26. Dezember

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Everly POV

Alleine sitze ich am Tisch über meinem Essen, was irgendwie schon traurig ist. Alle sind bei jemandem. Wenigstens haben Chase und Louisa mir eben etwas von ihrem Essen vorbeigebracht, um mir eine Freude zu machen. Chase meinte es sind Rouladen und Klöße, ein Gericht, das er bei seiner Familie in Deutschland gelernt hat zu kochen. Ich kann verstehen, dass sie mich nicht gefragt haben, ob ich zu ihnen zum Essen kommen will. Immerhin soll Lou mal Mrs. Graysons Freund kennen lernen und sie Chase. Darren und Eric sind gerade damit beschäftigt mit Vivian und Walter zu essen. Sie sollten heute mal in Ruhe den Tag mit ihrem Sohn und seinem Freund verbringen, da Darren es wirklich ernst meint, da bin ich mir sicher. Alex und Kylie haben heute endlich nal wieder so richtig Pärchenzeit.

Trotzdem komme ich mit der Tatsache, dass ich diesen Tag alleine verbringen muss, ganz gut klar. So bleibt mir mehr Zeit um mit Jacob zu telefonieren. Uns beiden war gestern klar, dass das was wir zu besprechen haben ein längeres Gespräch wird, also haben wir es auf heute verschoben.

"Was soll das mit uns werden?", sage ich so leise in mein Handy, dass es mich nicht wundern würde, wenn Jacob es nicht hört.

"Wir haben Gefühle füreinander." Da hat er recht. "Ich will mit dir zusammen sein. So was sagt man nicht per Telefon, ich weiß, aber ich bekomme das nicht auf die Reihe, wenn wir nicht jetzt darüber sprechen."

Mit geht es da ähnlich, also kann ich ihm es nicht übel nehmen. "Das will ich auch. Schon seit sehr langer Zeit. Ich dachte nur du magst mich nicht auf diese Art und Wiese."

"Da sind wir ja schon zwei", sagt Jacob, "Heißt das jetzt wir sind ein Paar?"

"Ich denke schon." Das ganze ist Neuland für mich. Klar hatte ich schon mal einen Freund, nur das war alles irgendwie komisch mit ihm. Das was ich für Jacob empfinde, fühlt sich echter an. Wie gerne ich ihn jetzt bei mir hätte, einfach um stundenlang seine Hand zu halten. "Ich vermisse dich."

"In fünf Tage bin ich bei dir. Wenn ich in Willow Springs bin, muss ich auch meine Familie besuchen, willst du mitkommen?" Für Jacob ist das ein Vertrauensbeweis. Immerhin haben sie viel zu bereden. Mehr als Jacob und ich sogar. "Dich haben sie immer sehr gemocht, sie würden sich freuen. Wenn du heute alleine bist, kannst du auch zu ihnen. Ich bin mir sicher. Es schafet bestimmt nicht, wenn du vor mir mit ihnen redest. Sag halt nur nicht, dass wir jetzt zusammen sind. Vielleicht hilft es ihnen ja vorher mit jemandem zu reden, der nicht ich ist. Irgendwie war das Telefonat mit meinem Dad komisch."

"Wenn du meinst." Das ist schon absurd. Andererseits... Zu mir waren Melanie und Jack immer sehr lieb und sie haben des öfteren gesagt, ich darf immer bei ihnen vorbeikommen. Auch nach dem Tod meiner Eltern, wo sie schon eine Weile keinen Kontakt mehr zu Jacob hatten. Davon könnte ich nach all der Zeit mal von diesem Angebot gebrauch machen.

***
Seit ich das letzte mal hier war, hat sich nichts verändert. Der Garten sieht genau so aus wie früher, das gleiche Auto steht in der Einfahrt und auch an der Werkstatt neben dem Haus hat sich nichts verändert. Das rostige O im Wort Houston hängt immer noch schräg.

Vorsichtig balanciere ich mich die rutschige Treppe hinauf und drücke die Klingel. Hoffentlich erkennen sie mich, so eingepackt, wie ich in meiner Jacke, meiner Mützr und meinem Schal bin. Sonst öffnen sie vielleicht nicht die Tür.

"Everly, Liebes, ich hätte dich fast nicht erkannt. Du bist ja total abgemagert. Komm rein! Es ist doch total kalt." Melanie nimmt mir die Jacke ab. "Lange nicht mehr gesehen. Wir essen gleich. Willst du mitessen? Jack würde sich bestimmt auch freuen, dich mal wieder zu sehen."

Kaum zu glauben, dass diese Menschen so gemein zu ihrem Sohn waren, nur weil dieser seinen eigenen Weg gehen wollte.

"Sehr lieb. Gerne. Ich hab aber vorhin schon etwas gegessen, also nehme ich nur eine Kleinigkeit. Das wäre aber gar nicht nötig, wirklich. Es wäre für mich kein Problem, wieder zu gehen und später vorbeizukommen."

Melanie nimmt mich am Handgelenk und zieht mich ins Essszimmer. "Nein. Wir freuen uns und du muss zu kräften kommen, so dünn wie du bist."

Auch Jack, der nun ins Esszimmer kommt, begrüßt mich. Jacobs Eltern sind wirklich froh darüber, eine Freundin ihres Sohnes zu sehen. Sie müssen ihn wirklich vermissen. "Wie geht es Jake?"

Ich beantworte ihen ihre Frage und erzähle ihnen, wie ich Jacob besucht habe. Während meinem kleinen Monolog kommen Melanie die Tränen. "Oh Gott, wir sind schrecklicke Eltern. Es hat nur zu lange geduert, bis wir das kapiert haben. Ich kann es nicht glauben, dass er angerufen hat, wir lieben ihn so sehr. Er hat etwas aus seinem Leben gemacht, obwohl wor so schlecht zu ihn waren. Er ist stark."

"Hey", sage ich, "Das solltet ihr vielleicht nicht unbedingt mir sagen, sondern eurem Sohn."

Jack nickt. "Da hast du wahrscheinlich recht. Wir hatten genug Zeit, uns im klaren darüber zu werden, was wir getan haben. Nur wir wollten nicht aufdringlich sein und haben uns deshalb nicht bei ihm gemeldet." Seine Stimme bricht und er muss kurz eine Pause machen. "Und jetzt hat er angerufen. Es ist schon fast ein Wunder."

Wenn ich mich nur umschaue, die Menschen um mich betrachte, stelle ich fest, dass es immer Wunder gibt. Die einen sind größer, die anderen so klein, dass man sie kaum wahrnimmt, doch für jeden gibt es sein eigenes. Viele kleine Weihnachtswunder. Kylie hat Alex wiedegefunden, Darren hat Eric, Chase ist Louisa hintergergereist, ich bin wahrscheinlich gesund, obwohl ich das noch nicht ganz glauben kann. Und dann gibt es da Jacob. Nach einigen Jahren will er sich jetzt wieder mit seinen Eltern vertragen. Es ist nun einmal Weihnachten. Das Fest der Versöhnung, die Zeit der kleinen und großen Wunder, aber vorallem die der Versöhnung. Noch nie ist mir all das klarer geworden als dieses Jahr.

(Bild: Jacob)

I'll be Home For Christmas (Adventskalender 2019❤️)Where stories live. Discover now