Kapitel 2

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Die Mensa der Uni war bereits prall gefüllt als die Gruppe der Kommilitonen ankamen. Die Schlange vor der Essensausgabe hatte bereits epische Maße angenommen. Laut jammernd nahm sich Paul ein Tablet und stellte sich hinter einer Gruppe junger Physik-Studentinnen an. Auch die anderen stellten sich an, um es mit der langen Wartezeit aufnehmen zu können. „Wir haben Glück, wenn wir unser Essen haben, bevor der nächste Kurs anfängt!" grummelte Brad vor sich hin. Liam, sichtlich genervt von der schlechten Laune seines Freundes, fragte: „Was hast du denn heute? Du hast keinerlei Grund für diese Stimmung. Schließlich hast du heute dein erstes Date mit deiner Herzdame!" Brad sah empört auf und hätten Blicke töten können, so wäre Liam tausend Tode gestorben. „Du hast was? Wann hattest du vor uns das zu erzählen?" Rick schlug ihm aufmunternd auf die Schulter. Doch Brad schien dieses Thema lieber zu entgehen, weswegen er sich einfach weg von der Gruppe drehte, was eine hochgezogene Braue von Liam zur Folge hatte.

Viel zu lange fünf Minuten später saßen sie mit ihrem Essen an einem zum Glück noch freien Platz und ließen sich ihr wohl verdientes Mal schmecken. „Also jetzt erzähl schon Liam, was ist mit dir?" Paul brannte auf dieses Thema und auch wenn Liam es hasste darüber zu reden, musste er seinem Freund diesen Gefallen erweisen. Wahrscheinlich war dieses Thema, warum Brad sein einzig wahrer Freund war. Er schreckte immer wieder davor zurück, neue Bekanntschaften zu schließen und immer wieder aufs Neue dieses Thema anzuschneiden. Wiederwillig begann er seinen neuen Freunden zu erzählen: „Ich habe eine Art Krankheit oder Allergie – nennt es wie ihr wollt – gegen Hitze. Das ist auch der Grund, warum ich lieber im Wintersemester angefangen habe. Es...also..." Liam schien es sichtlich schwer darüber zu reden. Hilfesuchend sah er zu Bradley, der verständnisvoll fortfuhr: „Es ist so, dass Liam mittlerweile bei Hitze ohnmächtig wird. Mit sämtlichen anderen Symptomen, die aber..." weiter kam er gar nicht, da Rick ihn auch schon unterbrach: „Was für Symptome? Erzähl!" „Zu hoher Blutdruck, Schwindel, zu flacher Atem, zu schneller Puls, Kopfschmerzen, Zittern, Schwäche, sag, wenn ich etwas vergessen habe Liam, aber ich glaub das war es alles!" Liam sah betreten auf sein Essen und nickte kaum merklich: „Ja, das war's." Paul schlug sich die Hand an die Stirn: „Ach du meine... Warum hast du das nie gesagt! Das hört sich schrecklich an! Und was macht man, wenn das passiert?" Brad schlug Liam auf die Schulter und meinte lachend: „Keine Sorge, dafür bin ich ja da! Ich habe extra eine Ausbildung gemacht und weiß, was ich zu tun hab. Und wir haben alle Kurse gemeinsam, also kann eigentlich nichts Schlimmes passieren. Das Krankenhaus kennt dich ja mittlerweile, was?" Jetzt lachte Liam auch und meinte nur: „Ja, es gibt auch andere Wege Freunde zu finden!" Plötzlich sah Rick erschrocken auf: „Ähh..Leute, der Kurs hat übrigens vor fünf Minuten angefangen!"

Völlig erschöpft steckte Liam sein Buch und sein Block in seine Tasche. „Ich schwör's! Irgendwann bringe ich diesen Dozenten noch um, oder ich springe vorher aus dem Fenster!" Brad stand stöhnend von seinem Platz auf und schleppte sich müde zum Ausgang des Lesesaals. Schmunzelnd nahm Liam seine Tasche auf die Schulter und hechtete ihm hinterher. „Brad, warte! Was ist denn los mit dir heute?" Liam sah seinen Freund fragend an. Doch dieser sah nur auf den Boden und ballte seine Hände zu Fäusten: „Das Date mit Katie, wird nicht stattfinden! Sie hat es mir heute Morgen geschrieben. Ich wollte es dir nicht sagen." Liam sah ihn geschockt an bevor er ihm eine Hand auf die Schulter legte und ihm beruhigend zusprach: „Brad, ich sag dir mal was: Ich kenn dich jetzt schon seit frühester Kindheit. Und ich hatte das Privileg diese Zeit mit dem besten Freund der Welt zu verbringen. Ich habe den wohl hilfsbereitesten, mitfühlendsten und verständnisvollsten Menschen zum Freund und ich weiß nicht womit ich das verdient habe, aber eines weiß ich ganz sicher: Jemand der das alles nicht zu schätzen weiß, Brad, so jemand verdient dich nicht! Du wirst ein anderes Mädchen finden, die all das an dir lieben wird! Vertrau mir!" Brad sah Liam mit großen Augen an und nahm in einfach nur freundschaftlich in den Arm. „Und heute Mittag machen wir mal wieder was zusammen. Keine Ahnung...wie wär's mit einem kleinen Abstecher zum Eisstadion, ein bisschen fern schauen, dich auf einem Dating-Portal anmelden..." „Liam! Höhr sofort auf!" Brad boxte ihm spaßig gegen die Schulter. Liam jedoch verzog das Gesicht und nuschelte nur: „Ich dachte ich wäre nicht derjenige, auf den du sauer bist."

Eine Stunde später saßen Brad und Liam in der Umkleidekabine des Eisstadions von Detroit. „Ich frage mich manchmal, wann du eigentlich endlich mal genug vom Eis bekommst!" Brad lächelte Liam von der Seite an, der aber nur mit den Schultern zuckte, während er seine Schlittschuhe fester band. „Ich meine du hast schon zweimal die Woche Training und selbst das reicht dir nicht?", er schüttelte irritiert den Kopf. Liam grinste nur vor sich hin, während er mit flinken Fingern die Klettverschlüsse seiner Schienbeinschoner festmachte: „Weißt du, Eishockey ist mehr als nur ein Sport für mich. Es ist wie" – er suchte nach dem passenden Wort – „fliegen! Das ist meine Luft zum Atmen, Brad!" Als er auch seine Ellbogenschoner angebracht hatte griff er sich seine Handschuhe und seinen Schläger und lief hinaus zur Eisbahn. Brad sah hinter ihm her und musste lächeln. Es machte ihn glücklich, dass Liam in solchen Augenblicken alles vergessen konnte. All die Nächte im Krankenhaus, all die Behandlungen, die er über sich hatte ergehen lassen müssen. Brad würde manchmal einfach gerne jemandem haben mit dem er reden könnte, über Liams Krankheit. Aber er konnte es nicht, noch nicht einmal mit Liam selbst. Wie lang würde es noch funktionieren, dass er alles vor Liam geheim hielt. Er begann zu zittern und Panik stieg in ihm auf, als er daran dachte, dass sich Liams Zustand von Tag zu Tag verschlechterte. Er war froh, dass aufgrund der niedrigen Temperatur es alles etwas leichter war, aber er hatte Angst, wenn der Schnee anfangen würde zu schmelzen und die Sonne die Blumen wecken würde. Er bekam Angst, wenn er daran dachte was mit den anderen geschehen war, aber noch niemand war gekommen und es blieb ihm nur noch so wenig Zeit.

~~weit entfernt~~

„Ihr könnt nun gehen. Ich habe die Nachricht erhalten." Der hünenhafte Mann entließ den Boten mit einer energischen Handbewegung. Als der Diener mit ängstlicher Miene und gekrümmt vor Schrecken den Raum verlassen hatte, ging der Großmeister mit schweren Schritten zu einem der dunklen Polstern in der Ecke des edel ausgestatteten Raumes und setzte sich schwerfällig. Eine schwere Holztür wurde aufgestoßen und ein großgewachsener junger Mann betrat selbstbewussten Schrittes den Raum. Seine pechschwarzen langen Haare hatte er sich zu einem Zopf gebunden und sein athletischer Körper wurde von einer schwarzen Robe betont. Seine Hände waren in dunklen Handschuhen verborgen und seine ledernen Schuhe ließen kein Geräusch auf dem Marmorboden ertönen. „Ihr habt mich gerufen, mein Meister?" Die Stimme des Mannes war tief und betörend. Er erschuf damit eine Aura um sich herum, die die Frage aufwarf, wer der Anwesenden wem diente. Der Großmeister richtete sich auf und trat gegenüber des Fremden: „Damian, ich möchte, dass du etwas für mich erledigst! Ich brauche deine Fähigkeiten für diese Aufgabe. Du musst mir etwas bringen, oder besser gesagt, jemanden." Die Augen des Fremden verengten sich und ein gefährliches, kaltes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht: „Was immer Ihr verlangt, Meister!"

The Lord of the NightWhere stories live. Discover now