Als die Blumen wieder blühen (1)

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Der Winter vergeht schleppend, aber er vergeht. Irgendwann schieben die ersten Frühblüher ihre Knospen aus dem Boden und das triste Grau weicht einem zarten Grün, das sich langsam über die Natur zu ziehen beginnt. Mit dem Gesang der Vögel und der immer höher stehenden Sonne scheine auch ich aus meiner Wintertraurigkeit aufzuwachen. Ostern ist noch kalt, nur wenige Frühblüher bringen Farbe in die Welt, aber dennoch merke ich, wie ich immer glücklicher werde. Verrückt, oder? Wie Jahreszeiten das eigene Wohlbefinden beeinflussen können. Eigentlich hat sich bei mir überhaupt nichts verändert, mein Leben läuft einfach so vor sich hin. Es ist sehr geprägt von Schule und meinen zahlreichen Hobbys am Nachmittag. Jeden Mittwoch fahre ich zu Markus, wir gehen gemeinsam zu einem Tanzkurs und ich übernachte bei ihm. Mehr passiert nicht. Normalerweise bin ich froh, wenn ein geregelter Ablauf meine Tage und Wochen bestimmt, aber mit dem Schwinden des Winters, habe ich auch immer mehr das Bedürfnis aus diesem Alltagstrott auszubrechen, wieder neue Dinge zu erleben. Leider sieht es im Moment nicht so danach aus. Zum Glück sind jetzt erst mal Osterferien, da habe ich zumindest mal Zeit meine Großeltern zu besuchen.

Ich liebe es, wie heute am Ostermontag, bei ihnen am Abendbrottisch zu sitzen, der Geruch von Wurst und frisch geschnittenem Brot in meiner Nase.

„Willst du nicht noch eine Schnitte essen?", fragt mich meine Oma, doch ich schüttle dankbar lächelnd den Kopf. Hier gibt es immer so viel leckeres  zu essen, dass ich mich jetzt schon auf den Nachtisch vor dem Fernseher freue.

Während wir später gemeinsam vor dem Fernseher sitzen, eine Ratesendung schauen und Weintrauben essen, schaue ich immer wieder auf mein Handy, um zu sehen, ob Markus mir geschrieben hat. Den gestrigen Abend habe ich noch bei ihm verbracht, wir haben ganz entspannt mit seinen Eltern Abend gegessen und bei ihm im Bett eine Serie geschaut. Und natürlich haben wir auch unser Bedürfnis nach körperlicher Nähe ausgelebt. Bei dem Gedanken daran muss ich grinsen. So läuft es bei Markus und mir immer ab. Ich fühle mich bei ihm zuhause mittlerweile sogar wohler als bei mir selbst. Nach eineinhalb Jahren habe ich mich nun auch daran gewöhnt, dass bei ihm am Tisch selten viel geredet wird. Insgesamt ist alles immer sehr still, aber wenigstens harmonisch, was ich von meiner Familie leider nicht behaupten kann. Deswegen flüchte ich mich auch in diesen Ferien so oft wie möglich woanders hin. Markus hat heute Abend allerdings Freunde bei sich, von denen zwei gemeinsam mit ihm Geburtstag feiern wollen in zwei Monaten. Ich muss zugeben, ich habe mich ziemlich gefreut, als ich gehört habe, dass Leon einer von ihnen ist. Seit wir auf der Feier im Januar geredet haben, hatte ich zwar keinen Kontakt mehr mit ihm, aber ich habe oft daran gedacht, wie es mit ihm und Rosalia wohl ausgegangen sein mag.

Also sitze ich an diesem Abend im Gästezimmer meiner Großeltern auf dem Bett und denke darüber nach, wie ich meinen Freund nach Leons Nummer fragen kann. Er wird es mir nicht übel nehmen, das weiß ich. Wenn Markus eins definitiv nicht ist, dann eifersüchtig. Schon öfters habe ich mich unwohl gefühlt und bin sogar traurig gewesen, weil ihn einfach nichts zu beeindrucken scheint. Da kann ich ihn das eigentlich auch fragen, ich will ja schließlich einfach nur mal hören, wie es dem Jungen geht, mit dem ich mich so nett unterhalten habe. Vielleicht hat der auch gar keine Lust auf mich, wenn er nicht mehr unter Alkoholeinfluss steht. Viele solche Gedanken begleiten mich schließlich in den Schlaf. Markus schreibt sowieso nicht viel, da ja seine Freunde bei ihm sind und das ist auch okay. Er muss ja nicht an mir kleben, es hat schließlich auch seine Vorteile einen nicht eifersüchtigen Freund zu haben. Zum Beispiel hat er mich mit meinem besten Freund Tony in den Winterurlaub fahren lassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und wenn er mir diese Freiheiten gewährt, muss ich ihm auch seine lassen.

Letztendlich fasse ich den Entschluss, ihn Morgen nach Leons Nummer zu fragen, bevor ich irgendwann in das Reich der Träume hinüberschwebe.

Wie ich es erwartet hatte, stellt Markus nicht viele Fragen, sondern schickt mir am nächsten Tag einfach Leons Kontakt. Verträumt blicke ich auf die erwachende Natur, als ich mit der Straßenbahn in die Stadt fahre, um mich mit meiner besten Freundin zu treffen.

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⏰ Last updated: Aug 02, 2019 ⏰

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