ich so jemandem wirklich vertrauen und vor allem etwas anvertrauen?

Ich lehnte mich ratlos zurück und betrachtete meine Angestellte, ehe ich seufzte und somit wieder an Aufmerksamkeit erlangte.
Ich kreuzte meine Finger über den Akten auf meinem Schreibtisch und schloss für einige Sekunden die Augen, ehe ich ihr mit Blickkontakt und der Wahrheit begegnete.
Wehe sie enttäuschen mich.

Ich verteilte grundsätzlich nur eine einzige Chance und diese sollte sie nicht patzen.
»Ich bin ehrlich mit Ihnen, Miss Keiler. Ich habe in Erwägung gezogen Ihnen zu kündigen.«
Ich sah wie sich ihre Augen merklich weiteten und sie vor Schock die Luft anhielt.
Ja, ich meine das ernst.

»Ihre Arbeitsweise war in den letzten Monaten einfach mangelnd und Sie glauben nicht, wie viel ich doch von meinen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mitbekomme. Ich sehe, wer vernünftig arbeitet und wer es einfach nicht verdient hat. Meine Geschäfte tragen ein Gewicht dessen Schwere sie sich vielleicht gar nicht bewusst sind. So scheint es mir zumindest. Sie vergessen bei wem und für wen sie arbeiten und das hat mich stutzig gemacht, denn ich investiere grundsätzlich nicht in Menschen, die es nicht verdient haben. Vielleicht haben Sie es nicht verdient. Ich bin mir mehr als unsicher.«

Ich hielt einen Moment inne und lehnte mich schließlich wieder zurück, ehe ich fortfuhr.
»Ich fördere meine besten Mitarbeiter. Es mag arrogant klingen, aber sie arbeiten an der Spitze und wenn sie entsprechende Leistung bringen, dann begrüße ich das mit einer großzügigen Belohnung.
Mit voller Ehrlichkeit: Ich brauche Sie nicht. Es gibt Hunderte, die sich um einen Job hier reißen und ich bin mir sicher ganz schnell einen Ersatz für Sie zu finden.«

Nun war sie blass geworden. Ihre Haut wurde mit jedem Wort fahler und auch wenn es mir leidtat so wollte ich ihr an diesem Glückstag – an dem ich ihr aus reiner Güte doch tatsächlich eine zweite Chance geben wollte – klarmachen, dass ich sie in Zukunft auf jeden Fehler kontrollieren würde und sie sich wirklich anstrengen musste, um sich fernerhin hier zu arbeiten.
Heute vergab ich zum ersten Mal in meinem Leben nur eine Verwarnung und das sollte wirklich etwas heißen.

TEARSWhere stories live. Discover now