Alles, was passiert, nehme ich für einen gewissen Zeitraum nur noch in Zeitlupe wahr. Ich sehe mich im Raum um, schaue in die einzelnen Gesichter der Menschen, die ich meine Familie nennen darf. Ich bemerke meine eigenen Tränen nicht, ich spüre nur diesen gewaltigen Schmerz in meiner Brust. Ich bekomme weder mit, wie die Umrisse meiner Mitmenschen verschwimmen, noch dass meine Mutter unter Tränen darum fleht, dass ich jetzt bloß nicht die Nerven verlieren solle. Alles, was ich tatsächlich spüre und wahrnehmen kann, ist dieser abnorme Schmerz, der einfach nicht aufhören will. Plötzlich bemerke ich allerdings, wie ich am Arm gepackt werde, um dann allen Ernstes mit meiner Mum aus dem Fenster des Büros zu springen.
Klar, sicherlich denkt ihr jetzt, diese Frau ist vollkommen wahnsinnig, doch da ich mich im nächsten Moment in einen Obscurus verwandle, ist ihre Entscheidung nachvollziehbar.
Ich spüre nichts, außer dieses Chaos, das ich nun verursache.
Keine Ahnung, wie lange ich wüte, doch als ich mich langsam irgendwie wieder beruhige, erkenne ich, dass meine Mum weit entfernt steht.
Um mich herum ist glücklicherweise nicht so ein großes Chaos entstanden, wie ich zuerst gedacht habe, doch ich habe in meiner Wut einige Löcher im Boden verursacht. Löcher, aus denen ein wenig Rauch steigt.
Was bei Merlins Bart habe ich getan?!
Meine Mutter scheint zu denken, dass die größte Gefahr erst einmal vorüber ist und kommt mit vorsichtigen Schritten zu mir. Allerdings fühle ich mich durch den Ausbruch kein Stückchen besser, es hat diesen verfluchten Schmerz nur für gefühlte Sekunden betäubt.
Das ist nicht wahr, das ist alles nur ein verfluchter Traum! Ich werde gleich aufwachen und Albus wird wie gewohnt in meinen Armen liegen!
Doch es trifft mich wie ein Schlag und mir wird bewusst, dass Albus möglicherweise in Lebensgefahr schweben könnte. Blitzartig schwindet meine Wut und macht der reinen Angst beziehungsweise Verzweiflung Platz, von der ich keine Ahnung habe, wie ich mit ihr umgehen soll. Mir ist klar, dass Al noch nicht tot sein kann, denn glaubt mir, das hätte ich bemerkt. Wenn man allerdings nicht weiß, was überhaupt mit ihm ist und ob es ihm gut geht, das schnürt einem die Luft ab.
Die Gedanken in meinem Kopf hören einfach nicht auf, sich zu drehen, weshalb ich schließlich wortwörtlich einknicke und meinen Schmerz in die Welt hinausschreie, während mir immer mehr Tränen über die Wangen laufen.
Irgendwann versagt meine Stimme und ich kauere mich einfach auf dem Boden zusammen. Meine Mutter stößt zu mir.
"Wir werden ihn finden, mein Schatz. Gib uns ein bisschen Zeit."
Anhand meiner Reaktion wird mir bewusst, wie wichtig mir dieser Junge ist, dass er mein komplettes Leben auf seine eigene Art und Weise kontrolliert.
"Wenn ihr wirklich dazu in der Lage wärt, dann hättet ihr Lysander in die Finger bekommen, bevor er mir Albus nehmen konnte!"
Ich bin überrascht, dass sie nichts sagt, sondern mich sie tatsächlich anbrüllen lässt.
"Scorpius, jetzt geht es nur darum, dass du uns die Sache regeln lässt. Alice ist auch nicht aufzufinden. Harry hat nach ihr gesucht, während McGonagall nach dir gesucht hat. Allerdings wurde in der Nachricht, die sie urplötzlich auf dem Tisch hatte, nichts davon gesagt, dass sie in irgendeiner Art und Weise in diese Sache verwickelt ist."
"Mum, findet meinen Freund! Findet Alice! Sofort!"
"Schätzchen, beruhige dich. Wir gehen jetzt erstmal wieder ins Büro und dann kann ich mit dem Team besprechen, wie wir verfahren."
Wiederwillig stehe ich noch immer vor Angst weinend auf und folge meiner Mutter wieder ins Schloss."Sie werden ihn sicherlich finden, Scorp. Versprochen."
Es ist süß, dass Lily versucht mir Mut zu machen, obwohl sie auch wie ein kleines Häufchen Elend aussieht. Um uns irgendwie zu beruhigen, haben wir uns gegenseitig in den Arm genommen.
"Das hoffe ich wirklich."
Meine Stimme ist noch ein wenig belegt und ich sehe schrecklich aus. Blass, mit geschwollenen Augen. Die kleine Schwester meines Freundes kuschelt sich noch weiter an mich und versteckt ihr Gesicht an meiner Brust. Natürlich habe ich ihr nicht gesagt, dass ich bemerke, wie sie weint, sondern schlinge die Arme nur noch fester um sie.
Wenn man es recht bedenkt, ist es schon irgendwie komisch. Ich habe jahrelang gedacht, sie würde mich hassen, aber letztendlich tut sie das gar nicht.
Die ganze Situation mit ansehen zu müssen, ist der reinste Horror. Unsere Eltern, die sich teilweise gegenseitig anschreien, Professor McGonagall, die versucht irgendwie alles unter Kontrolle zu bekommen und James, der einfach nur im Büro auf- und abgeht.
Ich habe überhaupt keine Ahnung, was passieren soll, wie ich die Liebe meines Lebens retten kann, bis sich plötzlich jemand zu Wort meldet, der eher dafür bekannt ist, das Geschehen im Büro nur zu beobachten.
"Ich unterbreche dieses Chaos wirklich nur ungern, allerdings würde ich gern für einen Moment allein unter vier Augen mit Scorpius sprechen."
Schlagartig ist es ruhig im Büro und alle sehen nach oben zum Portrait von Albus Dumbledore. Zu dem Mann, der die Schule eine sehr lange Zeit geleitet hat. Zu dem Mann, dem meinen Freund seinen ersten Vornamen verdankt.
Professor McGonagall sieht deutlich irritiert aus.
"Aber Albus, glauben Sie wirklich, dass das eine gute Idee ist?"
"Dass jemand die Wahrheit erfährt, ist niemals eine schlechte Idee und wenn es einer in diesem Raum verdient, dann ist es Scorpius. Also tut mir einen Gefallen und macht euch irgendwie anders an die Arbeit, ich muss mit dem Jungen reden."
Alle bewegen sich langsam aus dem Büro, nur meine Mutter zögert.
"Professor Dumbledore, ich weiß, Sie wollen meinem Sohn nur helfen, aber-"
"Lucy, ich verstehe deine Sorge, allerdings haben wir jetzt einen Teil der ganzen Geschichte erreicht, an dem Scorpius sich allem allein stellen muss. Wir wissen beide, dass er schon zu viel durchmachen musste, aber wenn ich mich nicht irre, gibt es nur einen Weg, um Albus zu retten und das muss er allein schaffen. Andernfalls wird dein Vater zurückkehren und das wird riesige Folgen haben. Folgen, denen ihr nicht entkommen könnt, Lucy. Nicht noch einmal."
Meine Mutter schaut mich an, während ich vorsichtig auf das Portrait des ehemaligen Schulleiters zugehe.
"Mum, ich muss ihn da raus holen, wo auch immer er ist. Ich kann nicht riskieren, dass er stirbt. Ich kann nicht riskieren, dass ich innerlich sterbe. Wenn es einer weiß, dann ja wohl du, oder? Mum, bitte. Ich habe keine andere Wahl. Lass mich allein mit ihm reden. Wir wissen beide, dass Professor Dumbledore bis jetzt fast immer mit allem recht gehabt hatte. Bitte vertraue ihm jetzt. Bitte."
Ich sehe, wie sie versucht, die Tränen zurückzuhalten, doch scheitert schließlich.
"Scorp ... Ich ... Ich kann nicht zulassen, dass dir was passiert. Nicht nochmal..."
Ich trete noch ein Stückchen näher zu ihr und umarme sie.
"Und ich darf nicht zulassen, Albus zu verlieren. Mum, bitte... Ich flehe dich an..."
Ihre Unterlippe zittert. Etwas, das nur geschieht, wenn sie ihre Gefühle kein bisschen mehr unter Kontrolle hat. Dann zieht sie mich in ihre Arme und schluchzt so heftig, wie ich es noch nie erlebt habe.
"Bitte pass auf dich auf, mein Schatz. Bitte!"
Sie krallt sich an mich und ich habe schon die Befürchtung, sie lässt mich möglicherweise gar nicht mehr los, doch dann löst sie sich von mir, vollkommen verheult.
"Ich verspreche dir, ich bringe uns heil zurück. Uns alle."
Sie umarmt mich noch ein letztes Mal und verlässt dann den Raum."Setz dich doch bitte, Scorpius. Es hat mich schon immer nervös gemacht, wenn die Leute, mit denen ich geredet habe, in der Gegend herumgestanden haben."
Ich sehe mich um und ziehe mir den Stuhl heran, den die Schulleiterin immer für Gäste in ihrem Büro zu stehen hat, also setze ich mich gegenüber des Portraits.
"Sehr schön, jetzt kann ich dir alles erzählen und du landest auf dem Stuhl, falls du ohnmächtig werden solltest."
Dabei kichert er so, als sei das, was er mir gleich sagen würde, etwas ganz Witziges und gar nicht schockierend. Jetzt wird er allerdings wieder sehr ernst.
"Damit du alles verstehen kannst, muss ich erst ziemlich weit ausholen. Zu der Zeit, als deine Mutter noch Schülerin hier gewesen ist. Wie ich gehört habe, hat Albus sehr gute Recherche betrieben und herausgefunden, dass deine Mutter eine sehr wichtige Verbindung zum jungen Fred Weasley hatte. Die des Weggefährten. Eine Verbindung, die einen fast gleich großen Stellenwert hat, wie die des Auserwählten. Auch Fred war ein Mensch, der viel zu früh von uns gegangen ist. Viele sind der Meinung, es passiere nichts, wenn der Weggefährte stirbt, doch dem ist nicht so. In dem Moment, in dem diese Person stirbt, spaltet sich ein Teil der Seele desjenigen ab, der ein wenig einer Veela in sich trägt. Denn der Weggefährte nimmt einen klitzekleinen Teil der Seele seines Gegenüber für sich ein und nimmt ihn nach seinem Tod auf eine gewisse Art und Weise mit sich. Damals, kurz nachdem Fred starb, war deine Mutter für einen gewissen Zeitraum verwundbar, manipulierbar, angreifbar. Einen Zeitraum, den Voldemort für seinen Vorteil zu wissen nutzte, wenn vorerst auch nicht bewusst. Er kontrollierte Lucy, brachte sie zu sich und sorgte beinah dafür, dass sie Harry umbrachte. In diesem einen klitzekleinen Moment ist es ihm gelungen, einen weiteren Horcrux zu erzeugen, den er dann auf deine Mutter übertrug."
Dumbledore macht eine Pause und ich starre ihn an.
"Mei- Meine Mum ist ein Horcrux?"
Der Namensgeber meines Freundes sieht mich mitleidig an und ich ahne, dass es noch schlimmer geht.
"Nein, nicht Lucy. Sondern du."
Da sitze ich nun auf diesem Stuhl und weiß nicht mehr wo oben und unten ist.
"Aber ... Wie kann so etwas nur möglich sein? Meine Mum war doch diejenige, dessen Seelenstück abgespalten wurde!"
"Das ist wahr, aber dieses klitzekleine Stückchen gehörte ihr nicht mehr, es gehörte Fred. Es mag unglaublich unreal klingen und das ist es auch für jeden, der es hört, aber das kleine Stückchen wird an die Generation danach weitergegeben. Verstehst du, was ich meine? Du hast einen kleinen Teil von Fred in dir. Das wäre so oder so gesehen, doch leider war es genau der Teil, der als Platz für den Horcrux verwendet wurde. Voldemort mag tot sein, doch wenn der Horcrux nicht zerstört wird, kann es gut möglich sein, dass dieser Teil wächst und dich weiterhin unter Kontrolle hat. Wie an dem Tag, als dein Gefährte zum ersten Mal zum Vorschein kam. Deine Augen waren leuchtend grün, vielleicht erinnerst du dich noch daran. Damals hat der Horcrux das erste Mal Besitz von dir ergriffen, kurz vor Lysanders Ausbruch. Ich bin überrascht, dass es bis heute nicht nochmal geschehen ist. Es gibt nur einen Weg, um den Horcrux in dir zu zerstören, aber dafür-"
"Muss ich sterben", beende ich den Satz.Cookies! ❤️
Tut mir leid, dass ihr warten musstet, aber dieses Kapitel hat unglaublich viel Konzentration gefordert!
Was sagt ihr dazu? :)
Ich würde mich über Feedback freuen. ;)
Read you next time ;*
Momofelton ❤️

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Until We Met ✅
FanfictionBand 3. Scorpius Malfoy. Sohn von Lucinda und Draco Malfoy. Slytherin und Bad Boy. Unglaublich beliebt. Magnet für Stress und Schwierigkeiten. Doch im sechsten Schuljahr wird etwas geschehen, das sein Leben wahnsinnig auf den Kopf stellt... "Es...